BLOG vom: 31.08.2006
Wirrwarr aus ineinander verschlungenen Büroklammern
Autor: Emil Baschnonga
Ablenkung muss sein. Während ich wie alle Jahre wieder im allerletzten Augenblick den Jahresabschluss meiner Praxis vorbereite und den aufgetürmten Stapel von unordentlich durchmischten und gehäuften Papieren sichte und sortiere, hatte ich allerlei mit Büroklammern und ihren Artverwandten zu tun, die ihr Unwesen mit mir trieben. Kaum hatte ich ein Bündel beisammen, griff ich nach einer Büroklammer.
*
Wie kommt es, dass Büroklammern wie eine Gewerkschaft zusammenhalten? Ich wette, dass sie sich über Nacht ineinander verschlingen, krass gesagt, miteinander kopulieren. Vielleicht heissen sie Klammern, weil sie sich gegenseitig umklammern.
Sie kommen gepaart oder in ein Knäuel verstrickt. So kann ich nicht blindlings nach einer einzigen Klammer in meiner Messingschale greifen, sondern muss nach einem „Einzelgänger“ wühlen.
*
Mehr als 15 A4-Blätter wollen meine kleinen Büroklammern nicht zusammenhalten. Sie entspringen wie Heuschrecken, kaum schubse ich sie über ein Seitenbündel. Also her mit dem Schwergeschütz eines „Staplers“ (Aktenheftmaschine). Wir alle wissen, dass es eines Faustschlags auf dem Bügel bedarf, damit die Agraffe durch ein Bündel Papiere zuschnappt. Selbst dann ist es eine Glückssache: Entweder bleibt die Agraffe flachgedrückt auf dem Papier liegen oder sie beisst sich einseitig durchs Papier.
Meine Papiere sollten nur provisorisch zusammengehalten werden, damit andere Seiten chronologisch eingefügt werden können. Agraffen mit dem Messer oder der Schere zu lösen ist kein Spass.
Viel zu spät entdeckte ich im hintersten Winkel meiner Pultschublade den kleinen zangenförmigen „Agraffen-Entschärfer“. In einer Pultschublade ist vieles stets in Bewegung. Das vergisst man leicht, wenn man allzu abrupt die Schublade herauszieht oder zuschiebt. Ausserdem belieben Schubladen zu klemmen.
*
Alle diese erprobten Hilfsmittel, die Büroklammer sogar seit 1891, sollten der Büroarbeit voran helfen. Manchmal tun sie das. Aber die Buchhaltung mögen sie so wenig wie ich. So streiken sie, und ich verliere viel Zeit mit solchen zeitraubenden Schikanen.
*
Inzwischen sind Büroklammern und Agraffen noch tückischer geworden. Rasch will ich einen Textentwurf ausdrucken und schubse einen Stoss Makulatur in den Drucker. Einige Klammern oder Agraffen haben sich eingeschlichen. Der Drucker kreischt und schluckt sie nicht. Zum Glück hat sie mein Drucker etliche Male verdaut. Jetzt passe ich wie ein „Häftlimacher“ auf, denn ohne Drucker bin ich aufgeschmissen. Mit einer zurechtgebogenen Büroklammer gelingt es mir, eine Klammerverwandte aus dem Getriebe zu angeln.
Nebenbei bemerkt, ist es höchst ratsam, Klammern und Agraffen weit abseits von der PC-Tastatur zu lagern. Sie lieben solche Schlupfwinkel und sabotieren gern das Fingerspiel über die Tasten.
*
Klammern aus Metalldraht geformt – also nicht aus Plastik –, lassen sich auch für allerlei zweckfremde Aufgaben benutzen, nicht zuletzt als ein Ohrengrübler (wenn dazu das Streichholz fehlt).
*
Noch immer ist meine Buchhaltung nicht abgeschlossen … Ich sinne nach einem Hilfsmittel, das zuverlässig Ordnung in meinen Papieren schafft. Tatsächlich, die Wäscheklammern meiner Frau tun ihre Pflicht. (Ich weiss, dass es die schwarzen Klemmhalter gibt, doch konnte ich keine – aus oben erwähntem Grund – in der Schublade finden, und wollte ihretwegen nicht in die Papeterie gehen.)
*
Fix und fertig ist jetzt meine Zahlenbeige mitsamt den Belegen, und ich kann mich endlich wieder einem weitaus angenehmeren Zeitvertreib widmen, was mit diesem Blog geschehen ist. Ablenkung muss sein.
Hinweis auf weitere Blogs zu lebensphilosophischen Themen
14.08.2006: „Erfolgsrezepte gegen den Misserfolg? – Aphorismen”
09.08.2006: „Der Freund und Feind zugleich in uns – Aphorismen”
03.08.2006: „Die gute ‚Gute alte Zeit’? – Ein ambivalentes Verhältnis”
18.07.2006: „Die Welt auf die Füsse statt auf den Kopf stellen”
14.07.2006: „Schablonenmoral (Neuroethik) entmündigt Menschen”
09.07.2006: „Schlagseiten des Gleichheitsprinzips: Alter vor Schönheit”
07.07.2006: „Der Alltag prägt die Gesundheit. Hektik beim Pulsmessen”
06.07.2006: „Auf Abwegen: Lumpazi Vagabundus und die Wehmut”
05.06.2006: „Denkschablonen, die den Freiheiten im Wege stehen”
24.01.2006: „Zurückschauen und etwas Schönes finden“
06.09.2005: „Vom Lausbuben zum nützlichen Glied der Gesellschaft”
07.08.2005: „Friedhöfe: Orte der Trauer, Geschichte und Sinnfindung”
08.05.2005: „Wege und Übergänge: Um Freunde zu finden“
25.01.2005: „Die Gegenwart: Das ist genau jetzt“
29.12.2004: „Hat Glück wirklich vor allem mit Arbeit zu tun?”
Hinweis auf weitere Blogs von Baschnonga Emil
Mai-Aphorismen
April-Aphorismen
Der Träumer
Der vermeintliche Obdachlose
März-Aphorismen
Februar-Aphorismen
Januar-Aphorismen
Dezember-Aphorismen
November-Aphorismen
Oktober-Aphorismen
September-Aphorismen
Die verlorene Handtasche
August-Aphorismen
Juni-Aphorismen