Ich bin stolze Besitzerin eines alten Schrankes aus Kirschenholz, dessen Boden vom Holzwurm befallen ist. Mit "Chemie" möchte ich auch nicht gleich dahinter. Was ist zu tun?
E.H., CH-5023 Biberstein
Antwort: Das Holzwurmproblem ist seit altersher bekannt und hat auch schon literarische Dimensionen angenommen:
"Es war eine Schnupftabakdose, die hatte Friedrich der Grosse,
sich selbst geschnitzt aus Nussbaumholz und drauf war sie
natürlich stolz.
Da kam ein Holzwurm gekrochen. Der hatte Nussbaum gerochen.
Die Dose erzählte ihm lang und breit von Friedrich dem Grossen und seiner Zeit.
Sie nannte den alten Fritz generös, da aber wurde der Holzwurm nervös.
Und sagte, indem er zu bohren begann: "Was geht mich Friedrich der Grosse an?"
Man sieht: Holzwürmer kennen keinen Respekt, weder vor historischen Grössen noch vor antiken Möbeln. Dieser Gewöhnliche Nagekäfer (Anobium puctatum) verwandelt auf seinen Exkursionen zu Mehl, was ihm im Wege ist und ihm schmeckt. Er hinterlässt Gänge im Durchmesser von rund 2 mm und viele Menschen mögen das merwürdigerweise nicht...
Zweifellos ist der Holzwurm ein Bestandteil des ökologischen Gefüges, das sich immer umwandelt, neues Leben hervorbringt und, was gewachsen ist, als Treibstoff für diesen ständigen Kreislauf benötigt. Diesem ewigen Prozess steht des Menschen Wunsch nach Erhaltung seiner Gebäude, seiner alten, historisch wertvollen Möbel entgegen, welche ihren Ausdruck in der Konservierungstechnik gefunden hat. Daraus entsteht eine eigentliche Kriegssituation: Holzwurm und Mensch stehen sich feindlich gegenüber. Für solche Zwecke hat sich der Mensch ein chemisches Waffenarsenal zugelegt, das er mit grosser Lust einsetzt, auch um hier einen gewissen Umsatz zu gewährleisten, selbst wenn er selber darunter leidet. Denn C-Kampfstoffe machen keinen Unterschied zwischen Freund und Feind [1].
Es empfiehlt sich im ureigensten Interesse tatsächlich nicht, nur wegen ein paar Holzwürmern im eigenen Lebensraum Chemikalien (Insektizide) freizusetzen, mit denen man am Ende selber zusammenleben muss. Oft wird der C-Kampf sogar bloss gegen einige historische Holzwurm-Bohrgänge und damit vollkommen sinnlos geführt, weil vergessen worden ist nachzusehen, ob die Nagekäfer überhaupt noch aktiv bohren oder ohnehin verschwunden sind; in sehr trockenen Räumen und Hölzern gefällt es ihnen ohnehin nicht. Wo die Luftfeuchtigkeit weniger als 50% beträgt, gibt es kaum einen Holzwurmbefall. Feuchtes Holz und Splintholz [2] aber sind vom Holzwurm sehr begehrt.
Nur wenn frische Holzmehlhäufchen anzutreffen sind, rechtfertigt sich ein angemessener Kampfeinsatz. Die sympathischste Behandlungsart, wenn auch nicht aus der Sicht der Holzwürmer, ist das Heissluftverfahren, wobei die Hölzer von Spezialunternehmen bis in den Kern hinein auf 55 bis 60°C erwärmt werden. Solche Temperaturen zersetzen das Eiweiss und töten alle Kleininsekten in allen Entwicklungsstadien; auch der gefürchtete Hausbock erträgt das nicht. Das Verfahren hat den Vorteil, dass es das Holz besser austrocknet, so dass es für Holzwürmer unattraktiv wird. Aber manchmal ist es schwierig, unzugängliche Holzteile genügend erwärmen zu können.
Es gibt auch vertretbare vorbeugende Behandlungen, die oft bei Balken mit tragender Funktion angewandt werden: Imprägnierung mit Borsalzen.
Man sieht: Holzwürmer haben ein schweres Leben. Aber sie finden immer wieder eine Möglichkeit, um ihre naturgegebene Aufgabe zuverlässig erfüllen zu können...
Walter Hess
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[1] Wir erinnern in diesem Zusammenhang ans Golfkriegssyndrom, das nach 1991 aufgetaucht ist und an dem über 100'000 US-Soldaten heute noch leiden und Mühe haben, von ihrem eigenen Staat einigermassen ernst genommen anständig behandelt zu werden, falls sie nicht gestorben sind. Ob es auf radioaktiv verseuchte US-Munition (Depleted Uranium = erschöpftes Uran, die von Nato-Truppen auch in Jugoslawien verschossen wurde), den Impf-Cocktail, den die Soldaten zu ertragen hatten, eine zum Schutz vor biologischen und chemischen Waffen verabreichte Droge ("Pyriostigmine Bromide", kurz: PB) oder andere Ursachen zurückzuführen ist, wurde nicht genau ermittelt bzw. nicht kommuniziert, um die Kriegsbegeisterung in der amerikanischen Bevökerung nicht zu schmälern.
[2] Das Splintholz ist das Weichholz, beim aufgeschnittenen Holz die hellere Zone aus den jüngsten und noch von Leben erfüllten Jahringen (im Gegensatz zum dunkler gefärbten Kernholz).
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