Grabgesänge
I
Was ich im Grab
erlebet hab':
Ein Würmlein aus der Blumenvase
kroch abwärts gegen meine Nase,
und als es mich von nahem sah,
da rief das Würmlein froh: "Aha,
es handelt sich um eine Frau!"
und fügte bei, das Würmlein schlau:
"Ich hab' da oben in dem Grabesrasen
ein Dutzend Kindlein aus verschiedenen Vasen,
die können nun um Gottes willen
an einer Frauenbrust den Hunger stillen."Ich aber dachte:
Sachte, sachte!,
zerfiel in Staub
und wurde nicht
der Würmlein Raub.
II
Auf ihrem Grabe
steht ein Stein
und darein
gemeisselt fein
eine Eule und ein Rabe,
auf ihrem Grabe.In ihrem Grabe
liegt allein
sie unter ihrem Grabesstein.
Sie lag allein schon eben eben
in ihrem Leben.III
Übers Grab
zieht eine Wolke
weiss wie frisch gemachte Molke,
hüllt das Grab
und seinen Stein
zärtlich ein.Lislott Pfaff
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