Textatelier
BLOG vom: 11.04.2013

Ein bezwingend eindrücklicher Film: „Dans la Maison“

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
In diesem hinreissenden Film „Dans la Maison“ (deutscher Titel: „In ihrem Haus“), 2012 von Regisseur François Ozon geschaffen, entdeckt der Französischlehrer Germain im Lycée Gustave Flaubert den 17-jährigen Claude Garcia und erkennt in ihm ein literarisch begabtes Wunderkind. Er fördert Claude und fordert ihn auf: „Racontez des histoires (Erzählen Sie Geschichten)!“
 
Claude befreundet sich mit seinem gleichaltrigen Schulkameraden Rapha (Raphael) und gewinnt damit Einschlupf in dessen Haus beim Park. Dort entrollt sich etappenweise der Fortsetzungsroman, in dem Claude das häusliche Leben der Familie durchleuchtet. Raphas Mutter durchblättert am liebsten Innendekorationshefte wie „La Maison“. Claude beschrieibt sie als „une femme de classe moyenne“ (eine Frau kleinbürgerlicher Herkunft).
 
Dieser Film zeugt von der hohen schauspielerischen Leistung aller Mitspieler, von Philippe Rombis Sinfonie einprägsam untermalt. Claude reihte seine Erzählung in abwechslungsreichen Episoden aneinander. Gleichzeitig schildert der Film das Leben des Ehepaars Germain als Vorbereitung des Schlusskapitels. Allerlei Überraschungen warten den Zuschauern im Handlungsverlauf auf, die hier nicht ausgeplaudert werden sollen.
 
Claude beschrieb nicht nur, sondern er manipulierte geschickt Rapha und dessen Eltern in ihrem Haus. Neugierig pirschte er durch die Räume bis ins Schlafzimmer der Eltern. Er bewunderte Esthers rote Schuhe im Gestell und vereinte sie poetisch mit ihren zierlichen Füssen …
 
Claude erteilte Rapha Nachhilfeunterricht in der Trigonometrie. So stand ihm das Haus stets offen – und er erschloss sich heimlich die Räume und belauschte versteckt die Gespräche.
 
Er schlich sich ins Vertrauen von Raphas Mutter ein. Damit hat sich Claude ein Verhältnis mit Esther vorgebahnt. Das blieb Rapha nicht verborgen.
 
Wer die französische Sprache liebt, wird sich an der gediegenen Sprache, verbunden mit literarischen Bezügen, des Films erfreuen. Auch Humor fliesst ein, etwa dort, wo Germains Frau Gäste zur Vernissage in ihre Galerie einlädt.
 
Wozu braucht es eine Uhr mit der Ziffer 13 statt 12?
*
Dieser Film erweckte viele Erinnerungen an meine ersten literarischen Gehversuche, die ich mit 17 Jahren unternommen hatte. Einige meiner Deutschlehrer haben mich dabei ermuntert. Aber ich war kein Wunderkind und nicht gewillt, von der Magerkost der Literatur zu leben.
 
Die Vorlagen des Lebens müssen mit eigenen Zutaten angereichert werden, von der Inspiration ausgelöst. Neugier ist die Quelle der Kreativität. Wie in diesem Film, braucht es dazu eine fähige Regie, die sich an den Zuschauer oder Leser wendet und diese ergreift. Eine derartige Regiearbeit ist François Ozon meisterhaft gelungen.
 
Der Film endet mit einer Fassade voller Zimmer, die Einblicke ins Leben der Bewohner gewähren – und die damit Stoff für neue Geschichten schaffen.
 
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