Die „Abschaffung“ der grossen Sandwüste in Abu Dhabi
Die Flagge der Vereinigten Arabischen Emirate enthält einen grünen Streifen. Symbolisch kann man diesen heute auf das Emirat Abu Dhabi und seinen Herrscher Scheich Zayid an Nahayan beziehen, der seit seinem Regierungsantritt 1966 energisch ein Programm zur „Begrünung der Wüste“ verfolgt. Dieses zeigt, nachdem es anfangs nur belächelt wurde, inzwischen Zweck und Methode, indem nicht nur Baumstreifen entlang allen Hauptstrassen, sondern sogar echte Wälder in den Dünensanden angepflanzt wurden.
In der Anfangszeit, vor rund 3o Jahren, hatte man gern exotische Blaumatten wie Eukalypten und Kasuarinen verwendet. Nachdem man mit diesen einige Fehlschläge erlebt hatte, zieht man heute fast ausschliesslich einheimische Gehölze heran, wie sie unter günstigen örtlichen Umständen auch von Natur aus vorkommen. Solche sind Dattelpalme, verschiedene Akazienarten, Tamarisken, Ziziphus spina christi und vor allem der Ghaf-Baum(Prosopis cineraria), welcher mittelhohe Stämme und ein relativ dichtes Laubdach ausbildet und als Leguminose überdies den Boden mit Stickstoff anreichert. Alle diese Pflanzen sind Tiefwurzler. Sie können in reifem Alter auch das tief im Sand gespeicherte Porenwasser erreichen und daher mehrjährige Dürren überstehen. Freilich ist bei Anpflanzungen zunächst viele Jahre lang eine Tröpfchenbewässerung erforderlich.
Manche Baumarten wie z. B. Eukalyptus sind dafür zu „faul“. Sie wachsen zwar rasch in die Höhe, bilden aber ihre Wurzeln nur im engsten Umkreis ihrer Wasserquelle aus, so dass sie ein Sturm später leicht umwerfen kann.
Solche Aufforstungsstreifen, mindestens 4 Baumreihen breit, begleiten inzwischen auf beiden Seiten alle Hauptstrassen des Emirats. Sie bilden oft schon richtige Dickichte, worin der Sandboden ständig beschattet ist. Will man etwa als Tourist die Sande des Rub’ al Khali sehen, so muss man auf Nebenstrassen weit hinausfahren. Üblicherweise bleiben die Sanddünen fast unsichtbar, was die Besucher auch etwas frustrieren kann.
Wo reichlicher Wasser zur Verfügung steht, werden auch grossflächige Anpflanzungen in riesigen Blöcken angelegt und gewöhnlich bereits als „forests“ bezeichnet. Die grössten davon bedecken Areale von 30 bis 50 km 2 . Die Bäume sind hier maximal 15 bis 20 Jahre alt. Dennoch haben auch die sehr langsamwüchsigen Ghaf-Bäume schon richtige Stämme ausgebildet. Eine forstliche Nutzung findet noch nicht statt. Sie wäre aber wohl bald denkbar, denn Ghaf war traditionell immer ein wichtiges und seltenes Nutzholz.
Woher kommt das Wasser? Offenbar ist in weiten Teilen des Rub’ al Khalis salzhaltiges Grundwasser reichlich auffindbar, das für andere landwirtschaftliche und städtische Nutzungen nur wenig in Betracht kommt. Die Aufforstungen kommen mit recht hohen Salzanteilen im Wasser zurecht (4500−8000 ppm = Millionstel); Dattelpalmen, Tamarisken und Mezquite auch 20 000 ppm und mehr). Ansonsten nutzt man den rezenten Wadiabfluss aus den omanischen Bergen, im Umkreis der Städte auch wiederaufbereitetes Abwasser und zum geringen Teil auch Süsswasser aus Brunnen und Entsalzungsanlagen.
Abu Dhabi ist fast zur Gänze Sandwüste gewesen und hat einen mittleren Jahresniederschlag von nur 40−80 mm, wovon vielleicht 1o−4o mm tiefer in den Boden einsickern. Da ein reifer Baum etwa 16−22 Kubikmeter Wasser pro Jahr braucht, wofür etwa 15 Dirhem (derzeit 3,3 Euro) aufzuwenden sind, verursacht ein solches Programm hohe laufende Kosten. Dazu kommen heute in Abu Dhabi 20 700 Farmen mit etwa 157 000 Hektar Nutzfläche. Das Areal der Aufforstungen ist nicht näher bekannt, kann aber auf etwa das Vierfache geschätzt werden.
Schwerpunkte dieses „Greening of the Desert“ sind in Abu Dhabi – von den 6 anderen Emiraten soll hier abgesehen werden – die Region um die Hauptstadt und die Zonen entlang der Strassenachsen nach Westen, Osten und zur Wüstenstadt Al Ain. In letzterer finden sich auch intensiver Gemüseanbau und auch Getreideanbau. Ausgedehnte Grünzonen begleiten die neue Strasse von Al Ain gegen Süden entlang der omanischen Grenze, wo vornehmlich rezentes Grundwasser genutzt wird. Gegen Westen folgen die Regionen Dhafra rund um Madinat Zayed und Bainunah ganz im Westen des Landes östlich von Ruwais.
Zum Kernstück sind jedoch die Liwa-Oasen geworden. Aus einigen dürftigen Dattelpalmoasen ist hier eine in Ost-West-Richtung über l00 km lange und an die 10 km tiefe Agrarlandschaft, umgeben von neuen Wäldern, geworden. Aus dieser ragen die Rücken der bis zu 70 m hohen goldfarbenen Sanddünen heraus, von denen aber einige auch schon begrünt sind. Hier ist eine neuartige Kulturlandschaft von eigentlichem Charme entstanden. Sie hat auf der Welt noch kein Gegenstück, schiebt sich hier aber laufend weiter in die Mulden zwischen den riesigen Dünen hinein.
Rund 8ooo km2 begrüntes Land bei einer Gesamtfläche von 67 000 km2 für Abu Dhabi sind keine Kleinigkeit mehr. Vielmehr betonen sie die Energie, mit welcher die „Abschaffung der Wüste“ betrieben wird. Diese Umgestaltung wird relativ nachhaltig sein, weil in Abu Dhabi weder Wasserknappheit noch Geldmangel zu befürchten sind. Nebeneffekte sind Bodenverbesserung, die Bereicherung der sonstigen Fauna und Flora und auch verstärkter Taufall.
Zwar erscheint die Sandwüste abseits der Agrar- und Aufforstungszonen noch immer unendlich gross und lebensfeindlich. Beides ist sie aber kaum mehr, denn auch dort werden überall Wasserstellen geschaffen und sind Leitungen vorhanden, die sich samt den grünen Flecken zu einem immer engeren Netz verdichten. Den Geist der einheimischen Bevölkerung, mag er auch europäischen Augen recht exotisch erscheinen, dokumentieren die „grünen Hügel“ des Landes. Hier hat man Dünen- und Felshänge mit einem rasenartigen grünen Pflanzenteppich aus einer kleinen Sukkulente überzogen, die sichtlich allein ästhetischen Ansprüchen dienen. Darunter ist auch jene Sanddüne, bei deren Besteigung mir vor 20 Jahren der glühendheisse Sand gründlich die Füsse verbrannte.
PS.: In Madinat Liwa steht inzwischen ein ganz neues Hotel, von dem aus man die Gegend gut erkunden kann.
Prof. em. Wigand Ritter
Landsbergerstrasse 26/10
A-3100 Sankt Pölten
April 2005
*
* *