Textatelier
BLOG vom: 06.08.2005

Und sie sagten kein Wort ...: Beispiel Niger (Nigerien)

Autor: Emil Baschnonga

Ich bin betroffen: Schon im November 2004 wurde vor der Hungersnot im zentralafrikanischen Binnenland Niger (nicht mit Nigeria zu verwechseln) gewarnt. Sie erfasste nicht nur Niger, sondern auch umliegende Armutsländer in der Sahara-Wüstenregion (Sahel): Burkina Faso, Mali, Mauretanien. Ich wusste nichts davon, weil diese Tatsache beim Gedächtnisschwund der anderweitig beschäftigten Weltpresse bestenfalls einige Randnotizen ausgelöst hat. (Ich selbst habe das Land Niger in Tagebuchblättern am Rande gestreift: Siehe das Blog vom 4. 4. 2005 „Der alte Handatlas, der mich nachdenklich macht“ und auch das „,Life-8’-Debakel“, dem das Blog vom 6. 7. 2005 galt.)

Anlässlich des erwähnten „Live-8“-Volksfests im Hyde Park in London, das mit grossem Trallala angeblich zu Gunsten von Afrika durchgeführt worden ist, wurde Niger mit keinem Wort erwähnt. Im Rock-Konzert-Spektakel verblasste Afrika ganz und gar, wie das ausgedörrte Niger, von der Heuschreckenplage und hungrigen Quelavögeln heimgesucht, die alles ratzekahl frassen. Das grosse Kindersterben hatte unterdessen schon längst begonnen.

Auch Gordon Brown, der sich grosssprecherisch als Kreuzzügler gegen die Armut aufspielt, hat mit keinem Sterbenswörtchen den Notstand in Niger in seiner Rede am G8-Gipfeltreffen in Gleneagles erwähnt.

Mit Recht kritisierte dafür der Gründer der „Médecins Sans Frontières“, Bernard Kouchner, diese Vergesslichkeit, die Leben kostet, scharf. Ausser dem vermaledeiten Uran gibt es in Niger nichts zu holen – keinen Tropfen Erdöl. Das erklärt diese gravierende Vergesslichkeit zwar, entschuldigt sie aber keineswegs. Auch mit dem Achselzucken abgetan „besser spät als nie“ bleibt sie ein Armutszeugnis einem der allerärmsten Länder dieser Erde gegenüber.

Endlich ist das Weltgewissen wachgerüttelt, weil nach der langen Dürre die Fahrzeuge im Regenmorast stecken bleiben und lange brauchen, bis sie die abgelegenen Teile von Niger erreichen: Die Hilfe kommt zu spät für viele ausgemergelte Kinder.

Nach dem genehmigten Schuldenerlass auch für Niger lastet die Schuld nun nicht mehr auf Niger, sondern nach wie vor auf dem Gewissen jener, die sich mit grossen Fanfarenklängen für ihre Afrika-Hilfe brüsten.

Ich lese und entnehme aus dem kürzlich aufdatierten CIA-The World Factbook zu Niger Folgendes:

„Dieser ehemalige französische Kolonialstaat ist seit 1960 unabhängig, doch bleibt immer noch sehr von Frankreich abhängig. In Niger leben rund 11 Millionen Menschen, in viele Stämme aufgeteilt. Ihre Lebenserwartung ist 42 Jahre. Insgesamt umringen Niger 7 andere Länder: Algerien, Benin, Burkina Faso, Tschad, Libyen, Mali und Nigeria – also vorwiegend arme Länder, von geringem Interesse für die übrige Welt.“

Laut http://allafrica.com/niger/ erreichen Notspenden jetzt Niger, selbst vom Vatikan … (Summe unbekannt). Andere Organisationen leisten Beistand, worunter UN-Agenturen mit $ 75 Millionen; USAID mit $ 13 Millionen, entsprechend dem Wert, den sie Niger zuschreiben; UNICEF verteilt 1,7 Tonnen Medikamente, von Frankreich gestiftet. Das ist ein Pappenstiel verglichen mit dem, was einige Industriekapitäne im Jahr verdienen … (Ich habe mir vorgenommen, demnächst darüber ein Blog zu schreiben.)

Auch die anderen von akuter Hungersnot bedrohten Länder, so hoffe ich, werden wie Niger nicht vergessen, obschon sie nichts abwerfen. Das wäre wirklich ein Fortschritt, der an die Stelle des ablenkenden Gefasels der Politiker treten müsste.

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