In einem Gasthaus im Baselbiet habe ich auf einem Betriebsausflug eine stark gesalzene, schwach gebratene, leicht rosafarbene und wirklich zarte Pouletbrust gegessen. Ich hatte das Gefühl, das Fleisch sei auch inwendig mit reichlich Salz durchsetzt. Auf der Heimfahrt hatte ich Kopfschmerzen, was auch vom Weinkonsum und einer beginnenden Föhnlage herrühren mochte. Viele Wirte salzen stark, da der Getränkekonsum angekurbelt wird. Was halten Sie davon?
E.H., CH-8805 Richterswil
Antwort: Eine Bemerkung in ihrer Frage macht stutzig: Sie schreiben, das Fleisch sei auch inwendig versalzen gewesen. Normalerweise salzt man im letzten Moment, damit der Saft im Fleisch bleibt. Das Salz kann bei diesem üblichen Vorgehen kaum tief ins Fleisch eindringen; es bleibt praktisch an der Oberfläche. Vermutlich hat sich das fragliche Pouletfleisch längere Zeit in einer Salzlake aufgehalten oder es ist anderweitig mit Salz gedopt gewesen und vielleicht ist sogar noch Pökelsalz verwendet worden, worauf die schwache Rosa-Färbung hindeuten könnte. Selbstverständlich ist das eine Vermutung, die nur durch eine chemische Analyse erhärtet oder widerlegt werden könnte.
Natriumnitrit (E 250) ist ein vielseitig verwendbarer und verwendeter Pökelstoff, den man gewöhnlich für Würste und rotes Fleisch verwendet. Dieses Pökelsalz besteht in der Regel aus Kochsalz, dem 0,4 bis 0,5 Natriumnitrit beigemischt ist. Es bewirkt, dass die Wurstwaren die Rotfärbung behalten und das als angenehm empfundene Pökelaroma entfalten. Es gibt verschiedene Pökelverfahren: Beim Trockenpökeln wird das Fleisch mit dem Salz eingerieben, beim Nasspökeln mit einer 10- bis 22-prozentigen Pökellake übergossen, und beim Schnellpökeln wird die Lake ins Fleisch eingespritzt.
Das Problematische am Gepökelten ist neben dem hohen Salzgehalt der Natrium- oder Kaliumnitrit-Zusatz. Denn Nitrate behindern den Sauerstofftransport im Blut, und zusammen mit den normalerweise im Körper vorkommenden Aminen (Eiweissabbau-Produkten) bilden sich im sauren Magenmilieu Nitrosamine, die als krebserregend und leberschädigend gelten. Auch Kreislaufbeschwerden und Kopfschmerzen können auftreten. Da die Umwandlung zu Nitrosaminen von hohen Temperaturen begünstigt wird, sollte gepökeltes Fleisch nicht gegrillt werden.
Das Pökeln ist im Wesentlichen eine Konservierungsmethode. Es kann beispielsweise die Entstehung des Bakteriums Clostridium botulinum, das für den tödlichen Botulismus verantwortlich ist, verhindern.
Ich habe noch nie gehört, dass Pouletfleisch (Hähnchenfleisch) gepökelt wird im Gegensatz zu Fisch. Aber eben: Das Pökeln muss sich nicht unbedingt auf rotes Fleisch beschränken. Wenn man an die enormen Distanzen denkt, die Pouletteile zurücklegen müssen (z.B. ChinaSchweiz) und von den Lieferanten damit gerechnet werden muss, dass die Kühlkette unterwegs vielleicht einmal unterbrochen wird, muss zur Sicherheit schon für zusätzliche Konservierungsmassnahmen gesorgt werden. So stelle ich es mir jedenfalls vor.
Ein billiges Konservierungsmittel ist bereits schon das gewöhnliche Kochsalz (Natriumchlorid, NaCl): Salz bindet Wasser und verhindert das Wachstum von Bakterien. Deshalb ist anzunehmen, dass mit dem weltweiten Verfrachten von Fleisch im Rahmen der Globalisierung unser Fleisch immer versalzener wird... Der Mensch braucht pro Tag etwa 3 bis 6 Gramm Salz, erhält aber meistens einiges über den Grundbedarf hinaus, da Salz vielerorts versteckt ist und auch als Geschmacksverstärker dient.
Wahrscheinlich empfiehlt es sich zunehmend, sich bei der Bestellung in zweifelhaften Gaststätten nach der Herkunft des Fleisches (und anderer Nahrungsmittel) zu erkundigen und nur schwach gesalzenes Fleisch zu verlangen; man kann dann immer noch etwas mit dem Salzstreuer nachhelfen. Angesichts solcher Kunden sieht sich der Koch gezwungen, ungesalzenes und vielleicht sogar in der Region gewachsenes Frischfleisch zu verwenden.
wh.
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