Fremd
Der Fremde wettert. Blitz und Donner durchfahren sein Umfeld. Damit sichert er sich den grossen Raum, den er in der Warteschlange eingenommen hat. Eine alte Frau hatte sich erkundigt, ob er auch anstehe oder vielleicht auf jemanden warte. Es war nicht auszumachen, ob er auf einen Menschen oder auf das Bedient-Werden am Schalter warte. Eine freundliche Frage, für ihn allerdings in einer Fremdsprache gestellt, hatte genügt, dass er explodierte.
Fremdsein ist schwer, besonders wenn es von Vorurteilen der andern Kultur gegenüber genährt ist oder wenn sich die eigene Autorität in Frage gestellt sieht. Die Angst ist ständig auf der Lauer und verunmöglicht, eine harmlos gestellte Frage locker zu beantworten.
Auch am Brotstand wundere ich mich jeweils, wenn ich die schöne Griechin beobachte. Sie ist eine tüchtige Verkäuferin, korrekt und kompetent. Doch keiner Schweizerin und keinem Schweizer schenkt sie je ein so freundliches Lächeln wie ihren Landsleuten. Nur der Klang ihrer eigenen Sprache scheint ihr Sicherheit zu geben, nur er lässt ihre Augen leuchten.
Ich freue mich auf den Tag, an dem sie sich auch im Schweizerdeutschen wohlfühlt.
Rita Lorenzetti
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