Was auch in der Schweiz angewandte Schlachtmethoden anbelangt, so habe ich noch nie über das vermutlich recht verbreitete, kostensparende (?) Töten der Nutztiere durch Sauerstoffentzug gelesen. Ist das ein sanfter Tod für unsere Tiere, oder ist das ein himmelschreiender Erstickungstod, bei dem die verzweifelten Tiere sogar Eisenkonstruktionen verbiegen sollen, wie ich gehört habe.
Yvonne Siegfried, CH-5600 Lenzburg
Antwort: In der Schweiz ist das Töten durch Sauerstoffentzug[1] aus Tierschutzgründen verboten, weil es tatsächlich zu Ersticken führen würde, wie Michel Lehmann vom Bundesamt für Veterinärwesen in Bern (BVET) dem Textatelier gegenüber auf Anfrage mitgeteilt hat (www.bvet.admin.ch). Lehmann vermutet, dass eine Verwechslung mit der Kohlendioxid-Betäubung vorliegen könnte. Für Schweine ist diese Art der Tötung in der Tierschutzverordnung explizit vorgesehen (Art. 64f, Abs.1, Bst.c; www.admin.ch/ch/d/sr/455_1/index.html). CO2 ist ein Narkosegas und führt laut Lehmann "zu einer korrekten Betäubung der Tiere".
Laut Art. 64f der schweizerischen Tierschutzverordnung sind für Schlachttiere die folgenden "Betäubungsverfahren" zulässig (Fassung vom 28. März 2001):
Tiere der Pferdegattung: Bolzen- oder Kugelschuss ins Gehirn.
Tiere der Rindergattung: Bolzen- oder Kugelschuss ins Gehirn; pneumatische Schussapparate, bei denen sichergestellt ist, dass Druckluft nicht in den Schädel eindringt.
Schweine: Bolzen- oder Kugelschuss ins Gehirn; Elektrizität, Kohlendioxidgas, Hochdruckflüssigkeitsstrahl.
Schafe und Ziegen: Bolzen- oder Kugelschuss ins Gehirn; Elektrizität.
Kaninchen: Bolzen- oder Kugelschuss ins Gehirn; stumpfer, kräftiger Schlag auf den Kopf; Elektrizität.
Geflügel: Elektrizität; stumpfer, kräftiger Schlag auf den Kopf; Bolzenschuss. Das Geflügel muss bei der Schlachtung vor dem Blutentzug betäubt werden; ausgenommen beim Dekapitieren (Enthauptung) und beim rituellen Schächten.
Für Einhufer, Wiederkäuer und Schweine sind in der Schweiz (laut Artikel 16) ausschliesslich die folgenden Betäubungsverfahren erlaubt: mechanisches Betäuben mit Geräten, die das Gehirn erschüttern oder durchstossen, elektrisches Betäuben und Betäuben mit Gas. In allen Fällen müssen die zugelassenen Betäubungsverfahren bei den Tieren "einen bis zum Ende des Schlachtens anhaltenden Zustand der Bewusstlosigkeit bewirken, um ihnen somit alle vermeidbaren Leiden zu ersparen." Soweit die in der Schweiz gültigen Vorschriften.
In Teilen von Österreich scheint das Töten durch Sauerstoffentzug erlaubt zu sein. Jedenfalls ist auf der Homepage der steirischen Firma Schirnhofer GmbH. (www.schirnhofer-gmbh.at/Wir-ueber-uns/Bauer-bis-Konsument.html) nachzulesen, dass im firmeneigenen Schlachthof in Grosssteinbach, dessen Kapazität für 4000 Schweine pro Woche ausgelegt ist, mit "dem europaweit schonendsten Schlachtverfahren" gearbeitet werde. Und weiter: "Unseren Schlachthof bezeichnen wir als Qualitätsschlachthof, weil die Betäubung durch Sauerstoffentzug das für die Tiere schonendste Verfahren in Europa ist (sonst wird meist mit Elektrozangen betäubt)". Da wird also das Töten mit Sauerstoffentzug werbestrategisch eingesetzt; man wolle "hochwertige Produkte guten Gewissens an unsere Kunden weitergeben können", heisst es da.
Man kann nur hoffen, dass es sich auch im Internettext dieser Firma um eine Verwechslung des erwähnten Sauerstoffs mit CO2 handelt. Hoffentlich geschah dieselbe Verwechslung mit umgekehrten Vorzeichen nicht auch gerade noch im Schlachthof Grosssteinbach!
Österreich kennt auf Bundesebene kein Tierschutzgesetz; dort bleibt die Regelung des Tierschutzes den Bundesländern überlassen. Diese regionalen und in ihren Wirkungen überschaubaren Regelungen könnten ja beispielsweise das Europäische Abkommen über den Schutz von Schlachttieren tierschützerisch noch übertreffen, was wünschbar wäre. Die liebenswürdigen Österreicher messen allen Naturelementen einen grossen Stellenwert zu, wie man weiss. Im Tierschutz aber hat die Arbeit erst begonnen, nicht allein bei ihnen.
Die Globalisierung hat bis jetzt einmal vor allem das Tierleiden wegen der ins Unendliche verlängerten Tiertransportwegen entsprechend vergrössert. Das Schicksal der hemmungslos benützten Nutztiere ist auf ihrer ersten und gleichzeitig letzten Reise noch trostloser geworden als dasjenige der im Stau stehenden Chauffeure und der lärm- und abgasgeplagten Anwohner. Für sie kommt der Tod als Erlöser. Es ist angezeigt, sich darüber Gedanken zu machen, wie man ihn humaner gestalten könnte. Der Ausdruck ist mit Bedacht gewählt: menschenwürdiger.
wh.
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[1] Durch Sauerstoffentzug kann man auch Brände löschen (Feuer braucht Sauerstoff). Und zudem ist der Tod durch Erhängen auch eine Form des Sauerstoffentzuges.
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