Der Eingang ist wie der Mund
Wenn verschmutzte und lotterige Zähne in der Mundhöhle herumhängen, aus denen zudem noch Amalgam bröselt, und Entzündungen Schmerzen verursachen, hat das Auswirkungen auf das Befinden des Menschen. In der Naturheilkunde wird von Zahnherden gesprochen, die überall im Körper Störungen verursachen können, weil sozusagen alles mit allem vernetzt ist und es somit auch Wechselwirkungen zwischen Zähnen und Organen gibt. Häuser und Wohnungen haben ebenfalls einen Mund mit Auswirkungen aufs Ganze: Der Haupteingang.
In der chinesischen Wohn- und Gesundheitslehre Feng Shui wird das Haus mit einem menschlichen Körper verglichen; denn auch ein Gebäude sollte ein lebendiger Organismus sein, der atmet, im Zusammenhang funktioniert, gesund ist und das Wohlbefinden der Bewohner gewährleistet. Die Frontseite des Hauses ist das Gesicht, der Eingang der Mund. Das sind besonders sensible Bereiche.
Wie die Nahrung durch den Mund, so tritt die Lebensenergie Qi (Chi) durch die Eingangstür ins Haus oder in die Wohnung ein. Man könnte dem frische Luft sagen; aber nach altchinesischer Betrachtungsweise hat das Qi eine noch wesentlich höhere Qualität. Es ist die Kraft, die alles bewegt und belebt; da ist also auch die kosmische Strahlung mit ihrem Diamagnetismus gemeint. In jedem Atom ist ein ununterbrochener Energiefluss vorhanden (die Elektronen kreisen ständig um den Atomkern, von Magnetfeldern bewegt). Und so darf denn auch das Qi in seiner sanft fliessenden Bewegung niemals behindert werden, wenn es seine besten Wirkungen entfalten soll.
Der Weg zur Eingangstür sollte deshalb in einer leichten, organischen Krümmung verlaufen, was das Qi etwas abbremst und wodurch die Gefahr vermindert ist, dass es zu schnell durchs Haus schiesst und verloren geht. Abgewinkelte Wege, d.h. solche, die plötzlich rechtwinklig abdrehen, irritieren den Energiefluss und werden als unharmonisch empfunden. Auch aus menschlicher Nutzung entstandene Wege verlaufen in geschwungenen Linien, es sei denn, ein Hindernis zwinge zum plötzlichen Abwinkeln.
Günstig ist es, wenn der Hauseingang beidseitig durch Pflanzen markiert und betont ist. Als ideal wird empfunden, wenn sich die Eingangstür nach innen öffnen lässt, was einladender wirkt als wenn der Ankommende (bzw. das Qi) beim Türöffnen ausweichen muss.
Nach der Feng-Shui-Lehre ist es am vorteilhaftesten, wenn der Haupteingang nach Süden ausgerichtet ist, der Sonne entgegen. Aber meistens ist man selbst bei Neubauten in der Wahl eingeschränkt oder aber die immobile Immobilie steht in fester Verankerung da und lässt keine Änderung mehr zu. Manchmal ist es auch wenig sinnvoll, den allenfalls vorhandenen südlichen Nebeneingang zum Haupteingang umzugestalten. Doch deshalb geht die Welt nicht unter. Umso mehr aber müssen die übrigen Bedingungen erfüllt sein:
Durch einen einladend gestalteten Haus- oder Wohnungseingang wird nicht nur Energie ins Haus geschleust, sondern auch Menschen finden hier Einlass. Der Gast erhält in diesem Bereich den ersten Eindruck vom Hausinneren; der Eingang ist die Visitenkarte.
Damit der Übergang vom Aussen zum Innen nicht zu abrupt ausfällt, sollte der Eingangsraum gut ausgeleuchtet sein. Ist dieser Raum klein und beengend, so müssen die Begrenzungen mit geschickt angebrachten Spiegeln oder Bildern behoben werden. Sie vermitteln die Illusion von Weite. Auch das Qi braucht Platz, um sich entfalten zu können. Eine geeignete Pflanze kann bei geschlossener Tür die Energieproduktion aufrechterhalten.
Dient das Entrée als Gerümpelkammer und liegen hier Schuhe, Kleidungsstücke, Plastiksäcke und Beutestücke aus der Schnäppchenjagd herum, wird der Energiefluss behindert, und alles wirkt unordentlich, abweisend.
Der Eindruck, der beim Verlassen des Hauses entsteht, ist ebenso wichtig wie jener bei der Ankunft; der Blickwinkel ist jetzt um 180° gedreht. Der Bezug zu einem Presseartikel liegt nahe: Anfang und Schluss haben eine besondere Bedeutung. Zuerst wird zum Lesen eingeladen, und ein gelungenes Ende hinterlässt eine nachhaltige Wirkung, was selbstverständlich nicht bedeutet, dass das, was dazwischen steht, bedeutungslos sei... Fällt der Blick beim Verlassen des Hauses oder der Wohnung auf unattraktive Anlagen wie Leitungsmasten, Asphaltplätze usf., muss mit belebenden Elementen für neue Blickfänge gesorgt werden.
Das Feng Shui hält viele einleuchtende Anregungen bereit, die auch bei anderen als asiatischen Verhältnissen die Lebensqualität verbessern können. Man erhält einige Grundsätze, nach denen man sich ausrichten kann, falls sie einem zusagen in diesem Fall eben, dass man den Mund des Hauses nicht wässrig, aber lebendig machen sollte.
Walter Hess
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