Textatelier
BLOG vom: 16.01.2006

Über die Ironie und die Freiheitsstatue am falschen Ort

Autor: Emil Baschnonga, London
 
George Bernard Shaw hat es ironisch herrlich getroffen: „Ich bin bekannt für meine Ironie. Aber auf den Gedanken, im Hafen von New York eine Freiheitsstatue zu errichten, wäre selbst ich nicht gekommen.“
 
Die Kunst der Ironie ist vergleichbar mit dem Aufstrich aufs Wortbrot. Es muss dick bestrichen werden, damit es dem Leser schmeckt; zu dünn aufgetragen, bemerkt er selbst die kunstvollste Ironie selten.
 
Die Ironie, wenn sie im Titel verbrämt daherkommt, kann wirksam sein, etwa: „Don’t mention the war, you might be arrested.” (Erwähne den Krieg nicht, du könntest verhaftet werden.)
 
Unter diesem Titel streute Simon Heffer kürzlich im „Evening Standard“ eine gehörige Dosis Ironie ein: „Just to ensure this becomes an ever-happier country to live in, the Government is strengthening our police state even more from tomorrow.” (Einfach um sicher zu sein, dass dieses Land ein immer glücklicheres wird, verstärkt die Regierung weiterhin unseren Polizeistaat ab Morgen.“)
 
Nach diesem Einleitungssatz zieht er los und legt dar, wie nach den neuen Gesetzeseinschüben jedermann für Bagatellen gleich welcher Art verhaftet werden kann, wenn dieser Jedermann das Pech hat, von einem pflichteifrigen Polizisten erwischt zu werden, etwa wenn er sich im Auto nicht sekundenschnell anschnallt oder kurz auf einem doppelten Streifen anhält, einfach weil er niesen muss oder sich schnäuzen will.
 
Ein Verbrechen ist es heutzutage auch, wenn jemand eine McDonald’s Verpackung fallen lässt. Diese Verpackungsform heisst ja klipp und klar „Wegwerfpackung“ ... Einst genügte ein schiefer Blick von einem Passanten. Manchmal hob dieser das Übel erst noch von der Strasse auf und entsorgte es im nächsten Abfallkübel. Der in England gepflegte Leitsatz „Live and let live“ (Leben und leben lassen) ist inzwischen ausgestorben.
 
Jetzt werden pflichtsäumige Eltern, die ihre Kinder nicht in Zucht nehmen, in die Elternerziehung eingewiesen. Soweit hat es der angeprangerte „Nanny State“ (Kindermädchen-Staat) mit seiner „Null-Toleranz“ gebracht. Der aufgebrachte Bürger sollte diese Null-Toleranz über den Staat verhängen, zuvorderst über die „Vereinigten Staaten von Amerika“, die mit der Freiheit Schindluder treiben, bis wir nur noch Sternchen auf unserer Fahne sehen.
 
Als Kind rügte mich eine ältere Dame auf der Dreirosenbrücke in Basel, weil ich dort geflucht hatte: „Du meinst es doch nicht im Ernst, dass Gott dich verdammen soll, oder?“ Seither wähle ich das Ersatzwort „Gottfried Studebecker“.
 
Der „Bingis“ (Bube), der mich beim Strassenfest in Bad Honnef dabei erwischte, als ich achtlos einen Zigarettenstummel gegen eine Dole spickte, hat mich zurechtgewiesen: „Das ist verboten!“ Recht betreten sagte ich „Pardon“ und schubste den Stummel in die Dole. Wer weiss, das nächste Mal muss ich wohl den Dolendeckel abheben und den Stummel herausfischen. Jawohl, Ordnung muss sein! Das werde ich mir endlich einschärfen müssen, wenn ich den Fussgängerstreifen bei Rot überqueren will, wenn weit und breit kein Auto in Sicht ist. Das Argusauge der Kamera überwacht mich.
 
Die Ordnungshüter kennen kein Erbarmen mehr. Eine Warnung reicht nicht mehr aus. Unterdessen entschlüpfen die Kriminellen straffrei, dank eines technischen Versagens oder einfach, weil die Gerichte überlastet sind.
 
Ach ja, ich dachte, ich hätte zur Ironie etwas zu sagen: Manchmal grenzt die Ironie an Sarkasmus. Am besten trennt man die beiden: Ironie ist ein Würzmittel in der Sprache; Sarkasmus ist ein Klappmesser. Der Sarkasmus sticht bösartig zu und will verletzen. Dieses Mittel wird am besten für George W. Bush und Konsorten aufgespart – der Freiheit zuliebe.
 
Warum die kleinen Freiheiten zu Wort kommen lassen, wenn es die grossen nicht mehr gibt? Weg mit diesen Schmarotzern im Gedärm der Nation!
 
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