Seit einigen Jahren leben wir in Othmarsingen AG (Schweiz) an einem lauschigen Plätzchen. Wir geniessen die Sicht aufs Schloss Lenzburg und auf das Nachbarhaus, die alte Mühle. Unser Garten liegt an einem Hang und ist von einer Trockenmauer umgeben. Viele Eidechsen, Blindschleichen und andere Tiere leben in und manchmal auf dieser Mauer. Gerne möchten wir sie wieder frisch aufbauen, da sie am Zerfallen ist. Leider können wir uns keinen Gärtner leisten, der uns diese Mauer neu macht. Wir würden gern selber Hand anlegen, aber uns fehlen das Wissen und Können dafür. Gibt es Möglichkeiten, einen Kurs zu besuchen, oder können Sie uns andere weiterführende Adressen nennen?
A. und S. Biswas, CH-5504 Othmarsingen
Antwort: Seit Anfang der 90er-Jahre führt das aargauische Baudepartement Kurse im Naturschutz durch, wozu gelegentlich auch der praxisnahe Trockenmauerbau (inkl. Tips für die Beschaffung von geeignetem, plattigem Baumaterial) gehören. Seit 2001 hat das Naturkundemuseum naturama aargau in Aarau diese Aufgabe übernommen. Die Teilnahme an den Kursen ist kostenlos. Zuständig ist Martin Bolliger (Tel. +41 62 832 72 86). Sie können sich auch an Thomas Gebert bei der Sektion Wasserbau bei der Abteilung Landschaft und Gewässer des aargauischen Baudepartementes wenden (Adresse: Entfelderstrasse 22, CH-5001 Aarau (Tel. +41 62 835 34 50).
Eine Informationsquelle ist ferner der Verein für naturnahe Garten- und Landschaftsgestaltung VNG, Höhenstrasse 19, 9320 Arbon (Tel./Fax +41 71 440 12 24), der sich für mehr Naturnähe in der Garten- und Landschaftsgestaltung einsetzt, auch um den Menschen ein erlebnisreicheres Umfeld zu verschaffen (www.vng.ch ). Ferner ist auf die Stiftung Umwelt-Einsatz Schweiz (www.umwelteinsatz.ch ) hinzuweisen, die sich mit Rat und Tat für die Erhaltung dieser Mauern einsetzt (Geschäftsstelle in 3612 Steffisburg (Tel. +41 33 819 86 50 und +41 79 2044 862). Sie hat 1996 auch ein Buch herausgegeben: "Trockenmauern: Anleitung für den Bau und die Reparatur", das bereits in der 6. Auflage vorliegt (34 CHF). Ein Trockenmauer-Fachmann ist ferner Martin Mosimann, Wyder Gartenbau AG, CH-5036 Oberentfelden AG (+41 62 724 84 80). Und einige gute Anregungen finden Sie u.a. auf der Homepage www.biotopa.ch .Man sieht: Das Wissen zum Trockenmauerbau ist noch vorhanden.
Trockenmauern sind traditionelle Elemente der Kulturlandschaften, nicht nur im Wallis und in anderen Weinbaugebieten, sondern auch im Aargau, dem der Jura viele Hanglagen beschert hat. Weil früher kein Mörtel zur Verfügung stand, musste man die Mauern durch ein intelligentes Verschachteln der Steine festigen; stabilisierend wirken die sogenannten Binder, flache, längliche Steine, die über die grössten Mauertiefen möglichst hinausgehen sollen.
Als Werke überlieferter Baukunst bereichern die faszinierenden Trockenmauern die Landschaft und sind dank ihrer Hohlräume (Nischen) als verhältnismässig sichere Unterschlupfstellen und wegen ihres Wärmespeichervermögens wichtige Lebensräume, die nach der Fertigstellung der Mauer bald benützt werden. Sonnige Mauerteile werden gern von wärmeliebenden Reptilien bewohnt, wie Sie das selber festgestellt haben. Auch kleine Säugetiere, Vögel, Käfer und Insekten sowie wirbellose Arten fühlen sich in den Hohlraum-Labyrinthen wohl. Die pflanzliche Eroberung des mineralischen Mauerbaumaterials erfolgt, sobald sich Staub, Pflanzenteile, Kot und Samen an der Oberfläche und in den Spalten ablagern. Unter günstigen Bedingungen (bei sauberer Luft) überziehen auch Flechten die wild strukturierte Maueroberfläche und sorgen für schöne Zeichnungen in Pastelltönen; auch Moose wirken belebend. Mit der Zeit wachsen sogar Sträucher und stattliche Bäume aus der Mauer, ein ununterbrochener Lebensprozess. Billiger und weniger schön, aber ökologisch durchaus wertvoll sind auch Drahtgitterkörbe. In Betonmauern werden oft Löcher gebohrt (wie das beim Emmentaler Käse geschieht...), damit darin Tiere und Pflanzen einen Lebensraum finden.
Ein hervorragendes Beispiel der Trockenmauer-Baukunst ist an der Staffeleggstrasse oberhalb von Küttigen AG zu sehen, eine lange, beschwingte Mauer, den Geländeformen angepasst. Sie wurde unter der Leitung von Markus Gruber, Benkenstrasse 63, 5024 Küttigen (Tel. 062 827 00 86) teilweise als Arbeitslosenprojekt erstellt. Auch im eigenen Garten machen sich Trockenmauern gut; sie sind immer auch eine ästhetische Bereicherung. Sie machen leichte Bodenbewegungen mit ohne einzustürzen. Es gibt nur wenige menschliche Eingriffe in die Natur, die sich ökologisch so positiv auswirken.
Walter Hess
Trockenmauern sind Heimat Trockenmauern sind ein Stück Heimat, auch für sonnenhungrige Mauereidechsen, Mäuse, Reptilien, Insekten wie Wildbienen und Laufkäfer und Pflanzen (Mauerraute, Mauerpfeffer, Streifenfarn, Zimbelkraut usw.) Hohlräume erfreuen sich in der freien Natur einer grossen Nachfrage. Diese traditionellen Elemente der Kulturlandschaft dienen der Hangbefestigung, ergeben sich aus der Terrassierung und grenzen oft Mäh- von den Weidewiesen ab. Sie fügen sich ins Landschaftsbild ein, sind ein erbauender Anblick. Es gab somit genügend Gründe, um diese Meisterwerke mit dem Heimatschutzpreis 2002 zu beehren: Die Ehre und die 10'000 Fr. gehen an eine Organisation zum Schutz der Trockenmauern in der Juralandschaft, an die Association pour la Sauvegarde des Murs de Pierres Seches (ASMPS). Ausgezeichnete Heimatschutz-Objekte sind eine Einladung für Nachahmer. h. |
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