BLOG vom: 29.01.2006
Wie die grosse Liebe vom Rad fiel – oder in die Hand ...
Autor: Emil Baschnonga
Mit diesem Titel wird nicht ausgeschlossen, dass die grosse Liebe nicht auch vom Himmel kommen kann. Hier aber werden 2 „Liebesfälle“ geschildert, wie sie nicht alle Tage vorkommen, und von denen ich auf Umwegen erfahren habe. Ich erzähle sie in diesem Blog einfach zum Spass weiter.
Die beiden Paare kannten einander gut und kamen ausgezeichnet miteinander aus. So verbrachten sie gemeinsam die Sommerferien in der Nähe von Cadiz in Spanien. Die beiden Herren waren sogar Jugendfreunde. Meistens gehen alte Freundschaften nach der Heirat auseinander, weil entweder die bessere oder die schlechtere Ehehälfte diesen oder jenen Freund oder Freundin aus der Vergangenheit nicht ausstehen kann. In diesem Fall fanden die Frauen einander sehr nett, so sehr sogar, dass sie zu Freundinnen wurden. Jetzt waren sie auf einem Bummel durch die engen Gassen von Cadiz, wo die Siesta die Einkäufe auf den Abend verschiebt.
Unterdessen sassen Kurt und Franz schon auf dem Vorplatz eines Restaurants, wo sie später allesamt zu essen gedachten. Die glühende Sonne, etwas von den Bäumen gemildert, wurde aufgefangen. Der Kellner stellte den 2. Sherry vor ihnen ab.
„Wie bist du eigentlich zu deiner charmanten Frau gekommen?“ fragte Kurt seinen Freund einigermassen unverhofft.
„Merkwürdig, wir wissen so viel voneinander“, wunderte sich Franz, „aber tatsächlich haben wir einander diese Frage noch nicht gestellt …“
Er konnte ein Schmunzeln nicht verkneifen, als er begann: „Also denn: Ich lebte und arbeitete damals, wie Du weisst, in Amsterdam. Nach einem Geschäftsbesuch in Den Haag ging ich früh am Abend Richtung Bahnhof, noch ganz in Gedanken versunken. Ich gab nicht Acht und geriet auf die den Radfahrern vorbehaltene Fahrbahn. Mit einem Schwenker gelang es einer Radfahrerin, mir gerade noch im allerletzten Augenblick auszuweichen. Zu meinem Glück stürzte sie vom Rad, und ich fing mein Glück auf. Ich hielt das Geschöpf sehr fest in meinen Armen. Die Räder ihres Fahrrads drehten sich noch, als ich sie absetzte und mich gebührlich entschuldigte. Es fügte sich, dass nebenan eine Konditorei war. Sie müsse sich gewiss vom Schrecken erholen… vielleicht am besten dort, deutete ich gegen die Konditorei, und ich lud sie zu einem Kaffee ein.
Sie bestellte eine Tasse Schokolade und ich auch. Es war Winter. Sie trug eine drollige, weisse Zipfelmütze, an der ich neckisch zupfte. „Ach so“, sagte sie und hob die Mütze ab und legte sie über ihre Lammfelljacke. Ihr blondes Haar trug sie, wie es damals als schick galt, als „Pferdeschwanz“. Von der kalten Luft oder vielleicht von der Schokolade erwärmt, waren ihre Wangen lieblich gerötet. Sie war eine Studentin im letzten Semester und bereitete sich wacker auf den Abschluss vor. Übrigens hatte ich ihren Sack, mit Büchern voll gestopft, vorher von der Strasse aufgelesen.
Besorgt schaute sie plötzlich auf die Uhr. Sie müsse sich jetzt sputen, sagte sie, und erhob sich. Mein Herz litt. Aber mein Einwand, dass man viel besser studiere, wenn man zuerst etwas gegessen habe, fand ihr Gehör. So genoss ich noch für eine weitere Stunde mein Glück. Ehe wir uns trennten, gab sie mir ihre Adresse. Ich war dann dabei, als sie ihre akademische Auszeichnung erhielt. Der Frühling war inzwischen angebrochen. Wir trafen uns so oft wir konnten. Der Rest der Geschichte liegt auf der Hand.”
Da lachte Kurt hellauf: „Auf der Hand hast du gesagt!“ Jetzt lag es an ihm, zu bekennen, wie er seine grosse Liebe gefunden hatte.
„Ich wohnte damals, wie Du weisst, in einem ‚Boarding House’ in London", begann er. „Ein junger Chinese lud auch mich zu seiner Geburtstagsfeier ein – ebenfalls im Winter. Diesmal brauchte ich der miesen Kost im Boarding House nicht zu entfliehen. Im Speisesaal, auf den Tischen beim Fenster, lagen viele chinesische Spezialitäten auf, die mir herrlich schmeckten. Auch fehlte es nicht an Wein und Tanzmusik aus dem Plattenspieler. Gut, so hielt ich wacker beim Trinken und Tanzen mit. Da fiel sie mir auf! Unbedingt wollte auch ich mit dieser schwarzhaarigen Schönheit tanzen. Aber immer wieder kam mir ein anderer zuvor. Es war zum Verzweifeln. Immerhin bemerkte ich, dass sie keinen Tänzer nahe an sich heranrücken liess. Sie tanzte am liebsten frei, mit lieblichem schwungvollem Dreh aus den Hüften.
Auf meinen Auftritt mit ihr wartend, sass ich allein auf dem Sofa. Wie ich eben hochspringen wollte, musste die Platte gewechselt werden. Du wirst es kaum glauben“, lachte Kurt erneut: „Die Schönheit setzte sich erschöpft neben mich – ausgerechnet auf meine Hand … So sass sie mir vollkommen ahnungslos auf der Hand! Wenn ich mich gerührt hätte, wäre sie sofort empört aufgesprungen. Das wollte ich keineswegs riskieren. Etwas ungelenk begann ich mit ihr zu plaudern. Meine Hand wurde nach und nach klamm. Ich befreite mich aus meiner misslichen Lage erst, nachdem ich sie zum Tanz aufgefordert hatte.
Kurz vor Mitternacht musste sie aufbrechen. Galant bot ich an, sie bis zum Taxistandplatz zu begleiten. Ich wagte nicht, sie nach ihrer Adresse zu fragen. Immerhin erfuhr ich, dass sie regelmässig ihre thailändische Freundin im Boarding House besuchte. Ihretwegen stellte ich mich gut mit der Thailänderin.
,Du wirst sie ja nicht beissen’, meinte Valay auf ihre spassige Art, als meine von Ferne Angebetete einmal erschien und wir alle zusammen, wie es der Brauch war, Tee tranken. Valay hatte mich längst durchschaut! Sie hatte einen 6. Sinn und neckte mich: ‚Ich glaube, Du bist in sie verliebt.’ Es dauerte noch ein Weilchen, bis ich erstmals mit Zineb ausging; es dauerte noch viel länger, bis ich vor ihr in die Knie ging.”
Ich kann mir vorstellen, wie ausnehmend heiter und verschmitzt sich diese beiden Freunde, nach der Rückkehr ihrer Frauen, ans Essen machten und wie vergeblich ihre Frauen ausfindig machen wollten, was der Grund dazu war.
Hinweis auf ein weiteres Feuilleton von Emil Baschnonga
23. 12. 2005: „Eine Weihnachtsgeschichte: Das Bistro ‚Zum Déjeuner’“
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