Textatelier
BLOG vom: 09.07.2014

Zielkonflikte: Odysseen in der politischen Desinformiertheit

Autor: Walter Hess, Publizist (Textatelier.com), Biberstein AG/CH
 
 
Wenn Sie als Bestandteil einer Autokolonne durch ein Strassendorf fahren, in dem die Geschwindigkeit auf 50 Stundenkilometer limitiert ist, die ganze Kolonne aber gleichwohl 65 km/h auf dem Tacho hat, dann werden Sie zum Störenfried, wenn Sie sich an die Limite 50 halten. Sie bremsen alle hinter ihnen nachfolgenden Autos ab. Ein Fall von Verkehrsbehinderung.
 
Darüber habe ich Ende Juni 2014 mit der Mobilen Einsatzzentrale der Kantonspolizei Aargau in Aarau telefonisch gesprochen. Der zuständige Beamte sagte mir, wenn ich die Höchstgeschwindigkeit übertreten sollte, würde ich laut Absatz 3 des Strassenverkehrsgesetzes gebüsst; respektiere ich aber die Geschwindigkeitslimite, verhalte ich mich korrekt, und in diesem Fall könne mir nichts passieren.
 
Aber wie ist es mit den Langsamfahrern? Wenn einer zum Beispiel mit Tempo 80 über eine Autobahn schleicht, die 120 zulässt. Auch das sei kein Vergehen, erfuhr ich; wichtig sei allerdings, dass ich die rechte Fahrspur benütze, so dass mich die Schnelleren überholen können.
 
Fazit: Wenn sich Leute scharenweise unkorrekt verhalten und ich mich ihnen anschliesse, kann ich ebenfalls bestraft werden. Tue ich das nicht und empfinden sie meine Korrektheit als Belästigung, brauche ich mich davon nicht beeindrucken zu lassen.
 
Das Gleichnis habe ich dem Alltagsgeschehen entnommen, um darzulegen, dass es oft Zielkonflikte gibt, man es also nie allen recht machen kann. Wesentlich komplexer noch ist der Sachverhalt im juristischen und damit oft politischen Bereich, weil die auf einen Fall zutreffenden Gesetze widersprüchlich sein können. So kann beispielsweise ein Naturschutzgesetz Eingriffe in eine empfindliche Landschaft verbieten. Und nun wird eine Strassenanlage vorbereitet, die nach planerischen Grundsätzen am besten durch eben dieses geschützte Refugium führen müsste. So prallen also 2 öffentliche Interessen aufeinander. Man wird nun versuchen, einen Kompromiss anzustreben, das Landschaftsschutzgesetz mindestens ritzend, und dafür anderweitig der freien Natur eine Entfaltungsmöglichkeit zu bieten.
 
Noch kniffliger wird das Durchwursteln im abstrakten Bereich, obschon am Ende auch dieser Auswirkungen auf die Menschen hat und dessen berechtigtes Streben nach Glück beeinträchtigt werden kann. Der Gipfel der Undurchschaubarkeit ist dort erreicht, wo internationale Rechtsanwendungen, die an sich oft schon willkürlich ausgelegt werden, im Gegensatz zu nationalen Gesetzen stehen, die ihrerseits durch kantonale, kommunale oder andere Vorschriften zusätzlich verzerrt werden. Dazu gehört das multinationale Völkerrecht, das z. B. jedem Staat einen Angriffskrieg verbietet, das allerdings nicht eingehalten wird, ansonsten ja überall Friede herrschen würde. Zudem ist dieses Recht ungenau definiert, und Normenkollisionen sind an der Tagesordnung, die eine Rechtsverwilderung ermöglichen.
 
Am bitteren Ende resultiert daraus eine juristische Manipuliermasse, die von den Vertretern divergierender Interessen unter Lobbyisten-Einfluss nach Gutdünken zurechtgeknetet wird. Der Rechtsschutz, der dem Einzelnen gegen staatliche Eingriffe gewährt werden sollte, zerbröselt. Der Rechtsstaat verliert an Bedeutung, so dass dann Gerichte von Fall zu Fall die Rechtmässigkeit staatlichen Handelns zu beurteilen haben. Dadurch wächst die Bedeutung der Gerichte. Und jeder vernünftige Bürger will in seinem Land umso mehr die eigenen, von ihm demokratisch mitbestimmten Richter am Werk wissen. Demgegenüber können fremde Richter eine Art von Übergesetzmässigkeit installieren, die nicht auf die nationalen, sondern auf internationale Interessen zugeschnitten sind.
 
Bürger müssen politisch Anteil nehmen, Politik und Rechtswissenschaft (Jurisprudenz) vergleichend verfolgen und bei Gelegenheit mit demokratischen Mitteln darauf Einfluss nehmen. Dem steht allerdings die mit der Globalisierung wachsende Gleichschaltung dort entgegen, wo man noch seine Eigenarten pflegt und sich weigert, sich der banalisierenden Vermassung hinzugeben.
 
Manchmal scheint es, ob der Drang zur Simplifikation der Einheitswelt Vorschub leiste. Unter solchen Voraussetzungen kann man alles von einer Zentrale aus biegen und drehen, wie immer man will.
 
Mit der am 04.07.1776 vom Kontinentalkongress der Vereinigten Staaten von Amerika, der sich in Philadelphia zusammengefunden hatte, unterzeichneten Declaration of Independence, die zusammen mit einer Erklärung der Menschenrechte verabschietet wurde, wurde die Grundlage für eine demokratische Verfassung erschaffen, von der heute allerdings nicht mehr viel übriggeblieben ist. Der 2. Absatz jener feierlichen Erklärung, halb Staatspapier, halb philosophische Betrachtung, beginnt mit diesen Worten: „Wir glauben, dass diese Wahrheiten selbstverständlich sind, dass nämlich alle Menschen gleich geschaffen wurden, dass ihnen ihr Schöpfer gewisse Rechte unwiderruflich gegeben hat, als da sind: das Recht auf Leben, das Recht auf Freiheit und das Recht auf Streben nach Glück.“
 
Es geht um die Gleichheit mit Bezug auf die selbstverständlichen Rechte, nicht aber um eine Gleichmachung in allen Lebensbelangen. Damit die Globalisierung zu rechtfertigen, wäre infolgedessen unstatthaft. Denn gerade sie kann individuellen Bedürfnissen von Völkern und Volksgruppen nicht Rechnung tragen. Dabei stellt sich die Frage, ob die Persönlichkeitsfindung innerhalb des vorgegebenen Rechtsrahmens bei all dem Nachahmungsdrang, wie er sich augenfällig in der Mode manifestiert und auch eine Auswirkung der weitgehenden Mediengleichschaltung ist, überhaupt noch erwünscht ist.
 
Die Massen leben ihren Herdentrieb aus und ziehen es vor, sich im Kollektiv der pauschalen Verblödung zutreiben zu lassen, ohne sich darum zu kümmern, wohin sie die Odyssee dirigiert. Irrfahrten sind gut 2800 Jahr nach Homer immer noch an der Tagesordnung, meist solche in der anbefohlenen, universell geltenden Standard-Formation, was die Lenkung vereinfacht. Die Uniformen für die breiten Massen feiern ihre Wiederauferstehung.
 
 
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