Textatelier
BLOG vom: 12.05.2009

Botanischer Garten Basel: Taschentuchbaum, Buddha-Hand

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Kurz vor 14 Uhr am 08.05.2009 ging in Lörrach D ein Hagelschauer nieder, weshalb ich kaum an den geplanten Besuch mit Wilma und Toni im Botanischen Garten beim Spalentor in Basel zu hoffen wagte. Aber die Frau meines Wanderfreunds war optimistisch und meinte, wir sollten trotzdem fahren, es werde mit Sicherheit witterungsmässig besser. Sie hatte Recht, denn als ich mit dem Auto das Parkhaus in der Nähe der Universität ansteuerte, klarte es auf und die Sonne erfreute uns wieder.
 
Endlich sah ich ihn, den Taschentuchbaum
Anlass des Besuchs war eine Besonderheit im Botanischen Garten (http://pages.unibas.ch/botgarten/). Eine Bekannte meines Wanderfreunds Toni hatte ihn auf den Taschentuchbaum aufmerksam gemacht, der jetzt in voller Blüte zu sehen war. Da ich noch nie etwas von diesem exotischen Baum gehört hatte, wurde meine Neugier natürlich geweckt. Voller spannender Erwartung suchten wir den Baum in der Nähe des Tropenhauses auf.
 
Bei einigen Besuchen in der Vergangenheit war mir der Baum gar nicht aufgefallen. Diesmal war es anders: Der Taschentuchbaum (Davidia involucrata) wurde früher, als es noch keine Papiertaschentücher gab, Taubenbaum genannt. Wenn der Baum in voller Blüte steht, sieht er wirklich aus, als sei er mit Tausenden von Taschentüchern behängt. Nach dem Hagel und Regen hingen die weissen Blätter etwas traurig herunter. Ich konnte jedoch die Blüten gut in Augenschein nehmen und auch einige Fotos machen.
 
Aber lassen wir einmal den englischen Forschungsreisenden E. H. Wilson (1876 bis 1930) zu Wort kommen. Er war mehrmals im Auftrag der englischen Gärtnerei Veitch und des Arnold Arboretums in China, um Pflanzen zu sammeln. Er war auch auf der Suche nach einem Baum, der 1869 vom französischen Missionar und Naturforscher J. P. A. David (1826 bis 1900) entdeckt worden war. Als er ihn in den Provinzen Hupeh und Szechuan entdeckte, schrieb er begeistert in sein Tagebuch u. a. Folgendes:
 
„Die ausserordentliche Schönheit dieses Baumes machte uns trunken vor Begeisterung (…) Wir konnten uns nicht sattsehen an den beiden schneeweissen, verwachsenen Hochblättern, die die eigentliche Blüte umgeben…“
 
Dann schrieb er, dass die Blätter zuerst grünlich, dann weisslich und schliesslich schneeweiss werden und beim Verwelken eine bräunliche Farbe annehmen. Dies beobachtete ich ebenfalls. Ich stibitzte nämlich eine am Boden liegende Blüte mit den beiden Blättern (das eine Blatt mass 10 cm, das andere 7 cm). Nach einem Tag Lagerung wurde es deutlich brauner. Nach 2 Tagen waren die Blätter zu 80 % braun verfärbt.
 
Dann bemerkte David noch dies: „Die Blüten und Hochblätter hängen an ziemlich langen Stielen, und wenn sie durch eine leichte Brise bewegt werden, gleichen sie schwebenden Riesen-Schmetterlingen.“
 
Nach dem Regenschauer mit Hagel war von einer Bewegung der Blätter nichts zu sehen. Schade. Die weisslichen Blütenblätter hoben sich an diesem Tag nicht so gut von den grünen Blättern des Baumes ab. Besucher, die von einem Taschentuchbaum nichts wussten, gingen achtlos vorbei und wunderten sich, als wir den Baum von allen Seiten in Augenschein nahmen und fotografierten.
 
Michael Kiehn vom Botanischen Garten der Universität Wien betonte in einer Publikation, dass der Baum wegen seiner Winterfestigkeit doch vermehrt in unseren Gärten gepflanzt werden sollte. Der Baum bevorzugt nährstoffreiche, etwas feuchte Böden. Bei Jungbäumen braucht es einige Jahre, bis sich die ersten Blüten zeigen.
 
Schöner, aber giftiger Tulpenbaum
Der Botanische Garten, der 1589 durch Caspar Bauhin im „Unteren Kollegium“ am Rheinsprung gegründet wurde (der Garten wurde später mehrmals verlegt) – und somit einer der ältesten Botanischen Gärten der Welt ist –, hat jedoch noch viel mehr zu bieten. So gibt es im Freiland 300 Gehölzarten, Kräuter, einen Mittelmeergarten, ein Alpinum, Schaukästen, eine Farnschlucht, einen Schattenpflanzengarten und einige Gewächshäuser (Tropenhaus, Viktoriahaus, Sukkulentenhaus und ein Kalthaus).
 
Im Garten stehen einige prächtige alte Bäume. So entdeckte ich den Mammutbaum, den Tulpenbaum, die Hängebuche, den Schnurbaum, die Edelkastanie, die Sumpfzypresse und den Ginkgo. Alle Bäume sind, ausser der Sumpfzypresse, nach Schätzungen zwischen 115 und 130 Jahre alt. Nach der Gründung des Gartens am Spalentor (1898) wurden diese als Jungbäume gepflanzt.
 
Besonders schön fand ich den Tulpenbaum (Liriodendron tulpifera). Diese im östlichen und südöstlichen Nordamerika heimische Baumart gehört zur Familie der Magnoliengewächse (Magnoliaceae). Sehr schön sind die Blütenblätter, die an der Basis bläulich-grün, darüber gelb-orange und dann wieder grünlich sind. Die Blütezeit ist von April bis Mai.
 
Und eins hat mich ebenfalls überrascht, als ich Näheres über den Baum erfuhr: Alle Teile der Pflanze, insbesondere das Holz und die Rinde, sind für den Menschen giftig. Im Holz ist das Alkaloid Glaucin, in der Rinde sind digitaloide Stoffe und in den Blüten saponinartige und cyanogene Verbindungen enthalten.
 
Die Nordamerikaner nutzen das Stammholz des Tulpenbaums zur Herstellung von Türen, Fenstern, Furnieren, Sperrholz, Verschalungen, Regalen und Gussformen. Hergestellt werden daraus auch Körbe, Musikinstrumente und Särge, aber auch Bleistifte und Zündhölzer. Auch für die Zellstoff- und Papierherstellung wird das Holz genutzt. Auch Bienen lieben den Baum. Pro Saison liefern junge Bäume bis zu 3,6 kg Nektar. Dies entspricht etwa 1,8 kg Honig.
 
Buddhas Hand
Nach unserer Besichtigung des Sukkulentenhauses – hier fiel mir besonders der Schwiegermutterstuhl auf (Goldkugelkaktus) – und des Freigeländes, entdeckte ich in einem grösseren Kübel Buddhas Hand. Diese Bezeichnung für eine Zitronatzitrone (Citrus medica, var. digitata) war mir bisher nicht geläufig gewesen. Bei dieser einer Hand ähnlichen Frucht sind die einzelnen Fruchtsegmente von der Schale umgeben. Die Früchte sind dekorativ, haben einen angenehmen Geruch, enthalten jedoch kein saftiges Fruchtfleisch.
 
Die in Japan und China weit verbreitete Frucht wird für religiöse Zeremonien verwendet. Getrocknete Schalen werden gern zur Abwehr von Kleiderschädlingen in Schränken platziert.
 
Das bizarre Aussehen der Frucht war für mich sehr eindrücklich. Und was entdeckte ich noch an derselben Pflanze? Blüten in den Blattachseln! 3 waren aufgeblüht, die anderen 3 noch nicht. Die Blütenblätter sind weisslich, die Staubblätter gelb.
 
In der Nähe dieser seltsamen Pflanze waren Nisthilfen für Wildbienen zu sehen. In quergeschnittene Hölzer waren Löcher gebohrt. Diese Höhlungen (Löcher in totem Holz, hohle Pflanzenstängel, leere Schneckenhäuschen) benötigen die Wildbienen für die Aufzucht der Larven. Manche Wildbienen graben sogar Gänge in lockerem Erdreich.
 
Auf einer Infotafel war dies zu lesen: „Als fleissige und wichtige Blütenbestäuber sammeln sie (die Wildbienen) Nektar und Pollen, welche sie in Portionen in die Brutröhre eintragen. Zu jeder Portion legen sie ein Ei und verschliessen die Kammer anschliessend mit Lehm. Die Larven leben vom Futtervorrat und benötigen keine Brutpflege. Erst im nächsten Frühjahr befreien sich die jungen Männchen und Weibchen aus ihrer engen Kinderstube.“
 
„Dinosaurierpflanze“
1994 entdeckte David Nobile, seines Zeichens Parkwächter des Wollemi National Parks in Australien, eine ihm unbekannte Baumart. Eine Untersuchung eines Zweiges im Botanischen Garten Sydney brachte eine grosse Überraschung. Es handelte sich um ein Araucariengewächs. Dieses war bisher nur von 90 Millionen Jahre alten Versteinerungen bekannt. Die Botaniker gaben dem Gewächs den wissenschaftlichen Namen Wollemia nobilis.
 
Die grösste Verbreitung dürften die Wollemia-Wälder in der Jura- und Kreidezeit vor 200-65 Millionen Jahren gehabt haben.
 
Das Areal in Australien besteht aus 2 benachbarten Wäldern mit weniger als 100 ausgewachsenen Exemplaren. 40 Bäume sind fruchttragend. Der grösste Baum misst 40 Meter. Er wird „King Billy“ zu Ehren des Hubschrauberpiloten Bill genannt, der die Forscher in waghalsigen Flugmanövern ins unzugängliche Gebiet brachte.
 
Die Parkverwaltung reagierte rasch, um illegale Plünderungen zu vermeiden. Es wurde ein Schutzkonzept mit 2 Strategien entwickelt: erstens Geheimhaltung des Standortes, der Zutritt ist nur Forschern erlaubt, und zweitens wurde der Pflanzenhandel zur Erhaltung der Art durch Vermehrung forciert. So konnten in den letzten 10 Jahren einige Tausend Jungpflanzen herangezogen werden. Ein Teil der Einnahmen durch Verkauf dieser Jungpflanzen kommt übrigens dem Wollemi Nationalpark zugute. „Es bleibt zu hoffen, dass mit der Verbreitung dieser seltenen Baumart in den Botanischen Gärten zahlreicher Länder, in Parks und Privatgärten das Überleben der Wollemia gewährleistet werden kann“, schreibt Bruno Erny, Leiter des Botanischen Gartens Basel, in einem Artikel. Diesen entdeckte ich in einem Infokasten am Institutseingang.
 
Am 19.06.2007 schenkte der Verband der grünen Branchen „Jardin Suisse“ dem Botanischen Garten eine kleine Wollemia. Bruno Erny teilte mir in einem E-Mail vom 11.05.2009 mit, dass die Pflanze im Moorbeet zwischen Botanischem Institut und Unibibliothek den ersten Winter problemlos überstanden hat und derzeit einen knappen Meter hoch ist. Mittlerweile wächst in einem Topf eine 2. Wollemia heran. Dieser steht in der Nähe des Brunnens, damit die Besucher die Pflanze besser ansehen können.
 
Elfenblauvogel im Tropenhaus
Herrliche Orchideen, mehrere schöne blühende Bananenstauden, ein Brasilianischer Rasierpinselbaum (die Blütenform ist einem Rasierpinsel ähnlich) und viele andere exotische Sträucher sind im feucht-warmen Tropenhaus zu bestaunen. Aber man kann auch einige exotische Vogelarten bewundern. So zum Beispiel den Elfenblauvogel (Irena puella) oder die Gelbbrust-Fruchttaube (Ptilinopus occipitalis).
 
Der Elfenblauvogel, der auch als „Türkisfeenvogel“ oder „Irene“ bezeichnet wird, hat ein tiefschwarz und glänzend blau gefärbtes Gefieder. Die lebhaften Fruchtfresser leben in Südasien. „In einem gewissen Ausmass werden auch Insekten vertilgt, mit ein Grund, weshalb im Tropenhaus neben den Vögeln keine Schmetterlinge (mehr) gehalten werden können“, so in einer Info im Eingangsbereich des Tropenhauses.
 
Der Elfenblauvogel war an diesem Tag sehr friedlich und ruhig. Er ist nämlich sonst ein Krachvogel, der mit Getöse angeflogen kommt und dabei laute Lockrufe oder kurze, scharfe Piffe ausstösst. Wahrscheinlich war er von unserer Friedfertigkeit überzeugt.
 
Die in den Philippinen vorkommende Gelbbrust-Fruchttaube hat ihren Namen daher, weil sie sich nicht auf Samen spezialisiert hat, sondern auf Früchte. Die Samen werden dann unverdaut und noch keimfähig mit dem Kot ausgeschieden. Die Taube ist damit ein wichtiger Verbreiter bestimmter Baumarten.
 
Die Taube macht sich oft durch einen wie „wom-puu“ klingenden Ruf bemerkbar, oder durch das Geräusch herabfallender Früchte. Auch an diesem Tag war die Taube bei unserem Anblick ruhig. Sie blieb sogar sitzen als ich eine Blitzlichtaufnahme machte.
 
Hinweise auf Veranstaltungen
Der Botanische Garten Basel bietet von März bis September Feierabendführungen zu ausgewählten Themen an (an einigen Dienstagen um 17:00 Uhr und 19:00 Uhr).
 
Weitere interessante Veranstaltungen:
17.05.2009: Frühlingspilze (freiwilliger Unkostenbeitrag)
13. bis 21.06.2009: Sommernacht (Abendveranstaltung im Rahmen von „Botanica“): Konzerte der Musik-Akademie Basel, Führungen und Präsentation zu „Königin der Nacht“, Schoggi, Fleischfressende Pflanzen, Pfeiffrösche und nachtblühende Duftpflanzen, botanisch-literarische Lesungen. Garten und Gewächshäuser sind beleuchtet.
Eintritt: 5 CHF.
13.09.2009: Pilzausstellung. Thema: „Chemie der Pilze“, 300 bis 400 Pilzarten werden im Garten präsentiert (Verein für Pilzkunde Basel), 10 bis 18 Uhr, Eintritt 5 CHF.
 
Internet
http://pages.unibas.ch/botgarten/ (Botanischer Garten der Universität Basel)
www.verein-botgart-spalentor.ch (Verein Botanischer Garten beim Spalentor in Basel)
 
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