Beim Verzehr einer Schwarzwäldertorte aus einem Schweizer Grossverteiler ist mir aufgefallen, dass mehr Zucker als Weizenmehl drinnen ist, falls die Reihenfolge der Zusatzstoffe-Angaben stimmt. Kann man der angegebenen Reihenfolge trauen?
Anita Hess, CH-5024 Küttigen AG
Antwort: Es ist im EU-Raum und auch in der Schweiz üblich und zwingend, auf Lebensmittelverpackungen die Zutaten in der absteigenden Reihenfolge des Gewichtanteils anzugeben, das heisst, dass die Zutat, die mit der gewichtsmässig grössten Menge vertreten ist, an erster Stelle steht. Wird also Zucker vor Weizenmehl erwähnt, dann ist der Gewichtsanteil des Zuckers tatsächlich höher als jener des Weizenmehls.
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass weiter hinten noch andere Süssstoffe (bzw. so genannte Zuckeraustauschstoffe) erwähnt sein können: Sorbit, Mannit, Xylit, Maltit, lsomalt und Lactit, welche auch Polyole genannt werden und chemisch den Alkoholen zuzuordnen sind. In Industriebackwaren ist oft auch Glukosesirup anzutreffen, weil dieser wie viele Zuckeraustauschstoffe aus Maisstärke billiger als Rübenzucker zu produzieren ist und für den entsprechenden Verwendungszweck relativ einfach modifiziert werden kann. Sorbit dient auch als Feuchthaltemittel. Solche Süssstoffe wirken penetrant und oft geradezu unangenehm klebrig süss und zwingen einen, seine Kuchen aus einfachen Zutaten wieder selber zu backen und sich bereits schon am angenehmen Duft, der das Haus durchströmt, zu freuen.
Die Grundlagen für Lebensmitteldeklarationen ist die EU-Etikettierungsrichtlinie, die für fast alle Fertigprodukte gilt. Die Schweiz unterwirft sich im Interesse der Aussenhandelsbeziehungen den internationalen Empfehlungen (Lebensmittelgesetz, Artikel 38), was in der Praxis eine Anpassung an die EU-Standards bedeutet.
Seit dem 14. Februar 2000 ist eine verschärfte EU-Richtlinie gültig. Sie bestimmt, dass seither auf der Packung auch noch die tatsächlichen Prozentgehalte stehen müssen. Im Hinblick darauf wurde die schweizerische Verordnung über die in Lebensmitteln zulässigen Zusatzstoffe (Zusatzstoffverordnung, ZuV) entsprechend geändert, wobei wieder Gifte zugelassen wurden, die bereits aus dem Verkehr gezogen waren, so etwa die synthetischen allergisierenden Azofarbstoffe wie Tartrazin (E 102, Buttergelb) und Erythrosin (E 127), die sogar Milchprodukten beigefügt werden dürfen. Es ist skandalös, dass den Konsumenten solche Gifte zugemutet werden.
Massgebend für die Prozentangaben ist die QUID-Richtlinie (= Quantitative Inhalts-Deklaration). Sie ist allerdings schwammig formuliert und schwer in die Praxis umzusetzen. So muss eine Zutat quantitativ benannt werden, wenn sie für die spezielle Ware "kaufentscheidend" ist, ein dehnbarer Begriff, der mit den speziellen Vorlieben und Abneigungen des Konsumenten zusammenhängen kann. Ferner schreibt die Richtlinie vor, dass kleine Zutatenmengen, die in der Regel an einem Produkt bis zu 5% Anteil beteiligt sein können, mengenmässig nicht deklariert werden müssen. Probleme bestehen auch noch bei allen gefüllten Lebensmitteln, das heisst solchen, die eine zusammengesetzte Zutat enthalten, wie etwa die erwähnte Schwarzwäldertorte: Dekorstreusel, die wieder ein Mischmasch aus verschiedenen Zutaten sind und korrekterweise separat deklariert sind.
Es drängt sich auf, die Zutatenlisten genau zu studieren, wenn man schon Industriekost kauft. Wo nur das Minimum an Deklarationsbereitschaft festzustellen ist, rechtfertigt sich eine besondere Dosis Skepsis.
W.H.
PS: in diesem Zusammenhang sei auch auf die Beschreibung zu unserem Dienstleistungs-Angebot Beipackzettel hingewiesen.
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