Textatelier
BLOG vom: 30.03.2006

Die Gentechniker wollen gesunden Bauchspeck erzwingen

Autor: Heinz Scholz
 
Es gibt Zeitgenossen, die mit Wonne gegrillten Bauchspeck verzehren und dann selbst einen bekommen. Wir wollen hier einmal beide Speckarten näher betrachten.
 
Der Schweinespeck
Als ich im letzten Jahr mit einem Bekannten vor einer Wanderung in der Nähe von Biberstein oberhalb der Aare zu einem währschaften Frühstück bei Walter Hess eingeladen war, machten wir auch die Bekanntschaft mit seinem Bauchspeck. Natürlich zeigte er uns nicht seinen menschlichen Bauchspeck, sondern bot uns zur Rösti gebratene Bauchspeckscheiben von einem artgerecht aufgezogenen, ehemals glücklichen Schwein an. Sie schmeckten köstlich. Ich geniesse solche  knusprigen Scheiben meistens nur im Urlaub im Rahmen eines Frühstücksbüffets.
 
Oft wurde ich vor einem Speck- oder Schweinebauchverzehr gewarnt, da er eine Menge gesättigte Fettsäuren enthalten soll. Ein Blick in diverse Lebensmitteltabellen genügt, um festzustellen, dass der Schweinebauch bzw. Schweinespeck zwar die gesättigten Fettsäuren Palmitinsäure und Stearinsäure (12–27 %), aber auch die einfach gesättigte Ölsäure (14,3–28,2 %) – diese kommt auch vermehrt in Olivenöl vor – und die mehrfach ungesättigten Linolsäure und Linolensäure (3,3 %) enthält. Die alpha-Linolensäure gehört übrigens zu den Omega-3-Fettsäuren, die besonders gesund sein sollen. Ihr Anteil ist jedoch im Speck relativ gering.
 
Bald werden die US-Amerikaner jubeln, denn ihre findigen Genforscher und Vermarktungsstrategen sind dabei, zukünftig den Fast-Food-Verzehrern eine gesündere Kost anzubieten. Forschern von den Universitäten Pittsburgh und Harvard ist es nämlich gelungen, Ferkel mit gesünderem Fett zu klonen. Mit dem zusätzlichen Gen in ihrem Erbgut, wie im Fachjournal „Nature Biotechnology“ nachzulesen ist, produzieren jetzt die „armen“ Schweine eine Menge Omega-3-Fettsäuren, die sich besonders im Speck ablagern.
 
Wer ab und zu Speck isst, braucht sich wegen seiner Gesundheit keine Sorgen zu machen. Auch brauchen wir keine Schweine, die Omega-3-Fettsäuren produzieren. Es gibt ja genügend Alternativen. Fische, Leinöl, Rapsöl, Sojaöl und Lebertran sind reich an diesen Fettsäuren.
 
Der menschliche Bauchspeck ...
Wer bestimmt eigentlich, wer zu dick oder zu dünn ist? Schon seit vielen Jahren wurde der so genannte Body Mass Index (BMI) als Massstab herangezogen. Aber bald kamen die Mediziner dahinter, dass die Einteilung mittels BMI untauglich ist. Vielfach wurden bei der Festlegung dieses Normmasses für vermasste Normmenschen Schätzungen und Hochrechnungen herangezogen. Bei sehr kleinen und sehr grossen Menschen zeigt die Formel Schwächen. Auch wurde festgestellt, dass derjenige, der etwas Übergewicht hat, sich einer höheren Lebenserwartung als magere Zeitgenossen erfreuen kann. Seit neuestem wird auch das zu viele Fett im Bauch mittels Bauchumfang zur Beurteilung herangezogen. Der Bauchumfang hat nämlich bei Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren stärker zugenommen als der BMI.
 
Die Mediziner sind der Ansicht, dass zu viel Bauchfett (man spricht von „innerem Bauchfett“) die Bildung von Hormonen und Botenstoffen (Adipokine) bedingen, die an der Ausbildung eines hohen Blutdruckes und an Stoffwechselstörungen beteiligt sind. Schon ein Bauchumfang von mehr als 88 cm bei Frauen und 102 cm bei Männern soll das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes erhöhen. Aber auch hier gibt es unterschiedliche Meinungen. Es leben nämlich ganz gesunde Leute auf unserem Trabanten, die einen beachtlichen Speckbauch herumtragen. Es kommen nämlich noch ganz andere Risikofaktoren dazu, um die genannten Krankheiten auszulösen.
 
... und seine offensichtlichen Vorzüge
Ein gut gelaunter Freund mit einem besonders gewölbten Bauch teilte mir folgende unbestreitbaren Vorteile des menschlichen Bauchspeckes mit:
 Wenn man mehr Gewicht mit sich herumträgt, verbraucht man mehr Energie, man kann also mehr essen.
 Das Fett ist eine wertvolle Reserve für Notzeiten.
 Der Speckmantel puffert gegen mechanische Einwirkungen (Zusammenstösse), einem Airbag nicht unähnlich.
 Der Speck ist ein guter Isolator, z. B. gegen Kälteeinwirkungen.
 Der Bauch vermittelt ein gemütliches, altväterliches Aussehen und lässt auf einen gewissen Wohlstand und Genussfähigkeit schliessen.
 Ganz wichtig ist auch der so genannte Kuschelbärfaktor; denn die meisten Frauen wollen keine dünnen Begleiter.
 Früher brauchten die Männer Gewicht, um die Pflugscharen hinter dem Pferdegespann besser in den Boden drücken zu können. Heute kann man es beim Zusammenpressen des Kehrichtsack-Inhalts gebrauchen.
 
Schon Gajus Julius Cäsar hatte Vertrauen zu bauchspecktragenden Männern. Er sagte: „Lasst dicke Männer um mich sein.“ Auch Heinrich Heine war in seinem Urteil über Körperrundungen des Lobes voll. In seinen „Reisebildern 1“ („Die Harzreise“) findet sich der Satz: „Es war ein dicker Mann, folglich ein guter Mann, sagt Cervantes.“ Auch in vielen Kulturen waren und sind wohlbeleibte Menschen gerne gesehen (siehe den Glanzpunkte-Artikel Den Schlankheitswahn endlich beenden).
 
Natürlich darf man es mit dem Futtern nicht übertreiben und ein nicht zu hohes Gewicht anstreben. Wer ein Bäuchlein sein eigen nennt, sich sonst gesund ernährt und auch bewegt, der braucht sich keine Sorgen zu machen. Er wird so manchen Untergewichtigen, der dazu noch bequem und unzufrieden ist, wohl überleben.
 
Quelle
Ausführliche Infos zu Fetten und Ölen und allen anderen Lebensmittel sind in meinem Buch „Richtig gut einkaufen“, das im Verlag Textatelier.com, CH-5023 Biberstein, im Herbst 2005 publiziert wurde, nachzulesen. Es kann im EU-Raum auch direkt vom Autor mit Widmung versandkostenfrei bezogen werden: heinz.scholz@textatelier.com
 
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