BLOG vom: 13.08.2006
Pleiten: Schaden um Schaden, Aug um Auge, Zahn um Zahn
Autor: Walter Hess
Nehmen wir an, die angeblich vereitelten Terroranschläge auf Flugzeuge zwischen Grossbritannien und den USA seien keine PR-Erfindung, geboren aus dem verständlichen westlichen Bedürfnis heraus, endlich wieder einmal einen Erfolg im Kampf gegen den Terrorismus vorweisen zu können. Also gehen wir von der Annahme aus, die Behörden hätten diesmal die Wahrheit und nichts als die lautere Wahrheit gesagt und die Anschläge seien tatsächlich vorbereitet worden. Diese Möglichkeit besteht durchaus. Denn die Wertgemeinschaft hat sich den arabischen Völkern gegenüber so verhalten, dass der internationale Terrorismus gefördert wurde. Das von den USA gedeckte Verhalten Israels, das gerade den Libanon verwüstet hat, hat diesem Hass auf Israel und den gesamten Westen neue Nahrung gegeben. Jeder Landdiebstahl und jeder Mord nährt den Terrorismus.
Der Westen kann tun, was er will, zu sicheren Verhältnissen wird er nicht zurückfinden können, solange er sich bemüssigt fühlt, seine Demokratie-Fragmente anderen Ländern aufzuzwingen, die eine andere Kultur (und halt auch noch Erdöl) haben. Es würde eines totalen, in alle Lebensbereiche hineingreifenden globalen Überwachungsstaats bedürfen, wie er zurzeit zwar angestrebt, allerdings nie zu erreichen sein wird. Schlupflöcher wird es immer geben.
Und was ist denn das für ein Leben? Nun ist in der Terrorszene der Flüssigsprengstoff aufgetaucht – und seither sind alle Flüssigkeiten und Pasten verdächtig. Das führt zu riesigen Umtrieben, um alle Flüssigkeiten und zähviskosen Materialien bis hin zur Zahnpasta und der Sonnenschutzcrème unter Kontrolle zu halten, allein schon im Flugverkehr. Mütter müssen mitgeführte Milch für ihre Säuglinge demonstrativ verkosten – und wenn dabei nichts explodiert, war es definitiv kein Sprengstoff. Ja, die vereitelten Terroranschläge haben also bereits enorme Wirkungen gezeitigt, indem zeit- und geldraubende Kontrollmechanismen ausgelöst wurden, die wie Harz und Sand im Räderwerk des Zivilisationsbetriebs wirken. Aus Terroristensicht ist damit durchaus eine Wirkung erzielt worden, und das dürfte wohl kaum das Ende sein. Wenn einmal Sprengstoff in einem Brot auftauchen sollte, werden alle Bäckereien unter Überwachungsquarantäne gestellt werden müssen. Die Erde wird unwohnlich.
Die USA, Grossbritannien und Israel haben den totalen Konfrontationskurs eingeschlagen und sind weder zu Verhandlungen noch zu Kompromissen oder gar Zugeständnissen bereit. An sich geringfügige Anlässe im Rahmen jahrzehntelanger Provokationen, Okkupationen, die zum Kriegsalltag gehören, werden zum Anlass für Bombardements genommen. Ununterbrochene Aktionen, die einer verachtenden Geisteshaltung den Moslems gegenüber entsprungen sind (so darf zum Beispiel der Iran in Bezug auf den Umgang mit radioaktivem Material nicht, was alle US-Hörigen dürfen, und auch die Gefangennahme demokratisch gewählter arabischer Politiker gehört dazu), eine Verächtlichmachung, eine Demütigung ohnegleichen, und im Westen ist kein Aufschrei zu vernehmen. Die offensichtliche Doppelmoral ist im US-hörigen Westen akzeptiert, eine miese Haltung. Und wahrscheinlich werden sich die Kriegsländer USA, GB und Israel auch keinem Kriegsverbrechertribunal stellen müssen; das erfasst nur die anderen. Nicht einmal der hochkriminelle Einsatz von Phosphor- und Streubomben wird geahndet. Aber wehe, wenn sich Menschen mit bescheidenen Mitteln dagegen wehren, ihr Land, ihre Kultur und ihre Freiheiten zu verteidigen! Dann gilt das Alte Testament, 3. Mose 24, 20 (zitiert nach der „Thompson Studien Bibel“): „Schaden um Schaden, Auge um Auge, Zahn um Zahn; wie er einen Menschen verletzt hat, so soll man ihm auch tun.“ Das sind die religiösen Fundamente unserer Kultur, die nachwirken, die als gottgegeben betrachtet und nie hinterfragt werden, ob sie überhaupt zu etwas anderem denn zu Hass und Krieg führen können. Von Menschlichkeit und dem Willen, zu verzeihen und Fehler wieder gutzumachen, ist da nicht die Rede.
Die Rachsucht verdirbt das vernünftige Denken – und die Moral schon gar. Sofort werden zahlreiche verdächtige und zum Teil auch unbeteiligte Menschen verhaftet, wenn sich auf Terroristenebene etwas getan hat, weil Behörden Erfolge vorweisen müssen. Die Unschuldsvermutung ist abgeschafft, und die Ermittlungsinstanzen tun so, als ob alle vermutlichen Täter tatsächliche Täter wären, noch bevor überhaupt eine Anklage erfolgte.
Vor allem die US-GB-Politik hat die Welt in den letzten Jahren auf primitive Art in einen Krieg nach dem anderen hineingelogen und dadurch jede Glaubwürdigkeit verloren. PR-Büros geben den Informations-Ton an, und sie sind auch immer für Inszenierungen gut – man erinnere sich bloss an die frei erfundene Brutkastenstory (Saddam Hussein würde Säuglinge aus den Brutkästen reissen lassen), eine Stimmungsmache, bei welcher die Amerikaner den 2. Golfkrieg (1990/91) lostraten, und dann die Dichtungen über Saddam Husseins Zerstörungspotenzial in Form von Massenvernichtungswaffen, das annähernd mit dem US-amerikanischen zu konkurrieren begann ... Diese Lügen rechtfertigten den 3. Golfkrieg (Irak-Krieg, 2003). Selbst wenn die Regenten in den USA und in Grossbritannien noch die Wahrheit über die Fänge der amtlichen Terrorabwehr-Kommandi die Wahrheit verkünden sollten, glaubt man ihnen nicht mehr. Das haben sie sich selber zuzuschreiben.
Die aufs Bombardieren spezialisierte westliche Welt (Israel bombardiert sogar eigene Truppen im Libanon ...) – die moderne Version des alttestamentarischen Steinigens – wird den Kampf gegen den Terrorismus verlieren, genau so wie die USA den Vietnam- und den Irak-Krieg verloren haben. Die Pleite wird noch grösser als von allen Kriegen zusammen sein, inklusive Israels bereits jetzt verlorener 2. Libanon-Feldzug.
Wo sind denn die grossen Denker, welche den verwirrten Kriegern überzeugend darlegen können, dass Lösungen auf Verhandlungsbasis auf der Grundlage von gegenseitigem Respekt und Gleichbehandlung aller Kulturen angestrebt werden müssen? Und dabei darf es keine religionsfundamentalistische Supermacht mit globalem Führungsanspruch geben, welche sich alles erlauben darf und die Welt nach Gutdünken in Reiche des Guten und des Bösen aufteilt und ihre eigenen Interessen in jedem Teil der Welt durchsetzt.
Mächtig zu sein, rechtfertigt keine Verbrechen.
Hinweise auf Blogs zum Thema Terrorismus
15.07.2006: „Terror-Förderung: Bomben für Palästina und den Libanon“
04.06.2006: „West Bank: Wenn der freche Nachbar auf Ihrem Land baut“
17.02.2006: „Die globale Förderung der ‚Träumer des Absoluten’“
16.02.2006: „Vom ,asymmetrischen Krieg' zurück zum Stellungskrieg“
16.09. 2005: „Diese Uno (60): Zwischen Nullereignis und Weltärgernis“
31.12.2004: „Bilanz 2004: Überhaupt nichts im Griff“
Hinweis auf weitere Blogs von Hess Walter
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