Textatelier
BLOG vom: 20.07.2018

Warum ist 2018 das Rekordjahr für Zecken?

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D

 


Starker Zeckenbefall bei einer Eidechse (Foto: Guntram Deichsel)
 

In diesem Jahr lauern auf Wiesen und im Gebüsch besonders viele Blutsauger. Es sind Zecken, die gefährlich werden können, weil sie Krankheiten übertragen.

Viele von uns haben schon einmal einen Zeckenangriff überstanden. Wir Wanderer sind nicht gerade gut auf die Zecken zu sprechen. Wir suchen akribisch während einer Tour die Kleidung und zu Hause den nackten Körper akribisch nach diesen lästigen Krabbeltierchen ab. Hilfreich ist dabei eine Mosquito-Zeckenzange, die ich bei Wanderungen immer in meinem Rucksack habe.
Das Absuchen ist wichtig, da die Zecken nicht gleich zustechen. Sie sind wählerisch und suchen am Körper eine günstige Stelle aus. Wer eine Zecke entdeckt, sollte sie gleich entfernen. Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion sinkt dadurch. Auch sollte man die betroffene Stelle beobachten. Bildet sich eine Wanderröte, dann ist ein Arztbesuch angebracht. Eine Lyme-Borreliose ist nämlich im Anfangsstadium gut mit Antibiotika zu behandeln.
Wichtig nicht nur für Wanderer ist, dass wir lange Hosen tragen. Bevor wir über eine Wiese gehen, sollten man den Hosensaum in die Socken stopfen.

Borrelien und FSME-Virus
Die Zecken sind für die Übertragung der Lyme-Borreliose und der FSME verantwortlich. Laut dem deutschen Bundesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit erkranken etwa 60 000 bis 100 000 Deutsche pro Jahr an Lyme-Borreliose. Die von Viren ausgelöste Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) bekommen pro Jahr 500 Menschen. Die Folgen sind dramatisch. Die Hirnhautentzündung kann zu schweren neurologischen Schäden führen.

Natürlich trägt nicht jede Zecke die Borrelien und Viren in sich.
Einen hohen Schutz vor FSME bietet eine Impfung. Laut Zahlen des Robert-Koch-Instituts waren rund 97 % der 2017 gemeldeten FSME-Erkrankten nicht oder unzureichend geimpft.

Hilft Schwarzkümmelöl?
Als ich mit einer Bekannten am 14.07.2018 auf dem Marktplatz über Zecken ins Gespräch kam, teilte Sie mir das folgende Mittel mit:
„Schwarzkümmelöl müssen Sie einnehmen, das mögen die Zecken nicht. Habe es schon mit Erfolg ausprobiert.“ Was ist dran an dieser Empfehlung? In meinem Blog vom 30.08.2014 („Recherchen 15: Vertreibt Schwarzkümmelöl die Zecken?“) habe ich das Thema schon einmal zur Diskussion gestellt.
Hier ein Auszug: 
Im Rahmen des Wettbewerbs “Jugend forscht“ entdeckte der 18-Jährige Gymnasiast Alexander Betz aus Regensburg ein probates Mittel zur Zeckenabwehr. Die Entdeckung hat er einem Zufall zu verdanken. Sein Hund, der seit einiger Zeit Schwarzkümmelöl gegen seine Allergie ins Futter gemischt bekam, wurde nicht mehr von Zecken gebissen.

Er wollte es genau wissen, warum das so war. Er zog ein mit Schweiss präpariertes Handtuch über eine Wiese und fing 30 Zecken ein. Mittels eines Y-förmigen Versuchsgefässes brachte er die Zecken dazu, sich in diese Richtung zu bewegen. Im Gefäss befanden sich einige Präparate, die nicht mit Schwarzkümmelöl angereichert waren. „Sobald jedoch Blut oder Schweiss mit Schwarzkümmelöl versetzt waren, mieden die Zecken das Präparat“, sagte der jugendliche Forscher. Es halfen auch geringe Ölmengen. Anscheinend verursacht das Schwarzkümmelöl einen Geruch, den die Zecken gar nicht mögen.

Warum ein Rekordjahr für Zecken?
Der Münchner Mikrobiologe Gerhard Dobler gab in einem Interview der „Badischen Zeitung“ vom 13.07.2018 den Grund der Zeckeninvasion bekannt. „Ausschlaggebend ist der Sommer vor 2 Jahren. In Jahren, in denen es viele Bucheckern, Eicheln, Tannen- und Fichtenzapfen gibt, wachsen die Populationen von Wild- und Nagetieren an. Das führt dazu, dass Zeckenlarven mehr Nahrung finden, da die Zahl der potentiellen Wirte steigt. Also haben wir eine hohe Zeckenpopulation. Dazu kommt noch, wenn der nächste Sommer nicht zu heiss und nicht zu trocken, der Winter nicht zu kalt ist, dann haben wir im darauffolgenden Sommer eine hohe Zeckenpopulation.“
Die Durchseuchung mit dem FSME-Virus ist praktisch immer gleich. „Bei Nymphen beträgt sie etwa 0,5 bis 1 %, bei adulten Tieren 2 bis 4 %. Wir wissen, dass der Wert für ganz Mitteleuropa relativ konstant ist: Jede 50. Bis 100. Zecke trägt das Virus in sich.“

Eidechsen und die Lyme-Borreliose
Kürzlich sah ich ein Foto einer Eidechse, die stark mit Zecken befallen war. Die folgende Meldung liess mich aufhorchen: Die mit Lyme-Borreliose infizierten Zecken, die Eidechsenblut gesaugt hatten, waren dann frei von dem Borreliose-Erreger Borrelia burgdorferi. Ich kontaktierte dann den Fotografen, ein ehemaliger Biometriker in der medizinischen Forschung, Guntram Deichsel, aus Biberach a. d. Riss. Er teilte mir mit, dass der Grund, warum Eidechsen und Wiederkäuer Zecken von Borrelien reinigen noch nicht ganz aufgeklärt ist. Die Forschung läuft noch.
Die auf der Abbildung zu sehende Westliche Smaragdeidechse stammt vom Tuniberg bei Freiburg im Breisgau. Mindestens 7 Zecken befanden sich allein im Halsbereich an der rechten Vorderseite des Reptils.
In seinem jüngsten Artikel in der Zeitschrift „elaphe/Terraria“ zum Thema konnte ich dies lesen:
„Vor 10 Jahren wurde bei der aus dem Mittelmeergebiet eingewanderten und sich bei uns in einem Prozess der Ausbreitung befindlichen Borrelia lusitaniae ein anderer Zusammenhang mit Eidechsen entdeckt. Für diese Borrelienart sind Eidechsen Zwischenwirte – sie büssen hier also die Rolle des „Nützlings“ ein und werden stattdessen zum potenziellen „Schädling“, da diese Reptilien zur Verbreitung des Erregers beitragen, sobald sich Zecken an Eidechsen mit Borrelia lusitaniae infizieren und bei einem Wirtswechsel auf Menschen übertragen werden.“

Bieten Ziegen Schutz vor Zecken?
Als ich diese Schlagzeile in der „Badischen Zeitung“  las, konnte ich das zunächst nicht glauben. Der Borreliose-Forscher Franz-Reiner Matuschka brachte dies in einer Untersuchung heraus: Weideten Rinder, Schafe und Ziegen auf Wiesen, dann war das Risiko einer von Zecken übertragenen Infektion gering. Auf Brachgebieten war das Risiko 60 Mal höher. Matuschka: „Die Tiere sind natürliche Desinfektionsmittel. Infizierte Zecken verlieren beim Blutsaugen ihren Erreger und sind fortan für den Menschen nicht mehr gefährlich.“ Zurzeit wird noch untersucht, warum das so ist.
Es tut sich also was in der Zeckenforschung.

 

Quellen
Deichsel, Guntram: Zecken, Eidechsen und die Lyme-Borreliose“, Feldnotizen, elaphe/Terraria, 4/2018.
Füssler, Claudia: „Von einem Wirt zum anderen“ und Interview mit Gerhard Dobler, „Badische-Zeitung“, 13.07.2018.
Trinler, Sarah: „Rekordjahr für Zecken“,  „Der Sonntag“, 8.07.2018.

Hinweis auf einen Blog über Zecken
30.08.2014: Recherchen (15): Vertreibt Schwarzkümmelöl die Zecken? 

 


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