Badeleben anno dazumal: Gemeinsam baden verboten
Autor: Heinz Scholz, Schopfheim D
Gemeinsam baden verboten
Bis zum Beginn der 20er-Jahre war das gemeinsame Baden von Männlein und Weiblein in vielen badischen Orten verboten. Bevor Freibäder eröffnet wurden, badete man heimlich nackt an verschwiegenen Orten. Um das Nacktbaden einzudämmen, wurden eben diese Freibäder gebaut. In Staufen (Markgräflerland) beispielsweise entstand 1883 ein solches Bad. Zu jener Zeit herrschte strenge Geschlechtertrennung. Es gab eine Bademeisterin und einen Bademeister. Diese liessen die Glocke erklingen, wann Frauen und Männer ins Wasser gehen durften. Das Freiburger Lorettobad war als reines „Herren- und Gartenbad“ angelegt. Erst 1902 wurde eine Damenabteilung eingerichtet.
Aber es ging nicht nur in solchen Bädern gesittet zu. Auch zu Hause musste man sich vor unkeuschen Gedanken hüten. In einem Mädchenkalender aus dem Jahre 1884 stand Folgendes: „Wenn Du ein Bad nimmst, so streue etwas Sägemehl auf das Wasser, damit Dir der peinliche Anblick deiner Scham erspart bleibt.“
Bevor die Geschlechtertrennung aufkam, setzte sich im 17. Jahrhundert das Baden nach Ständen durch. In Wildbad gab es 1612 ein Fürstenbad, Herrenbad, Bürger- und Bauernbad, Frauenbad und Armenbad.
Quellen: „Badische Zeitung“ vom 22.7.96 und „Weisch no?“ von Hans Fräulin, Zell, 1994, und Oberrheinisches Bädermuseum in Bad Bellingen-Bamlach.
Bad im Weinfass
„Deutschlands jüngstes, kleinstes und ulkigstes Thermalbad liegt in der armen Schwarzwaldgemeinde Bellingen“, so berichtete „Der Stern“ in seiner Ausgabe vom 13.12.1958. Der Aufstieg zum Bad begann so: 1955 bohrte eine Firma nach Öl. Aber es kam kein Öl durch das Bohrloch, sondern nur heisses Wasser. Schliesslich gaben die Arbeiter auf, stellten die Bohrungen ein und betonierten das Loch zu. Die Bellinger liessen das Wasser untersuchen. Was da aus der Erde kam, war ein Wasser mit einem hohen Gehalt an Natrium, Calcium und Chlorid und „war unglaublich heilkräftig“. Die Thermalquelle wurde am 28. November 1956 erschlossen und am 30. Juni 1957 erfolgte die Einweihung des Bades. Teure Kureinrichtungen standen zu jener Zeit noch nicht zur Verfügung. Wasser floss aus einem dicken Rohr in einen 2-Mann-Bottich, dann folgte ein Weinfass. 3, 4 oder 5 Männlein oder Weiblein tummelten sich dann in diesem Luxusbad in freier Natur.
Quelle: Oberrheinisches Bädermuseum in Bad Bellingen-Bamlach.
Schafe entdeckten Mineralquelle
Aus einer Beschreibung des Oberamts Mergentheim (1880): „Die Mergentheimer Mineralquelle ist seit 1826 entdeckt. Schafe waren die Wasserschmecker, die auf ihre Entdeckung führten. Nach lange anhaltender Trockenheit und bei ungewöhnlich niederem Wasserstand der Tauber weidete am 23. Oktober 1826 eine Schafherde am Ufer. Der Schafknecht Gehrig bemerkte, dass sich seine Schafe auf einmal an eine Schwitzquelle herbei drängten, welche fast im Niveau des Tauberspiegels aus einem ockerbraun gefärbten Geröll hervorrieselte und eines gleichfarbigen Niederschlag bei ihrem Abfluss abgesetzt hatte, aus welcher sie begierig sich tränkten. Gehrig versuchte das Wasser, fand es von auffallend bittersalzigem Geschmack und machte von dieser seiner Entdeckung die Anzeige unverzüglich beim Stadtrath; dieser überzeugte sich sofort selbst von der bittersalzigen Natur der Schwitzquelle und veranlasste eine Untersuchung des Wassers, welche sehr befriedigend ausfiel ... Mit Eintritt des Frühjahrs 1829 wurde über der neu gewonnenen Quelle ein Brunnenhaus und in dessen Nähe ein Badgebäude errichtet und am 23. Juni desselben Jahres das Bad unter dem Namen Sr. Majestät des jetzt regierenden Königs, damaligen Kronprinzen Karl eröffnet.“
Quelle: Zitiert in „Städte in alter Zeit“, herausgegeben von Bernhard und Margrit Zeller, J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1989.
Tabak saufen
„Es ist nun kulturgeschichtlich reizvoll, dass in der Geschichte des Tabakrauchens in Baden die Bäder zu Griesbach und Rippoldsau eine Rolle spielen. Moscherosch lässt sich bitter über das Rauchen in den Bädern aus. Er nennt den Tabak ein giftiges Kraut, dessen Teufelsrauch die Leute toll und voll mache. Das Gift, durch die Spanier nach Europa gebracht, sei ,durch die Franzosen, die bereits ohne Tabak-Saufen nicht leben könnten, zu den nachäffichten Teutschen gekommen’. Nicht nur der Adel, auch die Bauern und sogar die Weiber würden ,Tabak saufen’! Man pflegte damals den Tabak zu ,trinken’, sorbere tabacum.“
Noch eine weitere Episode über die Bäder. 1577 besuchte der bäderkundige Arzt Dr. Theodor, den man nach seinem Heimatort Bergzabern Tabernaemontanus nannte, das Bad Antogast. Er beurteilte das Heilwasser als sehr wirksam, es sei sogar so kräftig, dass er vor ihm „schwache Leut die von Natur blöd“ warnt und bemerkt weiter: „Es muss dieser Brunnen nit vor einen gemeinen Tranck, sondern allein vor ein Artzney gebrauchet werden!“
Um 1750 verfasste Dr. Behr eine langatmige Kuranweisung in Versen. Einige von 200 sind hier wiedergegeben:
„Verjährtes Weh, das Manchen plagt,
Und Schärfe, die das Fleisch zernagt;
Verstopfung in den Eingeweiden,
rheumatisches und Nervenleiden;
Diess, und was sonsten Euch beklemmt,
Wird durch dasselbe ausgeschlämmt.“
Quelle: „Die Bäder Mittelbadens in alter und neuerer Zeit“ von Otto Gerke in „Badische Heimat“ (Offenburg und die Ortenau, 1935).
Grosszügiges Badeleben
Der päpstliche Kämmerer Francesco Poggio aus der Zeit des Konstanzer Konzils (1414–1418) schreibt über das grosszügige Badeleben in Baden (Schweiz) im Jahre 1417 Folgendes: „Die besonderen Bäder sind schön ausgeputzt. Ohne etwas Arges dabei zu denken, steigen Weiber, Mädchen, Jünglinge und Männer ins Bad. Zwar sind beide Abteilungen durch ein Getäfel abgesondert, dieses aber hat mehrere Ablassfensterchen, durch welche man miteinander sprechen, sich sehen und berühren kann; und das tut man auch. Neben dem sind in der Höhe Galerien angebracht, wo sich Männer hinstellen, um zu plaudern und zu schauen.
Im Bade selbst speisen sie öfters alle zusammen von einem zusammengetragenen Gerichte auf einem schwimmenden Tische. Dabei werden auch andere Badegäste zugelassen und schäkern und necken sich mit den Weibern herum, so gut es gehen will. Es fehlt an diesem Schauspiele nichts als etwa Jupiters Erscheinung als goldener Regen, und die Danae wird auch gleich gefunden sein. Und die Männer? Sehen ganz ruhig zu, wie Fremde sich Freiheiten gegen ihre Weiber und Geliebten herausnehmen, deuten alles zum besten oder beobachten es gar nicht einmal. Sie gehören in dieser Hinsicht ganz schicklich in Platos Republik.
Vornehme und Gemeine sind da in grosser Menge, die nicht sowohl der Kur, als vielmehr des Vergnügens wegen wohl hundert Meilen herkommen. Alle, die sich ein Liebchen suchen, die heiraten wollen, oder wer sonst sein Leben geniessen will, strömen herbei und finden, was sie suchen. Mädchen und Weiber kommen in solcher Menge hierher, dass die Wahl des Auslesens einem wehe tut. Ach! Und wie sind sie gezieret, angetan und geschmückt! Alle nämlich haben einerlei Absicht, die Traurigkeit zu verbannen, Vergnügen zu suchen, keinen Gedanken zu haben als den, die Freuden des Lebens, so gut sie können, zu geniessen. Alle sind liebreich und freundlich, sind zärtlich und zuvorkommend gegeneinander. Verbannt ist alle Eifersucht, und Lebensgenuss allein nur spricht alle, selbst Freude suchend, an. Und sie haben Recht, denn wahrlich, nur der lebte, der seines Lebens genoss.“
Quelle: „Wangen am Untersee, ein Badeort in alter Zeit“ von Karl Werner Klüber, „Badische Heimat“, 33. Jahrgang, Heft 3, 1953.
Lange Badezeiten ...
... waren in Wildbad und auch in anderen Bädern üblich. So begann beispielsweise der Augsburger Grosskaufmann Lucas Rem in den Jahren 1521 bis 1540 bei seinen Badeaufenthalten in Wildbad die Kur mit einem 5-stündigen Bad in den warmen Gewässern. Jeden Tag wurde der Aufenthalt im Wasser gesteigert, bis er schliesslich am 6. Tag auf 8 Stunden pro Tag anlangte. Er bekam einen Ausschlag, badete aber weiter, machte noch Schweissbäder und liess sich schröpfen. Den Ausschlag hielt man zu jener Zeit für ein gutes Zeichen. Die Kurärzte behaupteten, der Körper würde dabei alle Unreinheiten ausscheiden. Diese Prozedur wurde noch bis ins 19. Jahrhundert hinein praktiziert.
Solche Kurgäste sind unerwünscht
In einem Artikel des „Schwäbischen Merkurs“ vom 23. März 1852 wird über eine kleine Sensation aus Wildbad berichtet: „Wir haben gestern eine überraschende Erscheinung gehabt. Ein adeliges Frauenzimmer aus Paris im Alter von 37 Jahren fuhr vor einem unserer Gasthöfe an, und wir freuten uns schon, so frühe unsere Badsaison eröffnet zu sehen. Zwar nennt es der Aberglaube ein ungünstiges Omen, wenn der erste Badegast eine weibliche Person ist; allein deshalb darf keine Dame sich abhalten lassen, recht bald zu uns zu kommen, sie wird – mit Thalern versehen – freundlich begrüsst werden. Aber bei der oben Genannten fehlten die Thaler, sie liess sich vielmehr gelüsten nach den silbernen Löffeln und Servietten ihres Gastwirts. Diese gingen ihr so zu Herzen, dass sie von beiden zwei Exemplare zum Andenken mitzunehmen gedachte. Bald entdeckte man den Abmangel, und der Verdacht konnte auf Niemand als auf die fremde Person fallen. Diese ahnte denselben und bemühte sich daher auf alle Weise zu entkommen. Allein die Hände der Polizei waren zu rasch, als dass die Flucht ihr gelingen und zu stark, als dass ihr heftiger Widerstand etwas ausrichten konnte. Was war natürlicher, als dass die heftige Gemütsaufregung eine Ohnmacht zur Folge hatte, die übrigens bald sich wieder hob. Sie musste sich gefallen lassen, von einem Landjäger vor das Bezirksgericht in Neuenbürg begleitet zu werden. Dort ergab sich, dass sie auch in einem Gasthofe dieser Stadt schon mit langen Fingern gearbeitet hatte. – Solche Kurgäste mögen ferne bleiben.“
Quelle der letzten beiden Episoden: „Grosse Welt reist ins Bad“ von Heinz Biehn und Johanna Baronin Herzogenberg, Prestel-Verlag, München 1960.
Eselsmilch und Eselsweg
In Badenweiler erinnert der „Eselsweg“ an die Zeit, in der Kurgäste auf dem Rücken der Grautiere bis zur Unterkunft befördert wurden. Zu jener Zeit war auch die Eselinnenmilch ein beliebtes Kurmittel. Die fettarme und zuckerreiche Milch half geschwächten Personen wieder auf die Beine. Aber auch verdauungsgeschwächte, blutarme und fiebrige Personen profitierten von dieser reizlosen und stärkenden Milch. Wenn die Gäste es wünschten, wurden die Eselinnen zu den Quartieren gebracht, dort gemolken und die noch warme Milch den Kurenden überreicht. Auch 7 verschiedene „Molken“ waren als Kurmittel beliebt.
Wie Chronisten berichteten, war 1866 eine „Eselstaxe“ die Attraktion. Ein 6-stündiger Ritt nach Kandern kostete damals 1 Gulden und 48 Kreuzer. Später bekamen die Grautiere durch die Reitpferde Konkurrenz. Zur Erinnerung an die Leistung der Esel wurde im Kurpark ein Eseldenkmal von Renée Sintenis geschaffen.
Quelle: „Badenweiler – Ein Stück Italien auf deutschem Grund“ von Gustav Faber, Verlag Karl Schillinger, Freiburg im Breisgau 1975.
Erneuerung des Geblüts durch Bad und Wein
Die gesundheitliche Wirkung von Bad und Wein erkannten Ärzte, Bader und sonstige Heiler schon sehr früh. So wurden vor 500 Jahren Kinder in Milch und Wein gebadet, während ältere Badegäste den Wein lieber durch die Kehle rinnen liessen. So stand des Öfteren ein Glas Wein am Rand des Badebeckens. Der Wein galt als Kurmittel zur „Erneuerung des Geblüts“.
Im 15. Jahrhundert blühte das Badewesen ungemein auf. Die Stadt Ulm soll zu jener Zeit über 100 Badestuben gehabt haben. In manchen Bädern wurde gespeist, oft schwamm ein gedeckter Tisch auf dem Badewasser. Nach Ausschweifungen wurde das gemeinsame Baden beider Geschlechter im gleichen Raum verboten.
Auch in den „Wildbädern“ gehörte der Wein als Gesundheitsmittel zur Badekur. Wie es damals zuging, beschrieb der ehemalige badische Landeskommissär Max Föhrenbach sehr ausführlich. In seinen „Erinnerungsblättern“ schildert er seine Eindrücke: „Unter Führung des Badknechtes gelangte ich in einen Raum, der ein halbes Dutzend hölzerne, mit Deckeln verschlossene Badewannen enthielt. Jeder Deckel hatte am oberen Ende einen Ausschnitt, gross genug, um dem Badenden zu gestatten, Kopf und Hände herauszustrecken. Sämtliche Wannen waren besetzt; aus jedem Deckel ragte der Kopf eines Badenden hervor, und vor jedem dieser Köpfe stand auf dem Deckel ein Schoppen Rotwein, dem fleissig zugesprochen wurde. Die bäuerliche Badegesellschaft war in bester Stimmung und behauptete steif und fest, sich von allen Leibesübeln befreit und völlig verjüngt zu fühlen. Dass dieses Wonnegefühl mit dem Weinkonsum zunahm, war unverkennbar. Nun erst erfuhr ich, dass es in der Gegend herkömmlich sei, zwecks Erneuerung des Geblüts eine so genannte Frühjahrskur zu machen in der Weise, dass man zunächst im heissen Bade das Blut nach aussen treibe, es dann durch Schröpfen aus der Haut oder mit dem Schnappmesser aus den Adern hole und hierauf durch Rotwein wieder ersetze, der frisches Blut in die rostigen Schläuche bringe. Meine fröhlichen Wannenbesucher hatten das Schröpfen gerade überstanden und waren damit beschäftigt, das Geblüt zu erneuern.“
Quelle: „Oberländer Chronik“, Beilage des Südkuriers, Konstanz 1957.
Es ging recht locker zu
In Kurorten ging es früher recht locker zu. In diesen Bädern begann das Flämmchen Emanzipation langsam zu flackern. Hier fanden Frauen Anerkennung, Beachtung und konnten sich ohne Ehegespons so richtig entfalten. So war es nicht verwunderlich, wenn Frauen alle möglichen und unmöglichen Krankheiten ersannen, nur um zur Kur zu kommen. „Sie wissen irgend eine Krankheit vorzuschützen, um vom häuslichen Herd in einen Badeort zu entschlüpfen, damit sie dort lustig ihren Männern eine wachsene Nase drehen können“, schrieb ein Badearzt über die Badesucht mancher Frauen.
Eitel waren die Frauen schon damals. Bevor es zum Promenieren ging, mussten die Haare und Gesichter der vornehmen Damen gestylt werden. Dafür wendeten sie täglich 3 bis 4 Stunden auf!
Quelle: Oberrheinisches Bädermuseum in Bad Bellingen-Bamlach.
Sie mussten Möbel mitbringen
Gerade unter dem Dreissigjährigen Krieg hatten die badischen Bäder schwer zu leiden. Die Übernachtungszahlen gingen rapide zurück. Das war auch in der Zeit der Raubkriege Ludwigs XIV. So wurde Baden-Baden 1689 von Duras niedergebrannt und Badenweiler ereilte dasselbe Schicksal.
Bad Liebenzell wurde 1692 durch die Horden Mélacs geplündert. In Badenweiler zählte man 1740 nur 4 Wirts- und Badehäuser, die nur unzureichend eingerichtet waren. Die Gäste, die von Mülhausen und Basel zur Kur kamen, mussten ihre eigenen Möbel und Betten mitbringen.
Quelle: Werner Schenkendorf: „Zur Kulturgeschichte der Schwarzwaldbäder“, „Der Schwarzwald“, 1922.
Lässigkeit der Wirte
In Badenweiler gab es um die Mitte des 18. Jahrhunderts 4 Gasthöfe. In einem Bericht, der dem Markgrafen von Baden-Durlauch zugeleitet wurde, beklagte sich der Schreiber über die Lässigkeit der Wirte. Diese wären auch verantwortlich, dass dieses Bad an Kredit verliere. „Sie glauben, dass der vornehmste Badegast, wie sie, mit einem groben Bett, hölzernen Stühlen, einer dunklen Cammer und ungehobelten Tischen sich begnüge, dass er Rind- und Hammelfleisch mit Kraut-Salat und Speck esse.“ Die vorgeschlagenen Verbesserungen wurden von den starrsinnigen Wirten in den Wind geschlagen.
Mit 1200 Pferden nach Wildbad
Herzog Karl-Eugen (1744–1793) war ein Pferdeliebhaber und an der Zucht in Marbach besonders interessiert. Er hielt sich hier des Öfteren auf, und erliess Anordnungen im Zuchtbereich. So wählte er geeignete Stuten und Hengste für die Zucht persönlich aus. Er unternahm Reisen, nur um andere Pferderassen kennen zu lernen. Bevor er die Schlösser seiner Freunde betrat, suchte er erst die Pferdeställe und Reithäuser auf. Für seine eigene Zucht kaufte er die besten Pferde ein. So erwarb er beispielsweise auf seiner Reise durch norddeutsche Länder und Dänemark 67 Pferde von 17 verschiedenen Züchtern. Pferde brauchte er besonders für seine Hofhaltung in Stuttgart und Ludwigsburg. Als er sich einmal mit seinem Hofstaat nach Wildbad zur Kur begab, wurden 1200 Pferde benötigt.
Quelle: „Baden-Württemberg“ – Eine Heimat- und Landeskunde, Ernst Klett Verlag, Stuttgart 1992.
Das wunderbare Schauspiel
In Esslingen wurden gesonderte Badeplätze für erwachsene „Manns-Personen“, Knaben, erwachsene „Frauenzimmer“ und für jüngere Mädchen abgesteckt. In einem Leserbrief aus dem Jahre 1848 wird deutlich, wie in den Bädern zu jener Zeit auf Sitte und Moral geachtet wurde. Hier ein Auszug:
„Wer gegenwärtig anschauliche Betrachtungen über Schamhaftigkeit anstellen will, begebe sich auf den Badeplatz der Männer, oberhalb des Wasserhauses, und er wird über den Anblick erstaunen, der sich darbietet. Da sieht man an schönen Tagen ein Gewimmel von alt und jung, gross und klein, Knaben von 3 bis 14 Jahren, Jünglinge und Männer. Ja, letzten Sonntag hatte man das wunderbare Schauspiel, einen Herrn mit zwei Mädchen von drei bis vier Jahren baden zu sehen. Ach, das war eine Lust, die grosse Teilnahme zu betrachten, mit welcher diese unschuldigen Kinder auf die Badenden blickten. Ob sie philosophische Betrachtungen über die Gleichheit und Ähnlichkeit der Dinge anstellten, ist zu bezweifeln, denn dazu sind sie noch zu jung! Sie werden aber später desto gelehriger sein! Schlimme Reaktionsmänner haben zwar gegen diesen Liberalismus dem jungen Volk gegenüber geeifert und während des Badens in den Bart gemurmelt: ,Man solle diesen Unfug nicht dulden’, ja, einer hatte die Kühnheit, zwei 9-jährige Knaben fortzuweisen. Aber immer noch gilt das alte französische Wort: Schlecht ist der, der Schlechtes denkt!“
Quelle: „Geschichten aus Alt-Esslingen“ von Lisel Agner,Verlag Bechtle, Esslingen 1982.
Liederliche Bürgersöhne und schlechte Dirnen
Alloys Schreiber , Bibliothekar und Historiograph, schreibt im Jahre 1800 über das Badenleben in Baden-Baden Folgendes: „Was lässt sich von einem solchen Hause (Promenadehaus) erwarten ... darinnen nicht Kurgäste und distingierte Personen ausschliesslich eine Ergötzlichkeit, wie es jedoch geschehen sollte, geniessen, sondern sich Bauernknechte und Mägde, Handwerkspursche, lüderliche Bürgersöhne und schlechte Dirnen versammeln, halbe Nächte tanzen, spielen, zechen, raufen und jeden Muthwillen, der die guten Sitten beleidigt, die Unschuld verführet und das Vermögen öfters erschöpfet, gegen die bestehende und schon mehrmals erneuerte Polizei-Verordnungen, auch öffentliche Ermahnungen des Seelsorgers treiben“. Des Weiteren bemerkt der Chronist, dass schon um 4 Uhr am Nachmittag, also kurz nach dem Mittagsmahl, ein Ball veranstaltet wird, der bis 8 Uhr abends dauert. Alloys Schreiber: „...Bei diesem Menschengewühl werden meist nur tobende Walzer getanzt, dagegen sollte die medizinische Polizei sich aus Kräften sträuben. Neben den Kurgästen waren in diesem Haus auch noch Gaukler, Seiltänzer, Kunstreiter, Kuriositätenkrämer, Possenreisser und ein Karusell, Bankhelden, Abenteurer, Industrieritter und Zierbengeljunker zu finden, die planvoll herumstolzieren.“
Paracelsus und die Badezeiten
In früheren Zeiten galten lange Badezeiten als besonders gesund. So empfiehlt Johannes Widmann, ein Baden-Badener Arzt des 15. Jahrhunderts eine 9-stündige Badezeit. Auch der Strassburger Otto Brunfels plädierte 1535 ebenfalls für ausgiebige Badezeiten. Der Badende solle zunächst mit 4 Stunden, dann 6 und vom 6. Tag ab über 8 Stunden baden, und das 24 Tage lang. Gegen diese kräftigen und gleichartigen Badekuren wandte sich Paracelsus. Er sprach sich für eine der Krankheit und Person angepasste Badekur aus. Er verwarf entschieden jede Festsetzung einer bestimmten Stundenzahl. Die Empfehlungen Paracelsus wurden lange Zeit nicht beachtet. Im Gegenteil, der „Reformator der Medizin“, wurde von etlichen Ärzten verhöhnt. Der hohenlohische Leibarzt Behr schrieb 1753 sogar das folgende Schmähgedicht.
„Konnt Paracelsus je mit seinen Elementen,
Mir, wie er gröblich log, so manches Übel wenden?
Sein flüchtiger Mercur, sein Schwefel und sein Saltz,
War ein toll’ Geschrey aus seinem frechen Hals.
Allein, was half es denn? Der Einfluss seiner Sternen,
Konnt dieser etwa noch der Menschen Weh, entfernen?
Nein! Nein! Wahrhaftig nein! Der gute Theophrast
Fiel meinen Kranken nur noch immer mehr zu Last.
Er machte nichts als Wind, statt feines Gold zu machen;
Und verderbte volls die vor so schlechten Sachen!
Ja! Der so hoch geschwatzt, ging letztens noch nach Brod
Und starb, wie jeder weiss, im Lazareth aus Noth.“
Später wurden Baderegeln festgelegt und vor zu langem Baden gewarnt. So besagt beispielsweise die fünfte Baderegel nach Riff, dass Menschen, die zu lange baden, ganz schwach, kraftlos und ohnmächtig werden können. Lange Bäder „verzeren die natürliche feuchte und leblichen geyst.“ Weitere Regeln warnen vor dem Essen während des Badens, auch solle man sich nach dem Bade ausruhen.
Leucippäus (1593), der von den paracelsischen Lehren beeinflusst war, meinte, die Badezeiten sollen sich nach dem Zustand des Kranken richten. In Betracht gezogen werden sollte, ob der Badende stark oder schwach, kalt oder hitzig, feist oder mager, jung oder alt, krank oder gesund sei. Er bemerkte, eine 8-stündige Badezeit sei ein Wagnis, er empfahl dagegen eine Badedauer von 4 Stunden über den ganzen Tag verteilt. Scharf wetterte Matthäus (1620) über die Sitten der Badegäste, die oft 10 Stunden im Bade sitzen, bis in die Nacht hinein baden, im Bade schlafen, essen und trinken. Die Folge sei, wie der Arzt meinte, dass viele Kurgäste ungebessert nach Hause ziehen. Die Ärzte hatten es zu jener Zeit sehr schwer, gegen die Unsitten im Badewesen anzugehen. Erst als die Franzosen 1689 Baden-Baden niederbrannten, wurde die alte Zeit mit den Unsitten ad acta gelegt. Nun war wieder eine Zeitlang das Gegenteil der Fall. Manche stiegen in das Wasser und liessen dieses höchstens bis zum Bauchnabel steigen, wiederum andere tauchten bis zum Hals ins kostbare Nass.
Quelle der letzten drei Episoden:„Aus Baden-Badens Bau-, Kur- und Kulturgeschichte“ von August Stürzenacker und „Wann und wie einst in Baden-Baden die Badekur gebraucht wurde“ von Oskar Rössler, in „Der Ufgau“, Badische Heimat, 1937.
Feine Leute klauten wie die Raben
Offiziere, hohe Beamte, Gelehrte, Adelige, Vertreter des Hauses Fürstenberg, Bürgermeister, Geistliche und Ärzte weilten schon im 18. Jahrhundert in Bad Rippoldsau zur Kur. Trotz der feinen Gesellschaft und der „gesitteten Welt“ fehlten am Ende der Saison einige wichtige Utensilien wie silberne Löffel, Tee- und Kaffeeschalen, Salzbüchsen, Schreibzeug und Tafeltücher.
Ehrbar und bescheiden aufführen
In der Bad Rippoldsauer Badeordnung aus dem Jahre 1762 wurden die Gäste so ermahnt: „Des morgens von 7 bis 8 Uhr sollen sich sämtliche Badegäste mit ihren Curen, als besonders mit Thé, Caffée, Chocolade, Wein-Waaren, Sauerbrunnen, Kraut-, Kachel- und Blattenmues, Butterschnitten und was dergleichen mehr ist, im grossen Saale einfinden. Die, so nicht in das Bad gehen, sollen sich von 9 bis 10 Uhr still ehrbar und bescheiden aufführen und mit etwas nützlichem beschäftigen. 10 bis 12 Uhr ist zum Spazieren bey schönem Wetter, und beym Regen zum Spieln, Conversieren, und unschuldigen Belustigungen gewidmet. 12 bis 1 Uhr zum Mittag-Essen, doch sollte es auf eine Viertelstund mehr oder weniger nicht ankommen. 1–2 Uhr zum Caffée, wer aber keines trinkt, mag sich indessen mit etwas anderem erquicken; doch ist in dieser Stunde der Chocolade gänzlich verbotten.
5 bis 8 Uhr zu einem Spaziergang vor die ganze Gesellschaft; wenn aber wider alles Erwarten Regen einfiele, so könnte aus Desperation gespielt werden. 8 bis 9 Uhr Nachtessen. Von 9 bis 11 Uhr wäre der Tag mit einem Ehrentänzlein oder einer anderen angemessenen Ergötzlichkeit zu schliessen. Um 11 Uhr sollen alle und jede sich ins Bett verfügen, und eine allgemeine Stille regieren, besonders wenn sich jemand unter den Badegästen nicht wohl befinden täte.“
Arzt verbot sitzende Beschäftigung
Amtsarzt Dr. Boos, der die Schrift „Beobachtungen über die eigenthümlichen Wirkungen der Heilquellen zu Rippoldsau und der Bäder“ (1833) verfasste, gab Regeln für eine gut genutzte Kur heraus. Hier einige dieser Empfehlungen: „Die Kleidung sey niemals eine sogenannte Sommertracht. Ferner sollte überall das Begrüssen durch Abnehmen des Hutes während der Kur unterlassen bleiben. Der Raucher darf zum Frühstück sich seiner Pfeife keineswegs enthalten.“ Auch für Gelehrte und Denker hatte er einen Ratschlag. Er verbot ihnen eine sitzende Tätigkeit, vielmehr sollten sie einen „Ideen-Austausch mit interessanten Frauen“ pflegen. Bei den Getränken war er unerbittlich: „Hinsichtlich der Getränke muss ich bemerken, dass die Nymphen keine Freundinnen des Bacchus sind.“
Peitschenknallen verboten
In der ortspolizeilichen Vorschrift aus dem Jahre 1908 wurde u. a. folgendes Verbot aufgenommen: „Das übermässige laute zwecklose Knallen mit der Peitsche innerhalb der Ortsteile Rippoldsau-Klösterle und Rippoldsau-Bad ist verboten.“ Zuwiderhandlungen wurden mit 60 Mark oder 14 Tage Haft geahndet.
Fünf Zentner Fruchtbarkeit
Immer wieder wird in Schriften auf den gesunden Menschenschlag in der Gegend von Bad Rippoldsau hingewiesen. Ein Kurgast namens Weinbrenner, der im 19. Jahrhundert in Bad Rippoldsau kurte, sprach folgende Empfehlung aus: „Diejenigen Kurgäste, die wegen der Fortpflanzung ihrer Familien besorgt sind, machen zur Erheiterung ihrer frommen Wünsche nicht selten eine Exkursion zu einer eineinhalb Stunden von dort entfernt wohnenden Bauernfamilie, die unter dem Namen Seebenbauer bekannt ist, wo der Mann mit der Frau zusammen 5 Centner wiegt, und die zusammen schon 17 Kinder erzeugt haben.“
Moorbad für blasierte Männer
Heinrich Hansjakob bemerkt in seinem Werk „Abendläuten“ (21. Mai 1897): „In neuester Zeit sind die Moorbäder wieder aufgekommen und als allerneuestes Heilmittel die elektrischen Bäder. Flugs verlangen alle hysterischen Weiber und alle blasierten Mannsleute nach diesen Modebädern (...) Drum muss der ehrliche Göringer Moorboden von Franzensbad in Böhmen an den Fuss des Kniebis kommen lassen. Ich würde meinen Wagen füllen an irgendeinem Torfstich auf dem Kniebis und die Leute in diesem Schlamm baden lassen. Und ich bin überzeugt, die Wirkung wäre die gleiche; denn der Glaube, in böhmischem Schlamm zu baden, würde völlig hinreichen, die Leute gesund zu machen. Denn auch bei leiblichen Heilmitteln gilt der Satz, dass der Glaube an dieselben selig und gesund mache.“
Das Fazit seines Kuraufenthaltes fiel negativ aus: „Je mehr die Bequemlichkeit, Genüsse und Bedürfnisse des Lebens wachsen, umso blasierter, entnervter und kränker wird die Menschheit und umso unzufriedener und damit unglücklicher.“ Treffende Worte, die auch heute noch Gültigkeit haben.
Quelle der letzten sechs Episoden: „Bad Rippoldsau“ von Adolf Schmid, herausgegeben von der Gemeinde Bad Rippoldsau 1966.
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