Textatelier
BLOG vom: 29.06.2005

Wachau-Urlaub (III): Mohr im Hemd, Besoffener Wachauer

Autor: Heinz Scholz, Schopfheim D

Die österreichische Küche, die besonders aus Böhmen und Ungarn inspiriert worden ist, hat viele ungewöhnliche, gehaltvolle und leckere Speisen zu bieten. Österreich ist ein Schlaraffenland für Schlemmer. 

Lillian Schacherl, die den „ADAC-Reiseführer Wien“ verfasst hat, definiert die typisch österreichische Küche so: „Sie ist ganz einfach. Man nehme einen grossen Topf und werfe Exzellentes aus allen Himmelsrichtungen hinein – Palatschinken aus Ungarn, Cotoletto aus Italien (heute besser bekannt als Wiener Schnitzel), herzhafte Knödel aus Böhmen. Fertig ist die Küche der Köstlichkeiten.“ Ganz so einfach ist es allerdings nicht, da die Gerichte doch ihre Zeit zur Zubereitung brauchen und auch ein gewisses Können verlangt wird. 

Unter den Vorspeisen kann der Gast Speckzwetschken (mit „k“ geschrieben), mariniertes Sulz, Rohschinken mit Kren (Meerrettich) oder Fischnockerln aussuchen. Wer Suppenliebhaber ist, kann sich eine Frittatensuppe (Flädlesuppe), Panadelsuppe (Rindssuppe mit geschnittenen Semmeln) oder eine Leberknödelsuppe einverleiben. Die Auswahl an Hauptspeisen ist riesengross. Auf den Speisekarten findet man Grammelknödel mit Sauerkraut (Grammeln sind Grieben), Tafelspitz, gebackene Schweinshaxerl, Wiener Schnitzel, Gulasch mit Semmelknödeln, Eierschwammerln (Pfifferlinge) mit Serviettenknödel, geröstete Blutwurst mit Bratkartoffeln, Szegediner Gulasch, Kartoffelgulasch, Eiernockerln, Fischgerichte und vieles mehr. 

In einem Lokal studierte ich die Speisekarte besonders intensiv und entdeckte die ungewöhnliche Zusammensetzung eines Gerichts. Da wurden Gulasch, Semmelknödel und ein Spiegelei angeboten. Das Spiegelei erachteten wir als unpassend. In vielen von Touristen stark frequentierten Lokalen werden „europäisierte“ Speisen angeboten. Ein Einheimischer kommentierte das so: „Es gibt halt viele Reisende, die ihren Urlaub nach dem Spruch ‚Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht’ verbringen.“ Wir machten um diese Lokale immer einen grossen Bogen und suchten solche auf, die landestypische Spezialitäten anboten. 

In Österreich „knödelt“ es; hier kommen Knödelliebhaber tatsächlich voll auf ihre Kosten. So gibt es Semmelknödel, Topfenknödel (Quarkknödel), Obstknödel. Zwetschkenknödel, Serviettenknödel, Grammelknödel, Germknödel und Marillenknödel. Marillen sind nichts anderes als Aprikosen. Die „Wachauer Marille“ ist übriges eine von der EU anerkannte Schutzmarke. Es gibt nicht nur Marillenknödel, sondern auch Marillenschnaps, Marillenlikör, Marillenmarmelade, Marillenröster (eine Art Kompott) und Marillenseife. In Spitz ist übrigens eine Marillenknödelmaschine zu bewundern. 

Die Bezeichnung Marillen soll sich vom Lateinischen „armeniaca“ (aus Armenien stammend) ableiten. Im Arzneibuch von Meister Ortluf vom Baierland (1390–1439) wurden die Früchte als „Amarellen“ bezeichnet. 1509 wurden diese erstmals in einem Brief als „Maryln“ erwähnt. 

Die Welt der Wachauer Nachspeisen

Nach dieser Abschweifung noch einige Bemerkungen zu den leckeren Nachspeisen: So konnten wir unter Marillenknödel mit Butterbrösel und Marillenröster, Powidldatschgerln (Powidel ist Pflaumenmus), Zwetschkenknödel mit Mohn und Zwetschkenröster, Mohnnudeln, Mohntorte, Wachauer Schokoladentorte (eine Art Sachertorte), Kaiserschmarrn, Apfel- und Topfenstrudel wählen. Als Nachspeisenfan ging mir der Magen auf. Ich genoss in der kurzen Zeit unseres Aufenthaltes in der Wachau fast alle angebotenen Nachspeisen. 

Meine Frau Paula hatte anderes im Sinn. Sie fühlte sich zu einem „Besoffenen Wachauer“ hingezogen. Keine Angst, es war kein weinseliger Naturbursche aus der Wachau, der sich an Urlauberinnen heranmachte, sondern ein köstlich schmeckender warmer Nusskuchen mit würzigem Wein und Schlagobers (Schlagobers ist steif geschlagener Rahm bzw. Sahne). Gegen dieses „Fremdgehen“ hatte ich keine Einwände. Dafür hätte ich mich mit einem „Mohr im Hemd“ trösten können. Diese Nachspeise war mir völlig unbekannt. Eine Melker Kellnerin klärte mich auf: „Mohr im Hemd ist ein kleiner Gugelhupf mit Schlagobers drum herum.“ 

In Dürrnstein entdeckte ich in einem Geschäft „Honignüsse“ von der Imkerei Gerhard Loidl (A-3552 Drosseramt 6). Dabei handelt es sich um eine harmonische Kreation aus frischen Walnüssen (Baumnüssen) und dickem, duftigem Honig. Laut Prospekt sind diese Nüsse begehrt zu Tee, Kaffee, Mehlspeisen, und sie können mit Joghurt, Müesli, Eis und zu Käse genossen werden. Sie werden für ihre beruhigende, entgiftende Wirkung geschätzt und stellen eine gesunde Nascherei dar.

In der Wachau kommen hervorragende Weine auf den Tisch, so der „Grüne Veltliner“, „Federspiel“ (Begriff aus der Falknerei), „Steinfelder“ (leichter Weisswein), „Smaragd“ (nach der Smaragdeidechse benannt, er ist der gehaltvollste Wein) und einige Rotweine („Geyerhof Rotwein“, „Blauer Zweigelt“). 

„Verlängerter“ oder „Brauner“

Es wäre sehr simpel in Österreich einfach nur Kaffee zu bestellen. So gibt es viele Variationen des Getränks. Der Gast kann unter einem kleinen oder grossen „Braunen“ (Kaffee mit wenig Milch erhellt), eine „Melange“ (mit aufgeschäumter Milch) und einen „Verlängerten“ (mit Wasser gestreckt) wählen. Es gibt auch einen „Einspänner“. Dies ist ein Kaffee mit einer Schlagobershaube; er wird in einem Glas serviert. In Wien ist auch ein „Fiaker“ zu haben. Beim „Fiaker“ kommt ein Schuss Rum in den Kaffee. Das Besondere: Zu jedem Kaffee wird ein Glas Wasser gereicht, was sinnvoll ist, da Kaffee wassertreibend wirkt. 

Rita Theresia Weiss, unsere charmante und amüsante Führerin durch Wien, schreibt in ihrem kleinen Kochbuch „Wiener Küche“ darüber Folgendes: „Falls Sie den Kaffee süss bevorzugen, löscht das Wasser den Durst. Sollte Ihnen der Kaffee zu stark oder zu heiss sein, schütten Sie ein wenig kaltes Wasser in Ihre Tasse, schon ist er richtig. Natürlich kann man sich auch die Finger darin waschen, Briefmarken eintauchen oder es einem Gegenüber ins Gesicht schütten, alles ist möglich. Trinken aber ist das einfachste und fällt am wenigsten unangenehm auf.“ 

Marillenknödel (Rezept von Rita Theresia Weiss)

Zutaten: 250 g Topfen (Quark), 50 g Butter, 1 Ei, Salz, Mehl nach Bedarf, Obst nach Jahreszeit. Butter und Brösel zum Wälzen.

Zubereitung: Zutaten gut abrühren und mit soviel Mehl vermengen, dass ein geschmeidiger, nicht klebriger Teig entsteht. Eine Rolle formen, in Stücke schneiden und mit mehligen Fingern auseinander drücken. Marillen (oder anderes Obst) in die Mitte legen, vollständig einwickeln und in leicht kochendem Salzwasser etwa 5 Minuten langsam kochen. In gerösteten Bröseln wälzen, mit Zucker bestreuen und servieren.

Variationen und Tipps: Man kann auch die Zutaten mit etwas Griess vermengen. Den Teig vor dem Ausrollen 45 Minuten lang im Kühlschrank lagern. 

Mandelbrösel (Rezept von Radio NÖ-Köchin Andrea Karrer)

Butter in einer Pfanne aufschäumen, Vanillezucker, Kristallzucker und Honig beigeben, alles kurz durchrühren, Bröseln und Mandeln untermengen und unter Rühren knusprig rösten. Knödel in diesen Bröseln wenden und bezuckern. 

Da kann man zum Ende dieser dreiteiligen Wachau-Serie nur guten Appetit wünschen! Hoffentlich hat auch alles geschmeckt, was sie über die Wachau gelesen haben!

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