Die Zeit ist wieder einmal reif, schöne reife Früchte in Konfitüre oder Fruchtsäfte zu verwandeln; denn die frischen Früchte enthalten ja sehr gesunde Vitamine. Nun meine Frage: Was bleibt an körperwirksamen Vitaminen nach dem Kochprozess übrig? Die Früchte werden ja zum Kochen gebracht und meistens wird auch noch viel Zucker beigefügt. Es interessiert mich, was an gesunden Vitaminen mit Konfitüre in unseren Körper gelangt.
A. L., CH-8645 Jona
Antwort: Ihrer Frage nach der Hitzebeständigkeit der Vitamine kommt grosse Bedeutung zu; denn es nützt ja nichts, wenn in rohen Speisen grosse Vitaminmengen enthalten sind, die dann beim Kochen zerstört werden. Hier eine Tabelle aus dem vergriffenen Büchlein "Die Funktionen der Vitamine" von Jürg Bär, Apollonia-Verlag, Basel, 1961:
Hitzeunbeständige Vitamine
Vitamin B1 | unbeständig bei 100°C in alkalischer Lösung |
Pantothensäure | unbeständig bei 120°C |
Vitamin B12 | unbeständig bei 100°C in Lösung |
Cholin | (keine weitere Angabe) |
A-Vitamine | unbeständig bei etwa 100°C und Luftsauerstoff |
A-Provitamine | keine weitere Angabe |
Vitamin C | unbeständig in Gegenwart von Sauerstoff und anderen Oxidationsmitteln |
D-Vitamine | (keine weitere Angabe) |
K-Vitamine | (keine weitere Angabe) |
Hitzebeständige Vitamine
Vitamin B2 | unbeständig in alkalischer Lösung bei sichtbarem und ultraviolettem Licht |
Vitamin-B2-Komplex ausser Cholin | (keine weitere Angabe) |
E-Vitamine | (keine weitere Angabe) |
P-Vitamine | (keine weitere Angabe) |
Dieser Tabelle ist zu entnehmen, dass beim Kochen vor allem auf die Vitamine B1 und B12 sowie das Vitamin C Rücksicht genommen werden muss.
Das Vitamin B1 ist ein Regulator des Kohlenhydratstoffwechsels und überträgt periphere Nervenimpulse, dessen Mangel sich in vielen Zivilisationskrankheiten äussert. Es findet sich z.B. in Hefe, Weizenkeimlingen, Schweinefleisch und Nüssen.
Das Vitamin B12 dient als Reifungsfaktor der roten Blutkörperchen und kommt nur in tierischen Nahrungsmitteln vor, also in Milch(-produkten), Eiern und Fleisch, am meisten in Leber. Diese Nahrungsmittel sollten also nicht auf 100°C erhitzt werden; bei Milch geht die Pasteurisierung noch an; Leber (aus Bioproduktion) sollte nur oberflächlich gebraten werden.
Auch bei Vitamin-A-haltigen Lebensmitteln (Eidotter, Milch, Rüebli bzw. Karotten, Tomaten usw.) sind schonende Zubereitungsarten oder immer besser Rohkost vorteilhaft.
Mit zunehmender Hitze nimmt die Stabilität von organischen Verbindungen im Allgemeinen ab - oder andersherum: Höhere Temperaturen fördern chemische Umwandlungen. Zusätzliche Einflussfaktoren sind dabei u.a. Sauerstoff und andere Oxidationsmittel, Säuren und Basen und Lichtstrahlungen. Wer also einen Apfel ab Baum isst, hat die darin enthaltenen Vitamine komplett; in gekochtem Apfelmus muss man mit Verlusten rechnen, auch wenn dieses zur Apfelkonservierung noch immer empfehlenswert ist. Wer ein rohes Rüebli verzehrt, fährt besser als der Geniesser einer Aargauer Rüeblitorte, die aber bei festlichen Anlässen auch ihre angenehmen Seiten entfaltet.
Ihre Frage bezieht sich auf den Umgang mit frischen Früchten und damit insbesondere auf die Stabilität von Vitamin C. Dieses ist zwar "ziemlich stabil", was auch "relativ instabil"bedeutet. Es ist hitze- und oxidationsempfindlich, so dass eine Konfitüre oder ein sterilisierter Fruchtsaft nie mehr den gesamten, ehemals in frischen Früchten enthaltenen Vitamin-C-Gehalt aufweisen können. Die Oxidation ist ein häufiger chemischer Prozess, bei dem es um die Reaktion einer Substanz mit Sauerstoff geht, und Sauerstoff ist sozusagen immer dabei. Doch die Fruchtsäuren wirken etwas stabilisierend (im neutralen und besonders alkalischen Bereich leidet das Vitamin C sehr). Die Vitamin-C-Verluste schwanken beim Kochen zwischen 0 und 100%, je nach Umständen.
Nun fallen die Früchte ja schubweise vor allem im Sommer und Herbst an, so dass es nicht ohne denaturierende Konservierungsmethoden abgeht. Auch bei einer Lagerung im Keller kommt es zu Vitalstoffverlusten. Und die Früchte sollten ja unbedingt verwertet werden; zudem enthalten sie auch andere (darunter stabile) Vitamine und zahlreiche Mineralstoffe und Spurenelemente. Und so ist es eben die zweitbeste Lösung, in irgendeiner möglichst schonenden Form konservierte Früchte zu geniessen, z.B. als eine wohlschmeckende, nicht überzuckerte Konfitüre oder gedörrte Apfelschnitze.
Grundsätzlich ist es nicht jedermanns Sache, Rohköstler zu werden. Doch wer kocht, sollte wissen, was beim Kochprozess abläuft, und gegebenenfalls eine schonende Methode wählen. Manchmal führt das schonende Garen sogar zu geschmacklich besseren Resultaten.
wh.
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