Von Multimillionären und armen Schluckern
Der arme Schlucker – „Wir haben nichts!“ – Designeranzüge für Altersheimbewohner – Reich, aber kein Benehmen – Viel Geld, aber schäbig – Beileid, was ist das? – Basler speiste für 63 000 Euro – In feiner Gesellschaft – Millionärin lud ein und wollte nicht zahlen – Steak für den Hund – Auto für einen 5-Jährigen – Vom Scheitern der Lottomillionäre
Von Heinz Scholz , Schopfheim D
Der arme Schlucker
Flohmärkte haben in unserer modernen Zeit keineswegs an Attraktivität verloren. Gibt es hier doch unglaublich viele Dinge aus Grossmutters Zeiten, aber auch viel Ramsch zu sehen. Jeder versucht, ein Schnäppchen zu machen. Auch ich lasse mich immer wieder von der Faszination eines solchen Flohmarktes anziehen. Vielfach bleibt es nicht aus, dass man Bekannte und überaus interessante Typen kennen lernt. Flohmärkte sind auch Orte mit amüsanten Begebenheiten, wie die folgende Geschichte beweist: Als ich in einer Bücherkiste wühlte, hörte ich eine Stimme, die mir bekannt vorkam. Ich blickte zum wühlenden Nachbarn und siehe da, es war Herr P., ein Unternehmer, den ich von früher vom Briefmarkentausch her kannte. Wir kamen ins Gespräch, und der vielfache Millionär erzählte, er habe seine Fabrik dem Sohn übergeben, seine umfangreiche Briefmarkensammlung und 12 Wohnungen verkauft. Nun suche er Käufer für seine Gemäldesammlung. Dann stürzte er sich wieder ins Gewühl des Flohmarktes. Kurz darauf traf ich den Unternehmer wieder an einem anderen Bücherstand. Er hielt 3 Kunstbücher in der Hand und meinte zur Verkäuferin gewandt: „Kucken Sie mal, wie viel die kosten. Mehr als zwanzig Mark zahle ich nicht!“ Als die Frau die Preise verglich und 40 Mark verlangte, meinte er: „Zwanzig Mark!“ Die Frau hatte mit dem etwas ärmlich gekleideten Unternehmer Erbarmen und gab ihm die Bücher für diesen Preis. Als er am Nachbarstand wieder handelte, was das Zeug hielt, meinte eine Besucherin zur ersten Verkäuferin gewandt: „Muss das ein armer Schlucker sein!“
„Wir haben nichts!“
1982 gaben meine Frau und ich eine Sammlung Stilblüten, Kuriositäten und amüsante Druckfehler aus Zeitungen und Büchern in Form einer Broschüre heraus. Wir verkauften diese zugunsten der „Aktion Sorgenkind“. Wir waren landauf und landab unterwegs, um die Broschüre für den guten Zweck abzusetzen. Dabei machte ich die Beobachtung, dass gerade Ärmere und Normalverdiener die Schrift abkauften, während Reichere oft missmutig schauten und mit Ausreden nicht verlegen waren. Oft hörten wir die abweisenden Sätze: „Wir haben keine Zeit zum Lesen“ oder „Wir spenden regelmässig für das Rote Kreuz“.
Eine reiche Weinhändlerin, die ich in einer südbadischen Stadt aufsuchte, meinte treuherzig: „Wir kaufen nichts, wir haben nichts!“ Ihr war nicht bewusst, dass ich die Dame kannte und über ihren Reichtum Bescheid wusste. Sie war Besitzerin eines gut gehenden Weingeschäftes, eines grossen Hauses und von mehreren Eigentumswohnungen.
Beim Besitzer eines gut florierenden Sportgeschäftes holte ich mir auch eine Abfuhr. Der Chef meinte: „Wir spenden grundsätzlich nichts, da täglich viele Leute ins Geschäft kommen, und um Spenden betteln. Bei so vielen Schnorrern wären wir schon arm.“
Passend zu diesen Fällen fällt mir das folgende Sprichwort ein. Es lautet:
„Er hat nur zwei Hände, eine zum Nehmen, eine zum Behalten. Die zum Geben fehlt ihm.“
Designeranzüge für Altersheimbewohner
Eine mir bekannte Journalistin war einst in Südtirol unterwegs. In einer Gemeinde lernte sie auch einige Heimbewohner kennen, die dort in erbärmlich eingerichteten Zimmern ihr Dasein fristeten. Es waren einfache Leute, die jahrzehntelang in der Gemeinde bei allen möglichen Dienstleistungen aushalfen. Sie bezogen keine Rente, kannten kein Taschengeld; sie erhielten quasi nur noch das Gnadenbrot. Die Journalistin wollte etwas Freude in die Gruppe von alten Frauen und Männern bringen. Sie spendete etwas Geld. Als sie, wie vorgesehen, einen Multimillionär aus der Lebensmittelbranche besuchte, bat sie um Spenden. Da sagte doch der Gutbetuchte: „Wissen Sie, ich habe meinen Reichtum durch Wegnehmen erreicht und nicht durch Weggeben.“ Ausserdem habe er 3 Kinder, die einiges kosten. Als sie ganz erschrocken dreinschaute, erbarmte sich der Reiche und gab ihr 2 alte Designeranzüge mit. Die Journalistin meinte nur, das sei doch nicht das passende Geschenk für alte Leute, die wohl noch nie einen guten Anzug in ihrem Leben getragen haben und auch nie tragen werden. Die Pressetante meinte nur, Geld wäre hier angebrachter, aber nun sah der Gastgeber dumm drein. Daraufhin zog die Redakteurin mit den Anzügen und ohne Geld wieder ab. Von nun an belästigte sie keinen Multimillionär mehr.
Noch eine Bemerkung dazu: Die Journalistin kannte die Familienverhältnisse des Multimillionärs sehr gut. Sie wusste, warum die Kinder so teuer sind. Sie kauften regelmässig die teuersten Kleider in diversen Geschäften in St. Moritz, Salzburg und in Kitzbühel ein.
Reich, aber kein Benehmen
Ich musste für eine Fachzeitschrift einen schwäbischen Unternehmer interviewen und für einen Firmenbericht recherchieren. Ich hatte schon damals ein ungutes Gefühl, aber die Chefredakteurin meinte, ich solle doch den Betrieb aufsuchen und den Bericht machen, denn der Besitzer rufe sie immer an und nerve sie gehörig. Das Vorhaben wurde verwirklicht. Der wohlhabende, aber mit schwäbischem Geiz gesegnete Inhaber der Firma wollte unbedingt dieses und jenes in seinem Bericht haben. Er bemühte sich sehr, denn schliesslich bedeutete eine solche Reportage eine kostenlose Werbung. Als Gegenleistung erhielt der Autor ein Glas Wasser für seine trockene Kehle. Und sonst nichts! In ähnlichen Fällen wurden die Journalisten königlich bewirtet, aber nun wusste ich, was schwäbischer Geiz ist.
Einer mir bekannten Redakteurin erging es noch schlechter. Sie besuchte ebenfalls eine namhafte Firma, um eine Reportage zu machen. Nach den Gesprächen verspürte die Interviewerin einen unbändigen Hunger. Da keine Einladung zum Mittagessen vom Industriellen kam, lud sie diesen zum Essen ein. Er nahm die Einladung hocherfreut an. Der Bursche bekam also eine kostenlose Werbung, und die Journalistin konnte den „Armen“ bewirten.
Aber trösten wir uns, laut einem Sprichwort ist „Geiz die grösste Armut“. Und der ungarische Baron Joseph von Eötvös (1813 1871) schrieb einst: „Es gibt keinen grösseren Verschwender als den Geizhals. Er vergeudet sein Leben auf die Erwerbung dessen, was er weder geniessen kann noch will.“
Auch ich lernte einmal einen Multimillionär kennen. Anlässlich einer Recherche für eine Facharbeit besuchte ich seine Privatklinik; anschliessend durfte ich in die Villa zur Schlussbesprechung kommen. Ich war überrascht, wie gross das Grundstück und die Villa waren. Das Arbeitszimmer, das sich über den ganzen oberen Bereich des ausgebauten Dachgeschosses erstreckte, war gefüllt mit wertvollen Antiquitäten. Aber auch hier erlebte der Autor sein blaues Wunder. Weit und breit war kein Getränk zu sehen. In der Regel ist es doch so, dass der Gastgeber zumindest fragt, ob man ein Getränk habe möchte oder nicht. Aber vielleicht hatte der Betuchte kein Wasser zu Hause. Oder er musste für den geplanten Klinikanbau sparen. Da keimte in mir doch etwas wie Verständnis auf.
Viel Geld, aber schäbig
Vor etlichen Jahren ging ich in meine Hausbank, um Geld abzuholen. Es war kurz vor Ostern, deshalb herrschte grosser Andrang. Es bildete sich vor der Kasse eine grosse Schlange. Vor mir stand eine Frau mit einem etwa 10-jährigen Buben, davor ein Mann in einem etwas schäbigen Anzug. Er hatte eine offene, leere, grosse Tasche bei sich. Der kleine Bengel, der neugierig sein Hälschen streckte und in die Tasche stierte, sagte leise zu seiner Mutter gewandt: „Der wird doch nicht soviel Geld abholen?“
„Nein, das glaube ich nicht, er ist arm, vielleicht ein Rentner“, entgegnete die Mutter leise. Aber der angebliche Rentner hatte gute Ohren. Er drehte sich plötzlich um, deutete auf die Tasche und sprach in freundlichem Ton: „Ob Sies glauben oder nicht, ich hole mir die Zinsen ab.“
Beileid, was ist das?
Ein Arzt aus meinem Bekanntenkreis war ein sehr beliebter Mensch. Überall verbreitete er Fröhlichkeit und war immer ein gern gesehener Gast. Er organisierte die monatlichen Treffs mit den sehr vermögenden Ärztekollegen. Es wurde nicht nur diskutiert, sondern gehörig gebechert und gespeist. Oft kam es vor, dass unser besagter Arzt das Essen bezahlte. Als der Arzt eines Tages sich von dieser Erde verabschiedete, erhielt die Witwe kein einziges Beileidsschreiben von diesen „falschen Freunden“ und keiner kam zur Beerdigung. Da wusste die Witwe, wie undankbar und kaltherzig bestimmte Menschen sein können.
Basler speiste für 63000 Euro
Am 26.April 2004 wurde in der Basler Zeitung berichtet, wie ein Basler Geschäftsmann in London viel Geld für Tafelfreuden ausgab. Er tafelte ausgiebig mit 6 Freunden in einem exquisiten Restaurant. Dieser „Spass“ wurde mit 63 000 Euro in Rechnung gestellt. Die Speisen schlugen zwar nur mit 750 Euro zu Buche, aber der erkleckliche Rest wurde für Spitzenweine ausgegeben. So zahlte der Geschäftsmann für eine Flasche 1947er Pomerol Cháteau Pétrus 18 450 Euro. Seien wir nicht neidisch Der Mann hat ja genug Geld zum Ausgeben.
Kommentar von Walter Hess, dem ich diese Geschichte erzählte: „Es ist seine Sache, wie er das Geld aus dem Fenster hinauswirft. Irgend jemand kann es ja wieder auflesen.“
In feiner Gesellschaft
Ein mir bekanntes Ehepaar aus Lörrach (Baden) gewann eine Flugreise nach Nürnberg. Geboten wurde die Nächtigung in einem der feinsten Hotels der Stadt, eine Stadtrundfahrt und ein aufwändiges Dinner. Die Ehefrau trug ein neu erstandenes Abendkleid von Kurt Lagerfeld; der Herr Gemahl hatte ein dunkles Jackett an. Vor dem festlichen Essen Smal-Talk mit einem Ehepaar, das aus New York angereist war und bei der Eröffnung einer Jil-Sander-Boutique zugegen war. Fragte doch der anscheinend gut betuchte Mann den Badener: „Kaufen Sie auch bei Jil Sander?“ Darauf antwortete der Angesprochene wie aus der Pistole geschossen: „Nein, ich kaufe bei C&A.“ Wie er dies hörte, wandte sich der Amerikaner pikiert ab und liess sich nicht mehr blicken. Der glückliche Gewinner meinte anschliessend zu seiner Frau: „Ich hätte sagen sollen: Wir kaufen bei Charles & Anthony*.“
*Gemeint waren Clemens & August Brenninkmeyer also C&A , die bereits 1861 ihren ersten Laden eröffneten.
Millionärin lud ein und wollte nicht zahlen
Eine mir bekannte Redakteurin wurde eines Tages zusammen mit 2 Ärzten aus dem Bekanntenkreis ihres Vaters von einer 76-jährigen Millionärin zum Essen in einem feinen Landgasthof eingeladen. Als sie die telefonische Einladung erhielt, wunderte sich die Journalistin, dass die sonst so geizige Frau plötzlich so freigebig wurde. Als die Angesprochene meinte, sie zahle ihr Essen, meinte die Millionärin nach einer kurzen Pause, sie könne ja den Nachtisch und den Kaffee für die ganze Gruppe übernehmen. Damit war sie jedoch nicht einverstanden. Sie war immer der Ansicht, wenn man schon eingeladen wird, dann bräuchte man nichts zu bezahlen, ausserdem erhält die Gastgeberin ja irgendein Mitbringsel. Als sie die negative Reaktion hörte, meinte die Gutbetuchte: „Das machen wir anders. Du zahlst die Hälfte!“ Damit war die Journalistin auch nicht einverstanden. Sie schleuderte ihr folgende Worte durchs Telefon: „ Weisst Du, wir machen es anders. Ich zahle alles!“
Damit war die Millionärin auch nicht einverstanden, denn dann konnte sie als Gastgeberin nicht glänzen. Das Treffen kam dann durch irgendein Ereignis nicht zustande. Nur ein Arzt aus der Gruppe fuhr zur Millionärin und zahlte die Zeche.
Es ist schier unbegreiflich, warum die Frau einen solchen Geiz entwickelt hat. Auf der anderen Seite kaufte sie die teuersten Klamotten in Salzburg und in Kitzbühel.
Steak für den Hund
Eine amerikanische Pop-Sängerin wollte auf besondere Weise ihren Hund verwöhnen. Als sie in einem Luxusrestaurant speiste, bestellte sie für den Vierbeiner ein Steak für 160 Dollar.
Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit das liebe Tier zu „erfreuen“. So behängte kürzlich eine Millionärsgattin ihren Hund mit einem diamantenbesetzten Halsband. Da jauchzte das Herz des Vierbeiners; eine solche Zuneigung hatte er nicht erwartet. Etwas Zuneigung war ja schon vorhanden, denn er darf aus einem vergoldeten Futternapf fressen und Frauchen beim Einkaufsbummel begleiten.
Auto für einen 5-Jährigen
David Beckham, Fussballstar von Real Madrid, schenkt seinem 5-jährigen Sohn zum Weihnachtsfest (2004) einenUS-Mini-Jeep für 32 000 Euro. Die Nachbildung fährt mit Benzin und erreicht eine Geschwindigkeit von 45 km/h. Da wird der Kleine eine Freude haben und bald auf dem schönen Rasen des Anwesens herumkurven.
Da die Beckhams viele Geschenke erwarten, haben sie, wie spanische Medien berichten, für 1800 Euro einen Pagen eingestellt. Dieser Bursche hat nur eine Aufgabe, nämlich die Geschenke der Familie auszupacken.
Vom Scheitern der Lottomillionäre
1956 gewann ein Hotelbesitzer im Lotto viel Geld. Von nun an brauchte er nicht mehr zu arbeiten, hängte ein Schild mit der Aufschrift „Wegen Reichtums geschlossen“ auf und genoss das süsse Leben. Bald darauf war alles verprasst. Er starb in einem Obdachlosenasyl.
Ein anderer gewann 1,5 Millionen. Als er alles verjubelt hatte, suchte er sich einen neuen „Beruf“. Er wurde Serieneinbrecher.
Ein 37-jähriger Koch aus den USA gewann 3,6 Millionen Dollar. Er wurde dermassen gestresst, dass er bald darauf einer Herzattacke erlag.
Vor einigen Jahren machte in Deutschland der „Lotto-Lothar“ Schlagzeilen. Er gewann 1994 rund 3,9 Millionen Mark. Wie dpa berichtete, verschmähte er nun billiges Dosenbier und trank von nun an Markenpils, kaufte sich einen Lamborghini und feierte mit attraktiven Frauen wilde Partys. 5 Jahre später war er tot. Die Witwe und die Freundin stritten sich um das restliche Geld.
Ein Schotte, der 1,4 Millionen Pfund gewann, war mit dem Geld unglücklich. Das Nichtstun nervte ihn gewaltig. 2 Monate später bewarb er sich wieder um einen Job.
Auch eine US-Amerikanerin, die 315 Millionen Dollar gewann, behauptete, sie hätte lieber nicht getippt. Der ganze Presserummel ging ihr gehörig auf die Nerven, die 17-jährige Enkeltochter verschwand, und der Ehemann erhielt 2 Strafverfahren wegen Trunkenheit am Steuer.
Diese Beispiele zeigen auf, dass Geld allein nicht glücklich macht. Viele der Lottomillionäre wurden nicht froh, erlebten Streitigkeiten mit Verwandten und Bekannten, die vom Gewinn nichts abbekamen. Die Lottogewinner bekamen plötzlich jede Menge „falscher“ Freunde, die sie ausnahmen. Einige liessen sich scheiden, wiederum andere kündigten vorzeitig ihren Arbeitsplatz. Sicherlich gab es auch solche, die keinem etwas erzählten und ihr Geld vernünftig ausgaben und anlegten.
Weitere Kuriositäten und Anekdoten im Textatelier unter „Gönnt den Managern doch die Millionen“ von Heinz Scholz .
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