Textatelier
BLOG vom: 12.03.2006

Von P. Siegrist, B. Vonarburg, Feuerbestattung und Engeln

Autor: Walter Hess

Manchmal holt einen die Vergangenheit nicht nur ein, sondern sie katapultiert einen sogar in die Zukunft. Wobei ich nicht etwa behaupten möchte, dass ich dann unter den Engeln landen werde, auch wenn dieses Blog auf himmlische Gefilde hinausläuft.
 
Doch folgen wir, wie es üblich ist, den chronologischen Abläufen. Bei einem geschäftlichen Anlass in Aarau begegnete ich dieser Tage unverhofft nach vielen Jahren wieder einmal Sonja und Peter Siegrist aus Menziken AG im Oberwynental. Wir prosteten uns zu und freuten uns über das Wiedersehen. Man erkundigte sich gegenseitig über das Ergehen. Erinnerungen tauchten auf, und Peter erzählte einige währschafte Witze, als ob die Stimmung hätte gerettet werden müssen; die in Toleranz geübte Sonja war nicht zu erschüttern.
 
Ich selber erinnerte mich bei dieser Gelegenheit an meine Jahre im Oberwynental zwischen dem März 1961 und Oktober 1963. Ich war zu jener Zeit als Allein-Redaktor des „Wynentaler-Blatts“ (Eigentümer: Manfred Baumann) tätig, schrieb, redigierte, fotografierte (schwarzweiss), entwickelte die Bilder selber und klischierte sie auch noch eigenhändig. Nur gerade das Umbrechen und Drucken überliess ich Fachleuten. In Reinach AG erschien das Konkurrenzblatt, das „Echo vom Homberg“ (Eigentümer: Ernst Tenger), und dieses wurde von Peter Siegrist verantwortlich geleitet.
 
Jeden Morgen fuhr ich von Reinach nach Menziken und Peter Siegrist von Menziken nach Reinach, und bei den unvermeidlichen Begegnungen neben dem WSB-Geleise winkten wir einander jeweils freundlich zu. Dann gingen wir hin, beschrieben die Vorkommnisse in der Region Wynental und im angrenzenden Seetal nach unserer persönlichen Betrachtungsweise, nicht ohne gelegentliche Seitenhiebe an die Adresse des Konkurrenzblatts. Beide Lokalzeitungen erschienen innerhalb des gleichen Leserbiotops jeweils 2 Mal wöchentlich, hatten ungefähr den gleichen Umfang und oft auch identische Einsendungen. Und selbstverständlich quetschten wir mehr an Publizität aus der eher verschlafenen Region heraus als die Verhältnisse hergaben.
 
Peter Siegrist als Eingeborener hatte den Vorteil der besseren, eingehenderen Personen- und Ortskenntnisse, die ich mit meiner Ungebundenheit kompensierte, welche mir eine weit gehende Freiheit gab und die nur an den Geschäftsinteressen der Buchdruckerei Baumann endete. Mit Manfred Baumann trank ich jeden Morgen im damaligen Café City bei Peter Willimann im Zentrum von Reinach einen Kaffee. Und dort erzählte er mir manchmal von seinen Kunden und den Aufträgen, ohne mich irgendwie einzuengen. Und falls er gelegentliche Rücksichtnahmen erwartet haben sollte, dann hätte er dies doch auf höchst diplomatische Weise kundgetan. Ich denke in voller Ehrfurcht an ihn zurück. Ich ging in meiner Arbeit auf; mein Traum hatte sich erfüllt, und der Wirkungsbereich stimmte.
 
Wenn wir in die Tasten griffen, was täglich mehrmals vorkam, benahmen sich Peter und ich gleichermassen so, als ob wir trotz unserer Jugendlichkeit die publizistische Weisheit mit Schöpflöffeln grösseren Kalibers gefressen hätten, und den Lesern schien es zu gefallen, dass da etwas Betrieb in die Oberwynentaler Bude gekommen war. Besonders der Reinacher Gemeindeammann Kurt Heiz war eine sprudelnde Informationsquelle. Aber die Region war zu klein für 2 Zeitungen von diesem Format (talabwärts riegelte das Kulmer Blättli das Tal sozusagen hermetisch ab).
 
Das „Echo vom Homberg“ wurde vom „Wynentaler“, wie man ihm kurz sagte, übernommen. Und der Peter wandte sich seiner eigentlichen Berufung zu: Er eröffnete ein PR- und Werbebüro in Menziken. Ich selber wurde dann zum „Aargauer Tagblatt“ berufen, und im Wynental kehrte etwas Ruhe zurück. Doch den „Wynentaler“ gibt es noch heute; er erhielt in Martin Suter einen talentierten, fähigen Nachfolger. Es ist nach wie vor eine vorbildliche Lokalzeitung, der ich in diesen Zeiten des Pressekahlschlags aufrichtig ein langes Leben in Unabhängigkeit wünsche.
 
Die lange Geschichte der Feuerbestattung
Mit Sonja und Peter Siegrist verband mich weiterhin eine ungetrübte Freundschaft; wir alle hatten im Geben und Nehmen Härte bewiesen, und das sollte gegenseitig belohnt werden. Bei unserem jüngsten zufälligen Treffen holte Peter Siegrist zu einer Erzählung über den Aargauischen Feuerbestattungsverein aus, zu dessen 100-jährigem Bestehen er eine gepflegte Broschüre verfasst hatte – sinnvollerweise ohne Computer-Einsatz, denn der Computer ist ja weniger gut brennbar als das herkömmliche Papier. Bei den Recherchen sei er auf einen Artikel von mir über die Feuerbestattung gestossen, sagte Peter, und dieser sei im erwähnten Verein sogar aktenkundig. Obschon ich mich nicht mehr daran erinnerte, war mein Selbstbewusstsein gestärkt. Selbstverständlich hoffe ich insgeheim, dass es auch dieses Blog, auf Büttenpapier ausgedruckt, zur Aktenreife schafft.
 
Tatsächlich war ich aus ökologischen Gründen schon immer für die Kremation gewesen und vertrat schon von journalistischen Kindsbeinen an die Auffassung, die Erdbestattung sollte endlich aufgegeben werden. Im Kapitel „Die Feuerbestattung im Wandel der Zeit“ der Siegrist-Schrift habe ich gelesen, dass die Feuerbestattung bereits in der Antike bekannt gewesen war – sie wurde auch von Griechen, Römern und Germanen praktiziert. Die Leichname wurden meist auf einem Scheiterhaufen unter freiem Himmel verbrannt, und die Asche wurde dann auf der Erde, in Flüsse, Seen oder im Meer verstreut. Damit konnten die Seelen befreit und den Göttern dargebracht werden. Doch das Christentum, das sich seit je weniger um Götter und deren Anliegen scherte und sich noch nie durch ein ökologisches Gedankengut ausgezeichnet hat, verlangte die Erdbestattung. Es bedurfte seit der Französischen Revolution (1798) jahrhundertelanger Prozesse, um zur modernisierten Feuerbestattung zurückzukehren – und noch immer werden Leichname sogar in lehmige Böden vergraben, in denen kein anständiges Verwesen möglich ist, auch wenn der Vatikan 1963 das Verbot der Leichenverbrennung unter dem Druck der Verhältnisse aufgehoben hat.
 
Peter Siegrist hat in der festlich zelebrierten Broschüre die internationale und regionale Entwicklung des Kremierens aufgezeigt und zur Erfrischung auch den Peter Rosegger zitiert: „Nicht ekle Würmer soll mein Leib einst ernähren, die reine Flamme soll ihn verzehren. Ich liebte stets die Wärme und das Licht; drumm verbrennt mich, begrabt mich nicht.“
 
Wo der Himmel ist
Kurz zuvor hatte mir Bruno Vonarburg die erste Nummer seiner neu gegründeten Zeitschrift „LichtSpuren“ ins Haus geschickt, die genau das gleiche quadratische Format (21 × 21 cm) wie die Feuerbestattungs-Festschrift aufweist und die sich gewissermassen thematisch an diese anreiht, wenn ich das richtig beurteilen kann. Obschon Bruno genau wusste, dass ich mich in den Sphären, in denen Engel umherflattern, nicht ausreichend auskenne, gab er seiner Hoffnung Ausdruck, ihn bei der Verbreitung seiner Zeitschrift etwas zu unterstützen, eine Bitte, die ich hier aus freundschaftlicher Verbundenheit mit Bruno gern wahrnehme (E-Mail: lichtspuren@bvonarburg.ch).
 
Mit Bruno Vonarburg habe ich als „Natürlich“-Leiter während rund 15 Jahren zusammengearbeitet; wir hatten seinen „Chrüteregge“ ins Heft integriert, zum beidseitigen Nutzen. Bruno Vonarburg ist einer der besten Heilpflanzenkenner der Schweiz und hat das Talent, mit seinen Beschreibungen die Pflanzen lebendig werden, zu faszinierenden Persönlichkeiten auferstehen zu lassen. Er lässt sie als empfindsame, heilsame, fundamentale Wesen erstrahlen, Ausdruck einer tiefen Naturverehrung, die ich mit Freuden an unsere Leserschaft weitergab und die auch sehr geschätzt wurde. Doch dieser Journalismus, geprägt von Wissen, Erfahrungen und spirituellem Gefühl, wurde nach meiner Pensionierung bald einmal unterbunden. Wie konnte man nur.
 
Bruno Vonarburg wurde es gleichwohl nicht langweilig; er schrieb u. a. ein grosses Werk über die Homöopathie und führt jetzt einen neuen Leserkreis mit Engeln, Licht und Herzensheiterkeit zusammen und durchs Leben, wie er im Vorwort der 1. Ausgabe seiner Zeitschrift vermerkte. „Wo Engel hausen, da ist der Himmel und sei’s auch mitten im Weltgetümmel“, rezitierte er, zu Fröhlichkeit, Gelassenheit, Freude und Humor ermunternd. Er publizierte in der Startausgabe ein Gespräch mit Niccel und Emil Steinberger über die „himmlische Heiterkeit“. Emil im Originalton: „Aber Engel sollten sich nicht nur da aufhalten, wo Fröhlichkeit angesagt ist. Das wäre ja etwas zu bequem. Engel sollten auch mit von der Partie sein, wenn Böses oder Unehrlichkeit im Anzug sind. Oder sind Engel nur Geniesser?“
 
Ich bin da überfragt. Weitere Artikel handeln von Lichtengeln und Edelsteinen, von Schutz suchenden Schutzengeln und so weiter.
 
Man sieht: Engel sind auch nur Menschen. Doch einen Feuerbestattungsverein brauchen sie nicht mehr zu gründen. Was die Angelegenheit doch etwas vereinfacht.
 
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