Textatelier
BLOG vom: 12.06.2016

Ein Augenschmaus: Kornblume und Klatschmohn

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D

 


Nahaufnahme der Mohnblüte
 

Anlässlich einer früheren Wanderung (Blog vom 17.06.2006: „Wanderung zur Sissacher Flue: Luftkampf ums Revier“) sahen wir unweit der Rickenbacher Höchi eine grosse Wiese mit unzähligen Kornblumen und Klatschmohnpflanzen. Eine solche Pracht habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Ich kann mich noch gut an die Nachkriegszeit erinnern, als in Getreidefeldern viele Kornblumen und Klatschmohnpflanzen zu sehen waren. Auf Grund der Überdüngung und des Herbizideinsatzes verschwanden diese Pflanzen fast vollständig aus den Getreidefeldern. Nun scheinen sich diese wieder zu verbreiten, jedoch meistens auf ungespritzten, offenerdigen Strassenböschungen. Die Kornblume ist ein sogenannter Bioindikator, der anzeigt, wie stark die Felder im vergangenen Jahr gedüngt wurden.

Bei unseren Wanderungen in neuerer Zeit erblickten wir an Wegrändern immer wieder vereinzelte Klatschmohnpflanzen. Von einer Üppigkeit der früheren Jahre war jedoch nichts zu sehen. Die Kornblumen scheinen noch seltener in der freien Natur vorzukommen. Dafür sind die erwähnten Pflanzen vermehrt in Gärten zu sehen.

Auch in den Samentütchen, die kürzlich von Edeka an Kunden verschenkt wurden, sind die Samen von Wildkräutern und Kulturarten enthalten. Darunter auch die Kornblume und der Klatschmohn. Die Samen habe ich in Töpfen, die jetzt auf dem Balkon stehen, ausgesät. Innert von 2 Wochen ist das Grün der Pflänzchen schon zu sehen. Wir warten mit Spannung auf die ersten Blüten und Bienen.
Es handelt sich um bienenfreundliche Pflanzen. Die Blüten sind eine optimale Nahrungsquelle für Bienen, Hummeln und andere nützliche Insekten. Die Aktion soll für eine Vielfalt sorgen, zumal es für Bienen immer weniger Blühflächen mit guten Nektarquellen gibt. Infos unter: www.edeka-nachhaltigkeit.de

Nach einer Wanderung durch das Murgtal (s. Blog vom 06.06.2016: „Durch das urwüchsige, wilde Murgtal“) sahen wir in der Ortschaft Murg unterhalb der Autobahnbrücke, die zukünftig alle Autos um Murg herumführt, ein grosses Feld mit Mohnblumen. Wahrscheinlich wollten die Baufachleute ein ödes Feld mit solchen Blumen verdecken. Sie fanden den richtigen Weg, um die Anwohner und Gäste zu erfreuen. Wir Wanderer waren vom faszinierenden Rot der Blüten ganz aus dem Häuschen.

Der Klatschmohn (Papaver rhoeas), der nährstoffreiche, lehmige Böden liebt, ist schon seit der Steinzeit als Unkraut (Beikraut) bekannt. Der Milchsaft enthält ein leicht giftiges Alkaloid.

 


Mohnblumen auf Ödland angepflanzt
 

Spiele mit Klatschmohn 
In meiner Kindheit bereitete es uns immer eine Freude, die noch nicht entfaltete Blüten in den Kapseln zu inspizierten. Denn wir waren erstaunt, dass die zukünftige Blüte zusammengefaltet in ihrer Kapsel war. Vorsichtig entfalteten wir die jungfräulichen Blütenblätter, die noch arg zerknittert waren.
In der Pfalz (Eisenberg) wurden die Blütenköpfchen Bobbelcher (= Püppchen) genannt. Die geschlossenen Blütenknöpfe sind je nach Entwicklung weisse „Bäcker“, rote „Metzger“ oder rosarote „Zuckerbäcker“. Diese Berufe mussten von den Kindern vor dem Öffnen der Blütenköpfchen geraten werden.
In Kirchheimbolanden (Pfalz) war noch folgendes Spiel beliebt: Je nach der Zahl oder dem Fehlen der schwarzen Flecken am Grunde der Blütenblätter wurden die Blüten von der Jugend als „Katholik“ (2 Flecken), „Protestant“ (1 Fleck) oder als „Jud“ (0 Fleck) bezeichnet.

Sieht die Biene das Rot?
Die rot gefärbten Kronblätter des Klatschmohns (auch Mohnblume, Klatschrose genannt) enthalten Anthocyane. Die Bienen sind jedoch rotblind, die würden ohne das UV-Licht die Nektarquelle nicht sehen. Die Bienen erkennen die Blüte wegen der starken UV-Reflexion. Sie sehen diese wahrscheinlich blauviolett.

Die Samen rasseln in der Kapselfrucht. Diese Früchte enthalten etwa 2000 sehr kleine Samenkörner (Mohnkörner). Die Samenkörner werden vom Wind ausgestreut. Die Flugweite beträgt 4 m. Jede Blüte enthält 2,5 Millionen grünschwarze Pollenkörner. Diese Anzahl wird nur noch von der Pfingstrose übertroffen.

Die Kronblätter wurden früher zur Herstellung von roter Tinte gebraucht.

Es taucht immer die Frage auf, wie der Namen entstanden ist. Der Name ist ein Kompositum aus den Substativen Klatsch und Mohn. Wer einmal eine Blüte zusammengeklappt hat und dann diese auf dem Handrücken oder der Stirn geschlagen hat, hörte ein klatschendes Geräusch. Ein ähnliches Geräusch, vielleicht verstärkt, hört man, wenn ungehorsame Schüler früher eine Ohrfeige vom Lehrer bekommen haben (selbst erlebt!). Da klatschte es gewaltig. Die Wange wurde dann rot, aber nicht so intensiv gefärbt wie eine Mohnblüte.

 


Kornblume
 

Ein wahrer Augenschmaus
Die Kornblume (Centaurea cyanus) ist wirklich eine wunderbare schöne Pflanze, die mit ihrem tiefen Blau ein wahrer Augenschmaus ist.  Die Blaufärbung wird durch Anthocyanidin und Cyanidin verursacht.
Die Kornblume ist seit kurzem auch bei uns auf den Märkten als Blumenstrauss zu bekommen. Aber auch viele Hobbygärtner lassen jetzt die „verloren geglaubte“ Pflanze wieder aufleben.

Millionen Kornblumen
An dieser Stelle möchte ich über den Kornblumentag, der früher gefeiert wurde, Näheres berichten. Die Episode entdeckte ich im Familienbuch der Gemeinde Neuenweg D. In diesem Buch war ein Zeitungsbericht vom 5. Mai 1911 eingeklebt. Hier der Text:

„Schönau. Mehrere Millionen Kornblumen sind auf dem Wege nach den Orten, in welchen Militärvereine sich befinden, die dem Badischen Militärvereinsverband, dessen hoher Protektor Seine Königliche Hoheit der Grossherzog ist, angehören. Vielerorts sind die Blumen bereits eingetroffen und die Vorbereitungen für den Verkauf der Blumen sind  im vollen Gange. Ganz besonders sind es unsere jungen Damen, die hierbei ihre Hand zu Hilfe bieten, um als Blumenverkäuferinnen die Kaiserblume jedermann in freundlichster liebenswürdiger Weise zu überreichen. Wie es in unserem Bezirk ist, so ist es im ganzen Badener Land, so ist es in allen deutschen Landen und ist damit alle Aussicht vorhanden, dass der Kornblumentag am 14. Mai in der Geschichte nicht nur unserer engeren schönen badischen Heimat, sondern auch in unserem grossen lieben Deutschen Vaterland als besonders schöner und erhebender Tag wird eingezeichnet werden können. Wir hoffen und wünschen, dass für den schönen Zweck eine weitestgehende Unterstützung bedürftiger Veteranen künftig in die Wege leiten zu können, eine recht grosse Summe erzielt wird, und sind überzeugt, dass auch die Bewohner unseres Bezirks, unseres herrlichen Schwarzwaldes, mit Freuden hierzu ihr Scherflein beitragen werden.“

Kornblumen als Arznei
Die Kornblume ist übrigens Bestandteil von einigen Teemischungen. So enthält beispielsweise ein Tee gegen Gallenbeschwerden Fenchel, Kamillenblüten, Kornblumenblüten, Kümmel, Ringelblumenblüten, Süssholzwurzel und Wermutkraut.

Internet
www.edeka-nachhaltigkeit.de
http://de.wikipedia.org/wiki/Klatschmohn
http://de.wikipedia.org/wiki/Kornblume

 

Literatur
Wilde, Julius: „Die Pflanzennamen im Sprachschatz der Pfälzer“, Pfälzischer Volksbildungsverlag, Neustadt an der Haardt 1923.

 


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