Ich bin gläubiger Christ und frage mich als solcher, was ich von der Rockoper "Jesus Christ Superstar" halten soll. Ist das eine religiöse Erbauung oder nicht doch eher eine Blasphemie?
E.Sch., 2504 Biel/Bienne
Antwort: 1971 als Broadway-Musical geboren, erweist sich Jesus Christ Superstar immer noch als Marktrenner par excellence. Weshalb? Wahrscheinlich, weil man beim Besuch dieses kitschigen Bühnenwerks mit über 100 Mitwirkenden so schön unverbindlich in falschen Gefühlen schwelgen kann. Dafür bezahlt man offenbar gern einen Eintrittspreis zwischen 35 und 138 Franken (Ticketpreise im Basler Musical-Theater).
Ihre Zweifel am christlichen Hintergrund dieses süsslichen Musicals über "die letzten 7 Tage im Leben des Jesus von Nazareth" sind berechtigt: Hier wird nicht nur religiös verbrämter Kommerz geboten, sondern zu allem Überfluss auch noch pseudo-erotischer Schwulst, dekoriert mit Streicheleinheiten der Maria Magdalena gegenüber dem Todgeweihten. Mit Recht singt sie "I don't know how to love him" ("Ich weiss nicht, wie ich ihn lieben soll"). Vergeudete Liebe...
Angesichts dieser Geldmacherei made in USA müsste der "Superstar" in blau-weissem Gewand sowohl die Crew seiner Show als auch das Publikum aus den Theatersälen fegen, in denen er auftritt, so wie er vor 2000 Jahren die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel gejagt hatte. Aber dem bleichen Softie auf der Bühne ist eine solche Tat nicht zuzutrauen. Er ist nach dem amerikanischen Muster gestrickt, das vor allem den Politikern des Landes gefällt, in welchem er geschaffen wurde: kritiklos gegenüber dem Regime und damit ohne Gefahr für die Machenschaften der Businessmen und der War Lords. Mit einer solchen Gestalt kann man die Massen "gaumen"[1], sie stört das politische Getriebe nicht im Geringsten und ist erst noch ein Kassenmagnet in der so genannten Kulturszene, die nicht davor zurückschreckt, selbst die Religion als Aushängeschild für erfolgversprechende Massenveranstaltungen zu missbrauchen.
Lislott Pfaff
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[1]"gaumen" ist ein Helvetismus und bedeutet etwa pfleglich behüten.
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