Textatelier
BLOG vom: 20.05.2006

Wassernot in Südengland und Politiker-Nöte verschärft

Autor: Walter Hess
 
Soll ich mich heute über die politischen Skandale der letzten Wochen in England auslassen oder über die Wassernot in Südengland berichten, wie schon im Blog Ostergrüsse vom 13. April 2006 angeschnitten?
 
Über Skandale hat die englische Presse bereits sehr ausführlich und bissig kommentiert. Der rüpelhafte und unfähige Deputy Prime Minister John Prescott hat ein unziemliches Liebesverhältnis unterhalten und dabei sein aufgeblähtes Departement (Home Office) in Verruf gebracht. Er selbst gleicht einer aufgeblasenen Kaulquappe und ist folglich bei weitem nicht der Schönste im Land. Jetzt ist er entmachtet. Keine Frau wird sich wieder mit ihm einlassen …
 
Der landauf, landab höchst unbeliebte Prime Minister Tony Blair und Bundesgenosse bzw. Juniorpartner von George W. Bush klebt wie ein Kaugummi an seinem Posten. Englands 2. Niederlage in Afghanistan steht bevor, und der Rückzug aus Irak wurde angekündigt. Im Hintergrund wartet mit breiter Steuerschaufel George Brown auf Tony Blairs Posten. Die Steuerzahler wissen nicht, was ihnen bevorsteht …
 
Lieber klemme ich hier ab, denn die Wassernot ist noch schlimmer als die Politik und die Geflügelseuche. Südengland soll weniger Wasser pro Person haben als Sudan, Marokko, Ägypten und Kenia, berichtete die Presse. Laut Wettervorhersage soll es über die nächsten Tage wie aus Kübeln giessen. Das sei bloss ein Tropfen auf den heissen Stein. Ohne anhaltenden Regen bis zum Herbst sind rigorose Wassersparmassnahmen unabwendbar. Inzwischen sprudelt aus einer geborstenen Wasserleitung im Londoner Sussex Garden und aus einer anderen bei der Lancaster Terrace seit Tagen schon so viel kostbares Nass, um 1500 Schwimmanlagen olympischen Umfangs innert eines Tages zu füllen. Anders gesagt: Es gehen allein schon bei diesen 2 Lecks 3609 Millionen Liter Wasser pro Tag verloren.
 
Inzwischen heimst die privatisierte Wasserversorgung weiterhin saftige Gewinne ein (+17 % bei Thames Water). Ihre Verantwortlichen leben wie Krösusse, während der private Wasserbenutzer bald mit dem Eimer vor dem Standrohr Schlange stehen darf. Wassermeter sind bereits verschiedentlich eingerichtet, so auch bei uns in Wimbledon, und sollen jetzt überall eingesetzt werden. Der Tarif wurde bereits hinterrücks mehrmals erhöht – ein gefundenes Fressen für den steuerdurstigen Kanzler George Brown.
 
Die Wasserversorger haben bis vor kurzem ernsthaft erwogen, Eisberge in einer Lassoschlaufe in die Themse-Mündung zu schleppen oder Eis aus Norwegen in Tankern zu beziehen. Diese Pläne wurden jetzt als zu teuer verworfen. Gewiss bedurfte es vieler Studien, um zu diesem Schluss zu kommen ...
 
Es ist nicht das erste Mal, dass England von der Wassernot heimgesucht wurde. 1976 hatten Millionen von Leuten während 2 Monaten nur für 7 Stunden täglich Wasser in der Leitung. Selbst im Hochsommer bei Conil de la Frontera in Andalusien dauerten solche sporadische Unterbrüche in der Regel nur 3 bis 4 Stunden. Nun ist London ungleich dichter besiedelt, und mein Hinweis ist nicht stichhaltig.
 
Gewiss vergeuden wir alle viel zu viel Wasser. Ein tropfender Wasserhahn kann wöchentlich bis zu 140 Liter Wasser verlieren, ein Bad verbraucht 80 Liter, die Waschmaschine 120 Liter usf. „Bade 2 in einer Wanne nicht“, sagte einst Wilhelm Busch, und er müsste heute hinzufügen, „... wenn 4 darin Platz haben“. Ken Livingstone, der Mayor (Stadtpräsident) von London, hat noch viele ähnliche Ratschläge auf Lager, worunter, die Toilette nur einmal täglich zu spülen. Dank der Bierschwemme werden die meisten Engländer zum Glück nicht verdursten.
 
Früher trank ich Wasser „frisch“ von der Leitung, heute „frisch gefiltert“. Wie lange noch, ehe ich genötigt bin, es aus der Plastikflasche zu konsumieren? Wie lange noch, ehe wir für „frisch gefilterte“ Luft besteuert werden?
 
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