Textatelier
BLOG vom: 24.01.2005

Literarischer Seitensprung zu „Madame Bovary“

Autor: Emil Baschnonga

Am 24. Januar 1856 fand in Paris ein Prozess statt, der die Gemüter mehr als üblich aufwühlte: Der französische Schriftsteller Gustave Flaubert hatte in der Zeitschrift „Revue de Paris“ seinen Roman „Madame Bovary“ veröffentlicht, der auf realen Begebenheiten beruht. Es handelt sich um die Geschichte der Frau eines Arztes, Delphine Delamare (was für ein romantischer Name!) – eine Geschichte des Ehebruchs –, die Flaubert aufgrund von Dokumenten und Recherchen (beispielsweise Besuch einer Landwirtschaftsausstellung) sowie seiner Fähigkeit, sich mit seinen Figuren zu identifizieren, in einem Roman festhielt, der bei seinem Erscheinen Furore machte.

Die erste Veröffentlichung von „Madame Bovary“ führte zu einem Aufsehen erregenden Skandal und schliesslich zum Prozess gegen den Schriftsteller. Vorgeworfen wurde ihm der „Verstoss gegen die öffentliche Moral, die guten Sitten und die Religion“. Gemäss Anklage hatte Flaubert in dem Roman den Ehebruch verherrlicht und die Religion profanisiert. Flaubert verteidigte sich mit dem Argument, man müsse nicht ihn, sondern die Gesellschaft anklagen, welche die Religion durch den Devotionalienkult verharmlose. Die jungen Mädchen würden auf diese Weise zum Kitsch erzogen. So entsteht bei ihnen die Sehnsucht nach romantischer Liebe und führt zu religiös gefärbten erotischen Phantasien. Aufgrund einer geschickt geführten Verteidigung wurde Flaubert schliesslich freigesprochen. Nach ihm lebende Schriftsteller zollten ihm Respekt. So nannte Heinrich Mann ihn den „Heiligen des Romans“. Heutige Literaturwissenschaftler attestieren Flaubert einen „subjektlosen, realistischen Stil“, wodurch es ihm gelungen sei, eine Ehebruchsgeschichte neutral und distanziert darzustellen. 

Auch ich habe natürlich die „Madame Bovary“ gelesen, nachdem ich bei Tanten und anderen Verwandten hinter vorgehaltener Hand davon reden gehört hatte. Das wohlverstanden in den 1950er-Jahren, also ein Jahrhundert nach dem Pariser Skandalprozess. Und immer noch durfte man, das heisst frau, diesen Bestseller nur im Flüsterton erwähnen. Wie es die Männer in Gesprächen unter sich hielten, ob sie den Roman überhaupt lasen, erfuhr ich nicht. Die heutigen jungen Mädchen haben wohl für eine „Madame Bovary“ nur noch ein müdes Lächeln übrig. So ändern sich die Zeiten ... 

*

Wie sehen Sie, liebe Leserinnen und Leser des Blogateliers, die Gestalt von Madame Bovary? Der Roman war ein Bestseller und gehört zur Weltliteratur. Es würde mich interessieren, ob er heute ausser im Literaturunterricht an den Schulen noch gelesen und wie er beurteilt wird. Schreiben Sie uns bitte! 

Quelle: www.literaturwissenschaft-online.de

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