BLOG vom: 19.08.2006
Zivilisationskrankheiten: ADHD oder der „Zappelphilipp“
Autor: Emil Baschnonga
Die Abkürzung ADHD steht für „Attention-deficit/hyperactivity disorder” (das unter den scheusslichen Wörtern „Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom“ und „Hyperaktivitätsstörung“ grassiert) und Kinder befällt.
Diese Diagnose wurde, wie so viele andere gute Dinge, in den USA entdeckt und flugs exportiert. Die Ursache von ADHD ist zwar unbestimmt, nicht so die „Heilmittel“ wie Psychotonika, Antidepressiva, Methylphenidate (Marke Ritalin usf.). Kein Wunder, denn der Markt für ADHD-Drogen wird jährlich auf 2,5 Milliarden USD geschätzt – wirklich ein gefundenes Fressen für die Pharmaindustrie. Nebenbei werden laufend neue Syndrome entdeckt, um den Pillenhunger der neu entdeckten Erkrankten zu stillen, mit oder ohne Nebenwirkungen.
Gegenwärtig besteht ein Gerangel zwischen Barr Pharmaceuticals (USA) und Shire Pharmaceuticals (UK) um die Markteinführung von Adderall in England. Diese Droge soll den Tod von Kindern verursacht haben.
Welches sind die ADHD-Symptome? Ich zähle einige auf, die mich sehr nachdenklich stimmen:
Das Kind zeigt einen Mangel an Aufmerksamkeit, der etwa Flüchtigkeitsfehler bei Hausaufgaben auslöst.
Das Kind kann sich nicht auf Aufgaben konzentrieren.
Das Kind will nicht hören, wenn es direkt angesprochen wird.
Das Kind missachtet Instruktionen und will von Pflichten nichts wissen.
Solche Kinder sind sehr impulsiv, langweilen sich leicht, benehmen sich ekstatisch, sind ungeduldig und streiten gerne. Sie können nicht ruhig sitzen bleiben. Sie grübeln oft auch in der Nase, möchte ich beifügen.
Zu viktorianischen Zeiten hiess es in guter Gesellschaft, dass Kinder wohl gesehen, doch nicht gehört werden sollten. Die Nanny nahm sie unter ihre Fittiche ausserhalb der Hör- und Sichtweite der Erwachsenen. Später wurden sie in die berüchtigten Boarding Schools (mit kalter Dusche und strengem Regime) verbannt. Gezähmt entkamen die Zöglinge diesen Anstalten als Stoiker und Sinnbild des englischen Gentlemans.
Wir alle kennen den Suppenkaspar und den Zappelphilipp dank Heinrich Hofmanns „Struwwelpeter". Das von einigen oder allen oben erwähnten Symptome befallene Kind nenne ich hier einfachheitshalber ebenfalls Zappelphilipp (oder Zappelheinrich bzw. Zappelhenrietta), wie das selbst in der medizinischen Sprache üblich geworden ist. Früher waren die Mädchen meistens artiger als die Buben. Das trifft heute nicht mehr zu.
Ich selbst muss ein ausgesprochener Zappelphilipp gewesen sein, und wie mir in Erinnerung geblieben ist, nicht immer ohne guten Grund. Ich gehe sogar so weit zu sagen: meistens mit gutem Grund. Mir wurden die Musterschüler unter die Nase gerieben, bis ich die Nase voll hatte – und ich mich rächte und zuletzt selbst einer wurde …
Mir graust vor dem Gedanken, dass heute das ADHD-Syndrom herumgeistert und man dem Nachwuchs mit Pharmazeutika die Kindheit verhunzt, wenn nicht gar raubt.
Vielen Kindern fehlen heute die besten Heilmittel: liebevolle Eltern, einfühlsame Erzieher, echte Vorbilder und ganz allgemein eine heile Umwelt. Ich glaube, dass ADHD eigentlich eine Zivilisationskrankheit der Erwachsenen ist.
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11.06.2006: „Die Pharmaindustrie jubelt im Land der Pillenschlucker“
05.07.2005: „Kranksein als Bürgerpflicht: Therapieren statt heilen“
13.05.2005: „PFAARä: Wie man Diabetes-2 wirklich heilen könnte“
23.04.2005: „Tödliche Medikamente in Serie: Nach Bextra nun Trileptal“
30.03.2005: „Trotz Attacken unsterblich: Die Naturheilkunde“
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