Textatelier
BLOG vom: 19.11.2014

Der Serienmörder im Ruhrgebiet – Kriminologe fahndet

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London, verfasste einen Kurzkrimi
 
 
Im dicht besiedelten Ruhrgebiet in Nordrhein-Westfahlen wurden 5 junge Frauen auf grässliche und bizarre Weise ermordet. Die Fahndung nach dem Mörder blieb bisher ergebnislos. Ein bekannter Kriminologe wurde einberufen. Dr. Bär hatte seine eigene Untersuchungsmethodik entwickelt. Kurz vor Feierabend entstieg er am Montag dem Bummelzug in einem kleinen Ort, eben, als sich die Belegschaft einer Porzellanmanufaktur auf den Heimweg machte. Die Serienmorde wurden alle in einem Umkreis von 40 Kilometern verübt. Er ergatterte sich absichtsvoll einen Sitzplatz neben einer jungen Frau im vollbesetzten Lokalbus.
 
Mit Verlaub”, wandte er sich an die Frau, „können Sie mir sagen, wo ich hier eine Unterkunft finden kann?”
 
Hier hat es kein Hotel. Sie müssten mehrmals den Bus wechseln”, antwortete sie, „bis Sie die nächste grössere Ortschaft in rund 2 Stunden erreichen”, antwortete sie,
 
Betrübt schüttelte er den Kopf: „Morgen früh muss ich beim Vorstand der Manufaktur vorsprechen. Wie Sie wohl wissen, wird der Betrieb geschlossen, und viele Angestellten werden entlassen.”
 
Die Frau horchte auf: „Ja, ich weiss”, nickte sie niedergeschlagen, „niemand schert sich einen Deut um die Angestellten.”
 
Aber es fand sich eine Lösung für Dr. Bär: Er konnte bei der betagten Witwe in der Parterrewohnung übernachten; die junge Frau mitsamt Familie wohnte im oberen Stockwerk. Das hatte Dr. Bär geschickt eingefädelt mit Beihilfe eines ihm zugeordneten Detektivs.
 
In der Spezereihandlung an der Ecke der Seitenstrasse zur Unterkunft kaufte Dr. Bär eine Flasche Wein und eine Schachtel Konfekt. Er schenkte sie der Frau als Dank für ihre Vermittlung seines Nachtlagers. Die Witwe hiess ihn willkommen und wies ihn zum bescheiden eingerichteten Schlafzimmer. Eine Viertelstunde später klopfte sie an der Türe: „Die Familie im 1. Stock möchte Ihnen einen Imbiss anbieten.”
 
Diese Einladung kam Dr. Bär sehr gelegen. Er hatte richtig getippt: Herr und Frau Künzig wollten ihn über die Schliessung der Manufaktur aushorchen. Es bot sich ihm ein trautes Familienbild. Immer wieder unterbrach das aufgeweckte 5-jährige Töchterchen ihr Gespräch. Ihr Vater herzte das Kind. „Ja, es ging um die finanzielle Abfindung der Angestellten”, mehr konnte Dr. Bär nicht aussagen, „denn die Verhandlungen werden Morgen beginnen und werden von den gesetzlichen Vorschriften bestimmt.”
 
„Ich vernehme, dass die hiesige Bevölkerung stark beunruhigt ist ...”, wechselte Dr. Bär das Thema. „Komm Schatz, du musst jetzt ins Bett!”, sagte der Vater. „Diesmal wird deine Mutter dir ein Bettgeschichtchen vorlesen.”
 
„Ich bin beruflich viel in der Umgebung unterwegs”, sagte Herr Künzig. „Viele Leute richten gegenwärtig, von den Morden beängstigt, Alarmanlagen ein, die ich für meine Firma installiere. Bisher fehlt vom Täter jede Spur”, schloss Künzig. „Wann kommt es zum nächsten Mord? Das bleibt eine offene Frage. Die Zeitungen erwähnen bloss, dass die Suche kräftig vorangetrieben werde ... Diese Toten sprechen nicht”, sagte er trocken. ‒ „Und alle anderen auch nicht ...”, fügte Dr. Bär verhalten hinzu.
 
Kurz später verabschiedete sich Dr. Bär, bezog seine Kammer im Parterre und führte ein längeres Gespräch mit der Polizeikommissarin und beantragte ab sofort eine diskrete Überwachung von Herrn Künzig, übungshalber, wie er beifügte. Die Liste der Verdächtigten, worunter Künzig, hatte den Umfang eines Telefonverzeichnisses erreicht. Er wollte ein Profil des Täters entwickeln. Deswegen hatte er sich in diesem Ort ein Nachtlager gesichert. Der Täter konnte ein Mensch wie alle anderen sein und unauffällig seine Tagesgeschäfte verfolgen. Psychopathen sind schwer erkennbar.
 
Frühmorgens verliess Dr. Bär seine Herberge. Ein Detektiv sass in seinem Auto gleich neben der Spezereihandlung. Er wies ihn übers Handy zum Auto, das ihn an der nächsten Strassenabzweigung erwartete und ihn nach Essen brachte. Dort bezog er ein Hotelzimmer, wo er zuerst frühstückte. Nachher durchstreifte er den Marktplatz in der Stadtmitte. Der Täter, spekulierte er, könnte ein Gemüsehändler sein. Alle Morde geschahen an Werktagen in der 2. Tageshälfte, meist frühabends. Der Markt dauerte bis Mittag. Dr. Bär befragte da und dort Händler, ob sie Heimdienste anbieten, also ihre Ware an private Haushalte abliefern, und nannte dabei die Orte, wo die Opfer ermordet worden sind. Auf seiner Suche bestimmte er 2 weitere Stichproben zur diskreten Überwachung.
 
Wie wurden die Opfer ermordet? Alle wurden stranguliert, doch nicht auf einmal. Das Post Mortem stellte fest, dass der Mörder wiederholt den Griff gelockert hatte, wenn die Opfer verzweifelt um Luft rangen. Nachher wusch er die Leichen und schminkte sie und färbte ihre Nägel mit rotem Lack. Er drapierte die Körper mit ihrer Unterwäsche und zog den Bettüberwurf kunstvoll gefaltet halbwegs hoch. Ein Arm lag abgewinkelt auf dem Kissen. Ein Polizist bemerkte, dass sie sanft Schlafenden glichen. Der Mörder hinterliess wenige Indizien. Was trieb diesen Mörder zu diesen grotesk grausamen Taten?
 
Dr. Bär suchte nach Beweggründen und entwickelte eine Reihe von Hypothesen. Der Mörder und sein Vater litten unter einer herrschsüchtigen Mutter. Sie kritisierte und unterjochte fortzu ihren Mann sowie ihren einzigen Sohn und liess keinen guten Faden an ihnen – eine wahre Xanthippe... Mehr und mehr staute sich ein abgründiger Hass im Sohn auf.
 
Immerhin suchte und fand er in seiner Ehe Liebe, die er zärtlich erwiderte und auf sein einziges Kind übertrug. Doch sein in der Kindheit angewachsener Hass trug er weiterhin, tief in sich eingekapselt. Als gewiegter Psychologe und Kriminologe war Dr. Bär vertraut mit den vielschichtigen Manifestationen der Psychopathen, die sich im Alltagsleben hinter der Maske der Normalität verbergen. Die sadistischen Impulse brechen unverhofft wie ein Orkan aus heiterem Himmel durch und lassen sich weder steuern noch aufhalten. Im Hirn dieses Mörders, vermutete Dr. Bär, hatte sich ein alternatives Mutterbild geformt. Die Opfer glichen in seiner wahnsinnigen Vorstellung einer gütigen Mutter – Madonnen. In seiner Zwangsvorstellung rächte er sich, weil sie ihm in seiner Jugend nicht beigestanden hatte. Fotografierte er seine Opfer oder sicherte sich ein „Andenken”, etwa eine Halskette oder einen Ring?
 
Die Kriminalpolizei fahndete ihrerseits nach dem Serienmörder und folgte dabei eingespielten Regeln, ganz unabhängig von der Methodik von Herrn Dr. Bär.
 
Nach 5-tägiger Beschattung von Künzig erhielt Dr. Baer den Bericht von der Polizeikommissarin. Künzigs Frau verliess jeweils am frühen Morgen das Haus zur Arbeit in der Manufaktur. Künzig brachte das Kind zum Kindergarten und holte es um die Mittagszeit ab. Die Witwe behütete es jeweils bis zur Rückkehr der Mutter.
 
Der Tagesturnus von Künzig war von den Aufträgen abhängig und konnte sich bis in den Abend erstrecken, wann immer er die Rückkehr von der Arbeit der Leute abwarten musste, um die Alarmanlagen zu installieren. Anfragen beim Hersteller bestätigten, dass die Installateure flexiblen Arbeitszeiten folgen. Wie verbrachte Künzig die Zeitlücken? Er traf sich gern mit Kollegen in einer lokalen Wirtschaft.
 
Der mit seiner Überwachung beauftragte Detektiv meldete, dass in einem Wirtshaus Künzig mitten in einem animierten Gespräch förmlich erstarrte. Seine Aufmerksamt galt einer jungen Frau, die einen Barhocker bezog. Innert 5 Minuten setzte er sich neben sie und verwickelte sie in ein Gespräch. Offensichtlich hatte er ihr Vertrauen erweckt: Sie gab ihm sorglos ihre Handynummer preis.
 
Noch am gleichen Abend sprachen die Polizeikommissarin und Dr. Bär an ihrem Wohnort vor. Die junge Frau erschrak heftig, als sie erfuhr, welcher Gefahr sie sich ausgesetzt hatte. Anzeichen wiesen darauf hin, dass der Mörder nicht nur mit den Gewohnheiten seiner Opfer, sondern auch mit den von ihnen bewohnten Wohnungen oder gemieteten Zimmern vertraut war. Möglicherweise hatte er sich dort während ihrer Abwesenheit eingeschlichen und Schubladen und Schränke durchstöbert.
 
Die junge Frau wurde ausserhalb ihres Wohnorts unter Polizeischutz einquartiert. 2 Tage später telefonierte ihr Künzig, der wissen wollte, wo sie sich aufhalte. Sie sei auf Besuch bei ihrer kranken Mutter, antwortete sie gemäss der Skriptvorlage, doch werde sie in Kürze zurück sein.
 
Inzwischen hatte die Polizei 2 Miniaturkameras in ihr Studio eingebaut. Frühabends, einen Tag nach seinem Anruf, schlich sich Künzig ins Haus und entriegelte mühelos das Schloss ihrer Wohnungstüre. Er verweilte dort eine gute Stunde, offensichtlich mit Vorbereitungen zum Mord beschäftigt. Dabei legte er eine Puppe unter ihre Bettdecke – die Madonna mit dem Kind.
 
Wie von der Polizei angeordnet, telefonierte sie ihm und meldete ihm ihre Rückkehr und lud ihn ein, sie zu besuchen. Er erschien mit einem Blumenstrauss, was mit zu seinem Ritual gehörte. Mit gespieltem Mitgefühl erkundigte er sich, wie es ihrer Mutter gehe. Tröstend nahm er sie in seine Arme und drängte sie gegen das Bett. Die junge Frau schrie, als er sich über sie warf. Im Nu hatte die Polizei Künzig überwältigt und verhaftet.
 
Der Tatort war knapp eine halbe Stunde von der Wohnung der Familie entfernt. Sofort wurde ihre Wohnung nach Indizien durchsucht. Das Mädchen wurde unter die Obhut der Witwe gebracht. „Wer hat dir diese schöne Halskette geschenkt?“, erkundigte sich eine Angestellte vom Fürsorgeamt. „Papa”, antwortete das Kind ahnungslos. Später wurde festgestellt, dass genau diese Halskette von einem der Opfer stammte. Von der Kindergärtnerin erfuhr ausserdem die Polizei, dass das Kind an Schlafstörungen litt und sich von Gespenstern in ihrem Zimmer fürchtete.
 
Während Künzigs Frau schlief, schlich sich ihr Mann wiederholt ins Kinderzimmer und zog unter einer losgeschraubten Bodenplanke ein Buch hervor, worin er minutiös, doch mit wirrem Gekritzel, seine Schandtaten festgehalten hatte, begleitet von ungelenken Bleistiftskizzen und Fotos von dem mit Rotstiften dick und breit verschmierten Hals seiner Opfer, unter vielen anderen grässlichen „Souvenirs” wie aufs Papier geklebten Haarlocken.
 
Das Gericht verurteilte ihn, wies den Serienmörder lebenslänglich in eine Anstalt für Geisteskranke ein. Künzigs Frau hatte sich innerhalb eines Jahrs wieder verheiratet. Das Kind wurde der öffentlichen Fürsorge anvertraut.
 
Dr. Bär schreibt zurzeit seine Psychoanalyse: „Der Madonnakomplex bei Psychopathen”.
 
 
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