Textatelier
BLOG vom: 09.03.2010

Gen-Kartoffel-Anbau: Amflora trotz riskanter Gene erlaubt

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Ich schreie nicht Hurra, aber Fortschritt wird halt durch Züchtung erreicht.“
(Marlene Mortler, CSU-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der bayerischen Landfrauen)
*
 
„Es gibt keine wissenschaftlichen Fragen mehr, die untersucht werden müssen.“
(John Dalli, EU-Verbraucherkommissar zur Anbauerlaubnis der Genkartoffel)
*
Zuerst eine gute Nachricht für Kartoffelfreunde: Das britische Sortenschutzamt hat die Zulassung der beliebten Kartoffelsorte Linda im Vereinigten Königreich erteilt. Diese Entscheidung gilt für alle EU-Länder. Die „Königin der Kartoffeln“ ist also gerettet. In der Vergangenheit gab es nämlich von umnebelten Bürokraten Bestrebungen, die sehr schmackhafte Sorte Linda vom Markt zu nehmen. In meinem Blog vom 28.11.2005 „Kartoffelsorte Linda: Die ,Königin’ wird nicht entthront“ ging ich auf die Auslauffrist der Zulassung ein. Der Landwirt Karsten Ellenberg beantragte damals die Verlängerung der Auslauffrist für den Sortenschutz. Nach einer Fristverlängerung durch das Bundessortenamt legte Europlant (die Firma hat die Rechte an der Knolle) Widerspruch ein. Es kam dann zu einem Vergleich: Europlant erlaubte den Linda-Bauern eine 2-jährige Fristverlängerung. Jetzt können die Anbauer noch mehr frohlocken, denn das Bundessortenamt gab dem erwähnten Landwirt am 26.02.2010 die Erlaubnis für die Neuzulassung in Deutschland. Dieses Beispiel zeigt, dass sich ein Kampf um eine gute Sache letztendlich lohnt.
 
Nun zu der weniger erfreulichen Nachricht:
 
Genkartoffel auf dem Vormarsch
In der EU darf jetzt die umstrittene von der BASF entwickelte Genkartoffel Amflora angebaut werden. Dies hat die EU-Kommisson kürzlich allein entschieden, weil sich die EU-Landwirtschaftsminister uneins waren. Die Kartoffel soll nur für industrielle Zwecke angebaut werden. Die aus dieser Genkartoffel gewonnene Amylopektin-Stärke wird für die Papier-, Garn- und Klebstofffertigung verwendet. Die Befürworter sind hocherfreut, zumal aus der Genkartoffel die Stärke leichter als aus herkömmlichen Sorten gewonnen werden kann. Die normalen Kartoffeln enthalten nämlich ein Stärkegemisch aus Amylopektin und Amylose. Die Industriestärke kann dann nur mühsam produziert werden. Beim Herstellungsprozess, so argumentierte der EU-Verbraucherkommissar John Dalli, spare man Energie und Wasser. Wie schön für die Umwelt und den Einsparmöglichkeiten der Industrie! Des Weiteren äusserte der Verbraucherkommissar – nach 7-jähriger Prüfung −: „Es gibt keine wissenschaftlichen Fragen mehr, die untersucht werden müssen.“ Wie schön für die Politiker, wenn alles nach unendlich langen Beratungen geklärt ist! Sie pfeifen auf die kritischen Stimmen, die jetzt immer lauter werden.
 
Und die CSU-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der bayerischen Landfrauen, Marlene Mortler“, sagte: „Ich schreie nicht Hurra, aber Fortschritt wird halt durch Züchtung erreicht.“ Dazu muss man sagen, dass die gewählte Abgeordnete nicht einmal den Unterschied zwischen Züchtung und Genmanipulation versteht. Michael Stöhr prangert im „Donaukurier“ (www.donaukurier.de) am 06.03.2010 die Inkompetenz der Politikerin an.
 
Des Weiteren schreibt dieser Autor: „Züchtung von Pflanzen und Tieren ist ein natürlicher Vorgang, bei dem bereits in den Genen angelegte Möglichkeiten einer Art gezielt durch Kreuzung verwirklicht werden. Alle Hunde stammen vom Wolf ab und haben die gleichen Gene wie Dackel und Mops – erreicht durch natürliche Züchtung ohne Einschleusung von Fremdgenen.“ Dann erklärte er auch die Genmanipulation, damit jeder „Fachidiot“ den Unterschied versteht. Diese Fakten sollte man der genannten Politikerin und auch anderen inkompetenten Volksvertretern übermitteln. Ob sie dann weise Entscheidungen treffen würden, bleibe dahingestellt. Ich habe wenig Hoffnung.
 
Unkritische Leserzuschriften der vergangenen Woche besagten, dass man keine Angst haben muss, da ja die Kartoffeln nicht verzehrt würden. Falsch gedacht, wie wir sehen werden.
 
Politischer Kniefall
Umweltschützer kritisieren die Entscheidung und behaupten, diese sei ein „politischer Kniefall“ vor der mächtigen BASF. Das finde ich ebenfalls. Mir gibt auch zu denken, dass in einer Expertenrunde, bestehend aus 21 Wissenschaftlern, 19 keine Bedenken hatten, während 2 erklärten, es wäre unvorsichtig, mögliche negative Folgen zu verharmlosen. Nun, die Verharmlosung nimmt immer mehr überhand. Auch in anderen Bereichen.
 
Die manipulierte Kartoffel Amflora hat nämlich ein Gen, das Bakterien gegen Antibiotika resistent macht. Dieses Gen wird ins Erbgut der Kartoffel eingeschleust, damit die Forscher sehen können, ob die Veränderung funktioniert. Die Erbinformation könnte auf Bakterien des Magen-Dram-Trakts u. a. übertragen werden. Wenn sich die Bakterien unkontrolliert vermehren, wird es fürchterlich. Das Markierungsgen in der Amflora-Kartoffel macht 2 Antibiotika unwirksam, die u. a. bei der Behandlung von Tuberkulose verordnet werden. Man stelle sich vor, die Tbc-Erkrankungen nähmen irgendwann überhand, und das Fatale wäre dann, dass keine Reserve-Antibiotika mehr zur Verfügung stünden. Es gibt ja heute schon genügend Antibiotika-resistente Bakterien.
 
Auch könnten Kartoffelabfälle bei der Stärkeproduktion ins Tierfutter und dann auch in bestimmte Nahrungsmittel gelangen.
 
Die genannte Markierungsmethode wird heute nicht mehr angewandt. Da die Kartoffel schon 1996 entwickelt wurde, kommt sie eben auf den Markt. Eine Rückzüchtung des umstrittenen Gens lehnte die BASF aus Kostengründen ab. Die Bayerische Landesanstalt hat inzwischen, wie BRalpha am 02.03.2010 berichtete, eine Kartoffel gezüchtet, die das Markierungsgen nicht mehr enthält. „Das Projekt liegt allerdings derzeit auf Eis, denn die Firma Südstärke lehnte es ab, diese Kartoffel zu verarbeiten. Das Unternehmen fürchtete, dass Lebensmittelhersteller bei ihnen keine Stärke mehr kaufen, wenn sie auch gentechnisch veränderte Kartoffeln verarbeiten würden“, so BRalpha.
 
Stärke aus herkömmlichen Kartoffeln ist billiger
Die Firmen haben unglaublich viel Angst, dass eine solche Verarbeitung publik werden könnte. Die schlaue Firma Südstärke hat auch den Preis verglichen und herausgefunden, dass herkömmlich produzierte Stärke billiger ist. Bei der aus der Amflora-Kartoffel produzierten Stärke fallen nämlich hohe Lizenzgebühren an. Und die herkömmlich produzierte Stärke ist völlig konfliktfrei. Solche Firmen sind auf dem richtigen Weg, gerade auch, wenn es ums Image einer Firma geht und man dabei noch Kosten einspart.
 
In einer dpa-Meldung vom 05.03.2010 wird auf die weiteren Entwicklungen der BASF hingewiesen. Die Forscher wollen eine Zulassung für 2 weitere genmanipulierten Sorten. Es sind 1. eine Amflora-Nachfolgerin und 2. die für den menschlichen Verzehr bestimmte Genkartoffel Fortuna in der Entwicklung. Die Fortuna-Kartoffel soll resistent gegen die Kraut- und Knollenfäule sein.
 
Dieses Beispiel zeigt, dass die Firmen nicht locker lassen, um ihre Genprodukte auf den Markt zu werfen. Sie wollen schliesslich ihre Aufwendungen für Forschungsarbeiten durch gesalzene Lizenzgebühren wieder hereinbekommen und dabei noch grosse Gewinne machen.
 
Die Gentechnik-Konzerne versuchen mit aller Macht, eine Durchseuchung unserer Umwelt mit genveränderten Organismen zu erreichen. Dann gibt es bald keine gentechnikfreie Nahrungsmittel mehr. Bis es soweit ist, müssen die Verbraucher Versuchskaninchen spielen.
 
Deshalb meine Empfehlung: Wir müssen wachsam sein, die Missstände und Machenschaften der Konzerne aufdecken und die Verbraucher aufklären.
 
Internet
www.donaukurier.de (Genkartoffel: Marlene Mortler hat Inkompetenz bewiesen)
www.google.com (Genkaroffel Amflora)
www.spiegel.de (Genkartoffel Amflora darf in Europa angebaut werden)
www.br-online.de (Grüne Gentechnik: Kartoffel mit riskanten Genen)
 
Hinweis auf das Blog über die Kartoffelsorte Linda
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