Textatelier
BLOG vom: 04.02.2006

Abgasfrei und leise: Zuchtbohne macht kein Tönchen mehr

Autor: Heinz Scholz
 
Einem englischen Agrarforscher ist etwas Phänomenales gelungen. Er züchtete die erste Gartenbohnen-Sorte, die keine „Abgase“ erzeugt. Colin Leakey heisst der heute 72-Jährige, dem endlich etwas gelungen ist, worauf blähungsgeplagte Menschen so lange gewartet hatten. Bisher war der Verzehr von Bohnen, Erbsen und Linsen für diese Menschen eine windige Sache.
 
Wie Spiegel online am 20. Januar 2006 berichtete, lässt der Forscher seine verdauungsfreundliche Bohnensorte „prim bean“ auf 2 Feldern in East Anglia wachsen. Die Bohnensorte entstand übrigens durch Fremdbestäubung und Kreuzung einer schwedischen mit einer französischen Zuchtsorte. Leakey sieht seine Bohnensorte als abgasfreie Alternative zu den roten Kidney-Bohnen.
 
Die Züchtungsversuche mit den Bohnen begann der Biologe bereits im Jahre 1989. Es ging jedoch nur schleppend voran. Besonders bedauerlich fand er, dass keine EU-Gelder in seine Forschungen flossen. Die EU unterstützte lieber Projekte mit transgenen Pflanzen.
 
Das Böhnchen ohne Tönchen wurde inzwischen registriert. Das „neuartige Lebensmittel“ muss jedoch noch genehmigt werden. Der Forscher hofft, dass seine gut schmeckende Bohne bald vermarktet werden kann.
 
Blähungen verursachten Ende einer Sitzung
Soweit ich mich erinnern kann, hatte ich nach dem Genuss von Hülsenfrüchten mit Blähungen schon in meiner Jugend zu tun. Dabei erzeugten besonders die Kidney-Bohnen und Erbsen die meisten Winde, während Linsen weniger Abgase verursachten.
 
Ein früherer Arbeitskollege, der in einem norddeutschen Werk als Betriebsratsmitglied an Sitzungen teilnahm, hatte ein probates Mittel, um lange Zusammenkünfte rasch zu beenden. Er konnte seine nicht sehr angenehm riechenden Winde jederzeit abgehen lassen. Dann wurde die Sitzung schlagartig beendet. Es gibt jedoch auch Zeitgenossen, die einen trägen Darm haben und alles in sich hineinfuttern können, aber niemals mit Blähungen zu tun haben.
 
Muskeltraining des Darms durch Blähungen
Vor etwa 20 Jahren las ich das höchst amüsante Buch „Nie mehr krank sein“ von Robert G. Jackson. Er war der Meinung, man solle sich bei der Gasentladung keinen Zwang antun. Hier ein kleiner Auszug aus seinem Werk: „Sogar dort, wo Gase sich bilden, ebenso rasch aber wieder abgehen, verbiete ich die gemischten Früchte nicht, denn solche Gase haben auch eine günstige Wirkung: sie setzen die Muskeln des Verdauungskanals in Bewegung und bieten ihnen daher Gelegenheit zur Übung.“
 
Jackson war übrigens der Autor, der bei meiner Frau und mir ungeahnte Lachkrämpfe hervorrief. Hier eine Episode, die ich in dieses Blog zur Erheiterung einflechte: „Wenn ich dann nach einem belebenden Frühstück die Tagesarbeit aufnehme, bin ich mit meinen 80 Jahren genauso vergnügt und unternehmungslustig wie ein 16-Jähriger. Da ist es oft mein erstes, dass ich eine Tür an ihrer freien Kante packe und mit voller Wucht hundertmal hin und her schwinge. Den ganzen Tag brodeln die Kräfte; wenn ich es nicht mehr aushalte, denn springe ich über Stühle oder schaue, wie hoch ich stossen oder schlagen kann; oder ich tanze einen Froschtanz... Ich kann des Morgens zu jeder Stunde aufstehen, turnen und kalt baden, und sobald ich auf der Strasse stehe, packt mich wieder diese unbändige Lust, einen kleinen Wettlauf mit mir selber zu machen.“
 
Dieser bewegungs- und blähungsfreudige Mensch starb mit 87 Jahren nach einem Sturz beim Schlittschuhlaufen an den Folgen einer Lungenentzündung.
 
„Schreckliche Träume durch Bohnen“
Die deftige, darmanregende und harntreibende Bohne hatte trotz ihres Reichtums an Eiweiss, Mineralstoffen und Faserstoffen kein besonders gutes Image. Sie galt als schwer verdaulich und als Nahrungsmittel für arme Leute. Etliche Pflanzenheilkundige warnten sogar vor Bohnenverzehr. So schrieb einst P. Matthiolus von Siena (1500–1577): „Die Bohnen erregen schreckliche Träume, lassen den Leib dick werden und führen zu Blähungen.“
 
Angeblich riet auch der griechische Philosoph Pythagoras vom Verzehr der Bohne ab, da sie angeblich das Denken behindere. Inzwischen hat sich die Einstellung zur Bohne etwas gebessert. Man hat erkannt, dass Bohnengerichte nicht nur Abwechslung in die Küche bringen, sondern auch gesund sind. Sie helfen vorzüglich bei Verstopfung. Der Bohnenschalentee schliesslich entfaltet eine harntreibende Wirkung.
 
Wie entstehen Blähungen?
Im Dickdarm entstehen bei der Verdauung von Lebensmitteln grosse Mengen verschiedener Gase. Sie sind Endprodukte eines durch Darmbakterien gelenkten Gärungsprozesses. Übermässige Ansammlung von Gasen bezeichnet man als Blähungen (Flatulenz, Meteorismus). Eine veränderte Zusammensetzung der Darmbakterien (Darmflora) führt zu fehlgeleiteten Gärungen, und es entstehen oft übel riechende Gase. Auch ein Pilzbefall des Darmes kann ähnliche Beschwerden verursachen. Begünstigt wird die „Fehlbesiedlung“ durch zu viel Süssigkeiten, blähende Speisen (Kohl, Hülsenfrüchte), Mangel an Salzsäure im Magensaft, Behandlung mit Antibiotika und Darmentzündung.
 
Bei den Hülsenfrüchten sind es bestimmte Zuckerverbindungen (Oligosaccharide), die an der Gasentwicklung schuld sind. Colin Leaky ist der Meinung, dass seine Pirm beans so gut wie keine Tannine in den Samenschalen enthalten und dadurch wenig Winde erzeugen. Bei einer in Chile angebauten Sorte, der „Manteca-Bohne“, ist dies ebenfalls der Fall. „Sie enthalten kaum Tannine und werden wegen ihrer Gasfreiheit geschätzt“, so Leakey.
 
Hilfreich bei Blähungen sind Tees aus Kümmel, Fenchel und Anis. Sie wirken blähungswidrig und entkrampfend. Man kann jedoch auch Kümmelpulver kauen und mit wenig Wasser hinunterschlucken oder Kümmel den Gerichten beifügen. Bei Vorliegen einer geschädigten Darmflora hat sich die Symbioselenkung bewährt.
 
Nach diesem kurzen Exkurs in die entkrampfende Welt der Heilpflanzen kann man sich nur wünschen, dass wir bald kein Tönchen mehr von uns geben. Wer dann trotzdem noch Winde von sich gibt, der kann ja auf die abgasfrei verdaubare gezüchtete Feldfrucht zurückgreifen.
 
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