Da ich mich schon etwas mit Homöopathie befasst habe und auch mehrmals mit solchen Mitteln (nicht mit Schüssler-Salzen) sowohl in niedrigen als auch in hohen Potenzen wegen akuter, hauptsächlich aber chronischer Leiden (Postpolio-Syndrom, gegenwärtig bei einem Arzt, der anthroposophische Homöopathie anwendet) behandelt wurde, war ich einigermassen erstaunt, als ich kürzlich von einem Naturheilpraktiker aufgrund seiner durch Pendeln erworbenen Erkenntnisse meines Befindens folgende Schüssler-Salze zur Langzeit-Einnahme erhielt: Zincum chloratum (Potenz nicht angegeben) 9 Tabletten pro Tag während 3 Monaten, und Magnesium phosphoricum D6 8 Tabletten pro Tag während 8 Monaten. Soweit mir aufgrund meiner bescheidenen Kenntnisse in der Homöopathie bekannt ist, kann eine Langzeit-Einnahme niedrig potenzierter Mittel ohne Beachtung der Wirkung sogar kontraproduktiv wirken.
L.F., CH-4410 Liestal
Antwort: Die Zeitdauer der Einnahme ist sehr unterschiedlich und abhängig von Potenz und Akutheitsgrad der Erkrankung.
Grundsätzlich ist es so, dass in der Selbstmedikation, also der Eigenbehandlung zu Hause, akute Erkrankungen behandelt werden (z.B. Schnupfen, Insektenstich, Blasenentzündung). Dafür werden vor allem tiefe und mittlere Potenzen bis C/D 30 eingesetzt, da es sich vorwiegend um körperliche Symptome handelt. In der Akutbehandlung wird deshalb ein Mittel häufig (= viertel- bis halbstündlich) je 5 bis 10 Globuli gegeben. Das Mittel wiederholt man so oft, bis eine Verbesserung der Symptomatik auftritt; dann wird das Mittel abgesetzt. In akuten Fällen kann man davon ausgehen, dass ein homöopathisches Mittel innert zirka einem halben Tag wirkt. Ist dies auch nach 24 Stunden nicht der Fall, wurde das falsche Mittel gewählt. Man wählt ein anderes Mittel aufgrund der vorhandenen Symptomatik.
Bei chronischen Fällen verhält es sich etwas anders. Erfahrungsgemäss kommt man da mit Selbstmedikation nicht sehr weit. Oft sind es bereits langjährige Leiden, die sich quasi im Körper eingegraben haben, also tief sitzen. Da ist oft eine Behandlung durch einen Homöopathen mit Hochpotenzen (C/D 200, 1000 oder noch höher) nötig. Diese Hochpotenzen werden einmal verabreicht; dann wird abgewartet, je nach Potenz 3 bis 6 Wochen, 2 bis 3 Monate, ein halbes Jahr oder gar länger. Es kommt dabei aber individuell auf den Patienten an. Die Individualität ist ohnehin ein sehr wichtiges Stichwort in der Homöopathie.
Bis heute finde ich es als gelernte Drogistin mehr als schwierig, die Homöopathie und die biochemischen Mineralsalze nach Dr. Schüssler auf einen Nenner zu bringen. Einerseits sind es 2 grundverschiedene Philosophien, anderseits aber gibt es die identische Herstellung! Oft wird in der Literatur auch die Funktionsweise anders dargestellt. Kann also der Körper entscheiden, ob er bei den Schüssler-Salzen eine biochemische oder eine homöopathische Wirkung möchte? Oder wird das durch unsere Einstellung im Kopf gesteuert? Wie soll das aufgehen?
Ich habe mich diesbezüglich mit vielen Homöopathen unterhalten und dabei Erstaunliches festgestellt: Es gibt Homöopathen, die lehnen die Schüssler-Salze grundlegend ab; es gibt weiter Homöopathen, die arbeiten sehr gern mit Schüssler-Salzen in akuten Fällen. Es gibt wieder andere, die lehnen sie zwar nicht ab, verbieten sie aber während der Behandlung mit klassischer Homöopathie. Es ist also offenbar nicht nur für mich schwierig, das Ganze unter einen Hut zu bringen. Es scheint, als müsse man Erfahrungen damit machen und je nach Erfolg die Salze in der Homöopathie einsetzen.
Sie haben Recht, wenn Sie sagen, dass eine lange Einnahme von Homöopathika kontraproduktiv sein kann. Es kann durch eine zu häufige Einnahme (vor allem bei tiefen Potenzen) eine Reaktion ähnlich einer Arzneimittelprüfung entstehen. Das heisst, zu den vorhandenen Symptomen können noch weitere (eigentlich zum Mittel gehörige) Symptome dazukommen und so den Gesundheitszustand verschlechtern! Die biochemischen Mineralsalze werden aber häufig über längere oder gar lange Zeit eingenommen (für mich ein Widerspruch zur Homöopathie).
Ein weiterer Punkt ist die Prophylaxe: Mit den Schüssler-Salzen wird oft vorbeugend gearbeitet (meist auch über längere Zeit). In der klassischen Homöopathie nicht. Wie auch, wenn keine Symptome da sind, die einem auf das Mittel hinweisen, wie soll man denn da wissen, was man einnehmen muss? Es besteht einzig die Möglichkeit, mit homöopathischen Mitteln die gesamte Konstitution zu stärken (mit einer Hochpotenz, die tief im Organismus wirkt, aber nur einmalig verabreicht wird). Auch das ist für mich ein Punkt, der sich nicht mit meiner Auffassung von Homöopathie deckt: also ist es doch nicht dasselbe...?!
Um noch kurz auf Ihren Naturheilpraktiker zu sprechen zu kommen: Pendeln können ist eine Gabe, die man von mir aus gern auch nutzen soll. Nur ist es natürlich so, dass damit die ganze Theorien, sowohl die homöopathischen als auch die biochemischen, über den Haufen geworfen werden, weil da nach ganz anderen Grundsätzen gearbeitet wird. Ein direkter Vergleich kann also nicht angestellt werden. Wenn Ihr Heilpraktiker die Variante der Schüssler-Salz-Dosierung durch Pendeln von Ihrer Persönlichkeit empfangen hat, wird wohl auch etwas daran sein. Vielleicht sollten Sie es einfach einmal versuchen? Sie können die Mittel jederzeit absetzen, wenn Sie das Gefühl haben, es gehe Ihnen schlechter (diese tiefen Potenzen haben eine Wirkdauer von ein paar Stunden, die zusätzlichen Beschwerden dauern also nicht lange an).
Hoffentlich sind Sie nicht erschlagen von meinen Ausführungen! Ich möchte keinesfalls, dass Sie meinen, ich sei gegen die Schüssler-Salze! Lediglich wollte ich, von der klassischen Homöopathie kommend, Ihnen meinen ehrlichen, persönlichen Standpunkt darlegen und aufzeigen, dass es mit der Biochemie und Homöopathie nicht ganz so einfach ist!
Fabienne Gigandet
Homöopathin
6314 Unterägeri
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