Textatelier
BLOG vom: 13.06.2015

Bruno Rub – Lehrer, Radiomitarbeiter und Kulturvermittler

Autor: Pirmin Meier, Historiker und Schriftsteller, Beromünster LU/CH
 
 
Wer den vielfältig kompetenten Bruno Rub, Sohn einer alteingesessenen Familie aus Kleindöttingen/BöttsteinAG, über Jahrzehnte gekannt hat, seine Stimme nicht nur über das Radio wahrnahm, hielt den feingliedrigen Mann mit dem fast knabenhaften Gesichtsausdruck für alterungsresistent. Geboren am 16. September 1944 im unteren Aaretal, verbrachte der am 20. Mai 2015 verstorbene einstige Studienkollege den längsten Teil seines Lebens in der Region Baden.
 
Dank einmaliger und regelmässig ansteckender Begeisterungsfähigkeit behielt der vormalige Primarlehrer, Bezirkslehrer, Redaktor des „Aargauer Volksblattes“, Musikredaktor DRS (heute SRF) und vielseitige Kulturpublizist etwas im besten Sinne Jugendliches an sich. Ich erinnere mich, wie wir uns bei unserem letzten, weit über eine Stunde währenden Telefonat ausser über Schule und Journalismus über den Radsport im Zurzibiet ereiferten. Zum Beispiel die Steigung bei Siglistorf (Bezirk Zurzach AG), wo einst die „Züri-Metzgete“ passierte, nicht zu vergessen die einheimischen Spitzenfahrer Ernst Stettler und Willy Spuhler. Auch die Frühzeit der Klingnauer Stauseerundfahrt mit Lokalmatador Hans Schleuniger und die Anfänge der Gippinger Radsporttage zu Zeiten von Sepp Vögeli liessen wir Revue passieren.
 
Bruno Rubs Cousin Kurt Rub hatte wie Schleuniger mal die Tour de France tapfer fertig gefahren, sich eisern über die kolossalen Pässe gequält. Die Schweizer Tour- Sieger Ferdy Kübler und Hugo Koblet hielten sich gerne in unserer Gegend auf. Koblet machte mehrmals in einer Gaststätte zwischen Lengnau und Döttingen zusammen mit seinem 6-Tage-Partner Armin von Büren einen Trainingsstop. Kübler fuhr am 12. Juli 1954 von Colmar über die Koblenzer Brücke seinem vielleicht letzten Tour-de-France Etappensieg mit Endziel Zürich entgegen. Damals zählte Bruno zehn, ich sieben Jahre. Für uns beide blieben solche Erlebnisse unvergesslich. Ohne Radsport, dazu Musik oder allenfalls Vogelkunde, war und blieb die Heimat nie ganz die Heimat.
 
Was Radsport und Jazz gemeinsam haben
Die damaligen Helden des Radsports hatten mit den grossen Jazz-Musikern, denen Brunos Herz später gehören sollte, oft eine einfache Herkunft aus dem Arbeitermilieu gemeinsam. Dieser lebensgeschichtliche Ansatz traf auch für den Sohn eines Angestellten bei Oberle & Hauss zu. Vater Adolf Rub, 1936 Mitgründer der Männerriege Eien-Kleindöttingen, und Mutter Anna, geb. Knecht, die als Näherin noch etwas dazu verdiente, repräsentierten das kleine Bürgertum im unteren Aaretal schon fast in Reinkultur. Ihre drei wohlgeratenen Kinder Silvia, Bruno und Jeannette schafften die Bezirksschule Leuggern mit den bekannt tüchtigen Lehrkräften Kaufmann, Hans Müller und Hermann J. Welti. Eine Matura kam damals für die Mädchen schon gar nicht und für einen Jungen nur ausnahmsweise in Frage. Es bedurfte eines Stupfs vom Klassenlehrer, dass für Bruno als weiterführende Schule das Lehrerseminar Wettingen in Betracht kam. Das „Semi“, heute Kantonsschule Wettingen, war in seiner Blütezeit für musikalische Kultur bekannt, nebst Pädagogik und Gartenbau auch für guten Literaturunterricht. Jazz hingegen galt damals als umstritten und revolutionär. Der Thurgauer Lesebuchautor Alfred Huggenberger warnte noch in der Jugendzeit von Brunos Eltern vor „Negermusik“.
 
Griechisches Zwischenspiel
Für Bruno Rub wurden – nebst dem jugendlichen Flair für Radsport – Musik und Literatur früh so etwas wie die Liebe seines Lebens. Dabei bildeten für ihn das Exquisite und Exotische den Kontrapunkt zu seiner ländlich-katholischen Herkunft. Kein Wunder, verliebte er sich in eine unvorstellbar schöne Griechin, die zwei Jahre vor ihm verstorbene, mehrfach in glänzenden Partien verheiratete Fernsehansagerin und nachmalige Verlegerin, die als nationale Prominenz den Namen Dominique Rub auch nach der Scheidung von ihrem ersten Mann beibehalten sollte.
 
„Das Land der Griechen mit der Seele suchend“, die Formel von Goethe und Hölderlin, wurde für den Lyrik-Liebhaber Bruno Rub mit zum Lebensprogramm. Wie dem Volksschullehrer und Dichter Albin Zollinger, einem von Bruno Rubs Lieblingsautoren, gelang es ihm nicht, eine ihm von der sozialen Herkunft her überlegene Ehefrau dauerhaft an sich zu binden. Vor deren späteren Ehemännern, dem Filmemacher Rolf Lyssi einerseits und dem für die Meinungsbildung bei den schweizerischen Eliten richtungsweisenden Philosophieprofessor Georg Kohler andererseits musste sich der um die Weiterbildung des Schweizer Jazzpublikums hochverdiente volksnahe Publizist aber nicht verstecken.
 
Das Reich der Schönheit und der Ekstase
„Dass er als Publizist Jazz-Geschichte und -Geschichten für die Nachwelt festhielt, die sonst vergessen gegangen wären“, gehört gemäss seinem Weggefährten Urs Tremp zu Rubs grossen Verdiensten. 2007 hat er beim heute besten Aargauer Verlag „hier+jetzt“ die Biografie des Bassisten Erich Peter aus Aarau veröffentlicht («Der Teamplayer»), eines Musikers, der mit den ganz Grossen des internationalen Jazz gespielt hatte, aber schon bei seinem Tod 1996 weitgehend vergessen war. Auch die letzte Arbeit ist einem kaum bekannten Aargauer gewidmet. In der aktuellen Ausgabe des Jazz-Magazins „Jazz’n’More“ porträtierte er Gus Wildi aus Lenzburg, der in den USA ein Jazz-Label betrieb.
 
Rubs Stimme war häufig an Sonntagabenden zu hören, dazu in der Vorabend-Sendung „Apéro“. Sein Markenzeichen waren weniger musikalische Fachausdrücke als das Einordnen der Kulturform Jazz in eine grosse Erzählung. Mit Vorliebe konnte er sich in Anekdoten entfalten, in welchen der soziale Hintergrund dieser Künstler, der Aufstieg von ganz unten ins Reich der Schönheit und der Ekstase, zum Ausdruck kam. Ein Beispiel dafür ist eine Charakteristik des 1941 geborenen Bill Moody, bei dem Rub das Nebeneinander von Jazz und Lyrik zu loben wusste. Autor und Musiker Moody hatte wie Rub ein Literaturstudium absolviert. Originalton Bruno Rub:
 
„In seinen Jazzkrimis gelingt es ihm, Fakten und Fiktion gekonnt miteinander zu verbinden. Weil er als Musiker lange Jahre in Europa und in den Staaten unterwegs gewesen ist, kennt er die jeweiligen Szenen aus dem Effeff. Er hat in den Bands von Maynard Ferguson, Junior Mance oder Earl Hines getrommelt, hat Sängerinnen und Sänger wie Jimmy Rushing, Lou Rawls, Jon Hendricks und Annie Ross begleitet. So erfuhr er einiges über die psychische Befindlichkeit dieser Jazzgrössen. Als Journalist und Radiomann weiss er schliesslich, wie es im Umfeld des Jazz zu und her geht.“
 
In Würenlingens „pädagogischer Provinz“
Die Radioarbeit, aber auch Kulturvermittlungsarbeit in Badens Umfeld von „Jazz in der Aula“, worüber er in den „Badener Neujahrsblättern“ einige für die Aargauer Kulturgeschichte relevante Aufsätze schrieb, waren Glanzpunkte, aber doch nicht der einzig wichtige Lebensinhalt in der Laufbahn von Bruno Rub. Über viele Jahre hatte er nämlich als erzählfreudiger Lehrer gewirkt. Seine erste Lehrstelle trat er zusammen mit seinem Kollegen Oskar Spörri 1964 an der Unterstufe in Würenlingen an. Dies zu einer Zeit, da neben dem das Knüppelseil schwingenden Fossil und Kirchenmusiker Erich Wettstein noch Ausnahme-Pädagogen wie Bildungshistoriker und Grossrat Fritz Meier, der spätere Hitzkirch-Internatsleiter Armin Binotto, der Vorlese-Künstler Werner Köpfli und noch andere hochprofilierte Lehrkräfte Würenlingens Schulhaus von 1908 in eine pädagogische Provinz verwandelten.
 
Vom Bezirkslehrer zum DRS-Redaktor
Bruno Rub erwies sich nie als der Typ, der auf eine Lebensstelle aus war. Unbändige Neugier, auch der Sinn für das Ästhetische und Aussergewöhnliche, veranlassten ihn noch und noch zu beruflichen Experimenten. Zunächst lag ein Literaturstudium im Vordergrund. Dabei strebte er nicht ein Lizentiat oder Doktorat an, sondern das damals noch hoch angesehene aargauische Bezirkslehrer-Diplom. Ich erinnere mich, als Studienkollege von Bruno Rub die Option „Bezirkslehrer“ für mich ebenfalls als zunächst beste Berufswahl ins Auge gefasst zu haben. Bruno Rub plädierte mit guten Gründen dafür, dass der aargauische Bezirkslehrer wohl in Sachen Progymnasium schweizerische Spitze repräsentiere, dass man diese Lehrtätigkeit nie unterschätzen dürfe. Auch deswegen befriedigte es ihn langfristig nicht, seine grösste Leidenschaft, die Publizistik, neben dem Lehrerberuf als Hobby zu praktizieren. Der weitere Weg führte über die im Vergleich zum gut bezahlten Bezirkslehrer schlechter honorierte, aber unerhört spannende Redaktionstätigkeit beim „Aargauer Volksblatt“ und schliesslich in die Musik-Redaktion von Radio DRS. Ob Lehrer, Redaktor oder Radio-Mann – stets war die fundierte erzählerische Vermittlung die Stärke von Bruno Rub.
 
Publizist mit nationaler Ausstrahlung
Dass dieser scheinbar ewig junge Zeitgenosse, als Kulturvermittler stets wie aus einem Jungbrunnen entstiegen, unvermittelt schnell von einem bösen Krebs dahingerafft wurde, war bei der spätabendlichen Mitteilung der Todesnachricht durch Radio SRF kaum zu glauben. Ja, Bruno sei leider verstorben, bestätigte mir auf ungläubige Rückfrage seine langjährige Lebenspartnerin Vroni Biedermann, meine einstige Klassenkameradin an der Bezirksschule Endingen. Ihr Bruder, der bekannt tüchtige und vertrauenswürdige Arzt Dr. Karl Ehrensperger, hatte dem Schwerkranken zuletzt in Nussbaumen noch die letzte ärztliche Hilfe gewährt. Zwischen dem Ausbruch der Krankheit und dem fatal schnellen Ableben waren nur wenige Monate verstrichen.
 
Bruno Rub, im unteren Aaretal aufgewachsen, hat über die wichtigste Zeit seines Berufslebens seinen Lebensmittelpunkt in der Region Baden gefunden. In den Glanzzeiten des Restaurants „Isebähnli“ als Treffpunkt der Jazz-Szene repräsentierte er auf seine Weise ein einmaliges Nebeneinander von Heimat und Weltläufigkeit durch das Medium faszinierender Musik, die für ihn nicht „bloss“ Kunst, sondern Lebensinhalt wurde. Seine Lebenskameradin Vroni Biedermann-Ehrensperger und ein grosser Freundeskreis hat mit Bruno Rub einen Gefährten verloren, dessen menschliche Qualitäten, einschliesslich einer ganz und gar unspiessigen Heimatverbundenheit, unschätzbar bleiben. Aus dem Einzugsgebiet der Lokalzeitung „Botschaft“ ist – 5 Jahre nach Josef Rennhard – abermals ein Lehrer und Publizist mit nationaler Ausstrahlung nach menschlichem Ermessen früh von uns gegangen. Am Freitag, 12. Juni 2015, hat in der reformierten Stadtpfarrkirche Baden (aus akustischen, nicht konfessionellen Gründen) eine bewegte Trauergemeinde von einem liebenswerten Menschen und grossartigen Repräsentanten des kulturellen Lebens Abschied genommen.
 
 
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