Textatelier
BLOG vom: 31.07.2005

Wetterfühligkeit: Vom Hexenwind (Föhn) aufs Kreuz gelegt

Autor: Heinz Scholz

„Heute fühle ich mich schlapp“ oder „Heute habe ich wieder Migräne“ (es liegt also nicht immer an einem lustlosen Partner, sondern am Wetter. Wirklich eine gute Ausrede!). Oder: „Ich spüre heute wieder meine Narbe; das Wetter muss sich bald ändern.“ Solche Aussprüche oder andere höre ich immer öfter. Besonders in der jetzigen Sommerzeit, wo das Wetter verrückt spielt. So wechseln sich heisse und kühle und regnerische Tage in immer kürzeren Abständen ab. 

Erst gestern unterhielt ich mich mit einer Schopfheimer Bäckersfrau, die auch das sommerliche Wetter in den negativsten Zügen schilderte und letztlich meinte: „Das Wetter ist komisch, genauso wie die Leute.“ Ich drang nicht weiter in ihr Seelenleben vor. Aber sicherlich meinte sie, dass die Leute missmutig herumlaufen und kurz angebunden seien. Sie war sichtlich froh, wieder einmal mit einem gut gelaunten Kunden über das unerschöpfliche Thema Wetter sprechen zu dürfen. 

Der Mensch ist nie zufrieden. Steigen die Temperaturen einmal über 30 °C, ist es den meisten zu heiss; sinken sie aber innerhalb weniger Tage auf 15 °C, frieren viele und holen wieder ihre Herbstkleider aus den Schränken. Auch ich schimpfe auf das Wetter, besonders dann, wenn wir eine geplante Wanderung absagen müssen. In diesem Jahr fielen schon etliche Touren aus. 

Eine Bekannte aus München klagt immer wieder wegen des Föhns, der im Alpenvorland bei vielen Menschen für Missstimmungen sorgt. In Bayern wurde dieser warme, trockene und schwebstoffarme Fallwind früher als „Hexenwind“ bezeichnet. Die betreffende Frau leidet dann, trotz des blau-weissem Himmels über Bayern, unter Kopfweh, Unlust, Unkonzentriertheit und Kreislaufbeschwerden. Andere legen, wie sie mir am Telefon schilderte, eine bestimmte Gereiztheit an den Tag und verursachen Unfälle.

Nun noch einige Bemerkungen zur Wetterfühligkeit: 30 % der mitteleuropäischen Bevölkerung geben an, unter Wetterfühligkeit zu leiden. Oft ist es jedoch so, dass die meisten das Wetter zu Unrecht anklagen. Das Wetter muss als Sündenbock herhalten. Es wird als Entschuldigung missbraucht, um keinesfalls Fehler in der Lebensweise eingestehen zu müssen. 

Dazu Dr. med. Volker Faust, der das Buch „Wetterfühligkeit“ (Trias-Verlag) geschrieben hat: „Worunter Sie leiden, sind Kopfschmerzen, Herz- und Kreislaufstörungen, Stimmungsschwankungen usw. Das aber dürfen Sie nicht dem Wetter anlasten. Es macht sie nur auf ihre schwachen Punkte oder gesundheitlichen Probleme aufmerksam, naturgegeben und beharrlich, Gradmesser ihrer seelischen und körperlichen Lage und Vorwarner zugleich." 

Beim Wetterfühligen reagiert das vegetative Nervensystem verstärkt auf Witterungsreize. Infolge seiner niedrigen Reizschwelle reagiert es sofort, und es stellen sich die vorgenannten Missempfindungen ein. Dazu kommt noch eine träge Reaktionsbereitschaft beim Autofahren, ein Nachlassen der Alkoholfestigkeit oder eine Reduzierung der Medikamentenwirkung. Menschen mit Narben und verheilten Knochenbrüchen, die unter „Phantomschmerzen“ leiden, sind besonders wetterempfindlich. Die Wetterempfindlichen klagen nicht nur über Schmerzen, sondern auch über Abgeschlagenheit und Merkstörungen. 

Biometeorologen sind den „Wetterteufeln“ auf der Spur. 2 Übeltäter werden verdächtigt. Zum einen sollen die „Sferics“ schuld sein, zum anderen „Schwerewellen“. Sferics sind elektromagnetische Langwellen, die in der Atmosphäre durch Erd- und Wolkenblitze oder stille Entladungen gebildet werden. Im Langwellenbereich des Radios machen sie sich durch ein Knacken bemerkbar. Schwerewellen ihrerseits sind niederfrequente Luftdruckschwankungen, die entstehen, wenn sich Luftschichten aneinander reiben. Beide Wettereinflüsse lassen sich im Labor erzeugen. Zurzeit sind Versuche im Gange, die klären sollen, ob die genannten Phänomene tatsächlich mit der Wetterfühligkeit etwas zu tun haben. 

Jetzt ist auch verständlich, weshalb vor einem Wetterwechsel oder vor einem Föhneinbruch bei einigen Menschen Befindlichkeitsstörungen auftreten. Es sind die genannten Wellen, die schneller als der Wind sind. 

Fazit: Das Wetter können wir nicht ändern. Wir müssen damit leben. Unser Organismus braucht sogar Wetterreize. Was wir aber ändern können, ist unsere oft unvernünftige Lebensweise. Vielleicht brauchen Wetterfühlige nur genügend Schlaf, weniger Kaffee, Nikotin oder Alkohol, mehr Zufriedenheit, weniger Leistungsdruck, Hetze, Sorgen und Ärger. Wir sollten also nicht immer im Wetter den Buhmann sehen. Wir sollten unseren schlaffen Körper durch Sport, Bewegung (auch Wanderungen oder Spaziergänge bei nicht so gutem Wetter machen – da muss ich mich auch an die eigene Nase fassen) stärken. 

Wer jedoch trotz einer gesunden Lebensweise unter Wetterfühligkeit leiden sollte, kann sich damit trösten, dass nach einem Tief immer wieder ein Hoch kommt.

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