BLOG vom: 07.11.2006
Signal: US-orchestrierte Justizposse um Saddam Hussein
Autor: Walter Hess, Biberstein CH
Hoffentlich hat das Todesurteil gegen Saddam Hussein eine weltumspannende Signalwirkung: Auf dass alle Verbrecher gegen die Menschlichkeit erhängt werden, einschliesslich jene, die mit Streumunition ganze Landschaften mit Minen-Blindgängern verseuchen und insbesondere Zivilisten umbringen oder verstümmeln. Vor allem Kinder sind von den Blindgängern betroffen, weil sie diese für Spielzeuge halten. Wahrscheinlich ist das gewollt; denn die Völkermörder können damit beim Nachwuchs ansetzen, aus dem ja schliesslich Terroristen heranwachsen könnten ... Dass sich sogar die neutrale Schweiz mit Streubomben (Artilleriegranaten verschiedener Kaliber mit Doppelzünder; wahrscheinlich handelt es sich um das zusammen mit der israelischen Militärindustrie entwickelte Modell M85) eingedeckt hat, ist ein zusätzlicher Skandal. Auch wenn da offenbar an einer besseren Verlässlichkeit der Munition gearbeitet wird und sie höchstens für Defensivzwecke eingesetzt werden soll. Ich schäme mich für mein Land, das solches Kriegsverbrecherwerkzeug hortet.
Todesurteile wären insbesondere gegen die Kriegstreiber und aktiven Bombardierer in den Kriegsnationen USA und Israel nötig, die Uranwaffen (besonders wirksame Waffen mit abgereichertem Uran [DU], einem Abfallprodukt aus der Atomindustrie) verschiessen und damit über ganze Lebensräume Tod und eine nachhaltige Verwüstung bringen. Der Vorteil der DU-Waffen für die kriminellen Krieger, die keine Rücksicht kennen: Sie können damit die Waffenwirkung steigern, werden radioaktive Abfälle los und können ihren Feinden nachhaltigen Schaden zufügen, indem sie ihre Lebensräume zerstören. Doch dürfte diesen Tätern nichts passieren; die Amerikaner, die in den 60er- und 70er-Jahren über Vietnam Tonnagen von dioxinhaltigem „Agent Orange“ zur Naturzerstörung und Menschenschädigung abgeworfen und Napalm gegen Zivilisten eingesetzt haben, mussten sich nicht einmal entschuldigen. Gegenüber solchen Massenmorden und breitwürfigen Verwüstungen erscheint Saddam Hussein vergleichsweise wie ein Klein- bis Mittelkrimineller.
Saddam Hussein wurde für ein 1982 verübtes Massaker an 148 schiitischen Dorfbewohnern als Vergeltung für ein gescheitertes Attentat auf ihn, den Staatschef, zum Tode verurteilt. Als Gewaltherrscher in der "Republik der Angst" sind ihm noch unzählige andere Verbrechen zur Last zu legen. Auch Saddams Halbbruder Barsan Ibrahim al-Tikriti und der frühere Vorsitzende des Revolutionsgerichtes, Auad Hamed al-Bander, erhielten die Todesstrafe. Kaum jemand dürfte darüber traurig sein. Das Revisionsverfahren steht noch aus.
Das Erhängen wird dann wohl gross im Fernsehen übertragen werden. Doch vom Hussein-Prozess wurde die Öffentlichkeit weitgehend abgeschottet. Die einzelnen vom Fernsehen gezeigten Szenen waren alle zensiert worden, und wenn überhaupt berichtet wurde, durfte viel Material nur ohne Ton gesendet werden – Medienfreiheit westlicher Prägung.
Noch himmeltrauriger als die Berichterstattung war das Gerichtsverfahren als solches, das unter den US-Regisseuren und deren PR-Beratern zu einer Justizposse abseits aller rechtsstaatlicher Normen geriet, was niemand bestreitet und auch von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International angeprangert wurde. Laut AI war das Gericht, das im Dezember 2003 von der US-Besatzungsverwaltung eingerichtet worden ist und keinen internationalen Standards entspricht, milde gesagt „nicht unparteiisch“, und es gab keine Bemühungen, um Verteidiger, von denen 3 umgebracht wurden, und Zeugen zu schützen. Den Anwälten wurde der Zugang zu wichtigen Dokumenten verweigert – da gab es schon einiges zu verbergen. Das von den USA instrumentalisierte Sondertribunal hat seinen Sitz in der so genannten „Grünen Zone“ (Smaragd-Stadt), einem von der US-Armee streng gesicherten Gebiet im Zentrum der verwüsteten Stadt Bagdad, wo sich auch die US-Botschaft befindet und wo Geheimdienstler ein- und ausgehen.
Das merkwürdige Gericht ist laut US-Statut für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Manipulation der Justiz, Vergeudung und Veruntreuung von öffentlichen Geldern und Ressourcen sowie die Kriegsführung gegen ein anderes arabisches Land (gemeint ist das 1990 überfallene Emirat Kuwait) zuständig, aber selbstverständlich nur so weit, als die Verbrechen von Arabern begangen worden sind. Die „Guten“ (der West-Allianz) unter den rassistischen Kriegsverbrechern sind unantastbar, gleichgültig ob sie morden, foltern, illegale Kriege inszenieren und ganze Landstriche unbewohnbar machen. Die Sondertribunal-Richter, welche das Drehbuch nicht genau einhielten, wurden ausgewechselt. Nur die Namen der vorsitzenden Richter wurden der Öffentlichkeit bekannt gegeben, damit das Auswechseln der namenlosen Richter problemlos möglich war.
Die Richter wurden in England instruiert und trainiert, und der Verlauf des Prozesses wurde aus den USA ferngesteuert und nach wahltaktischen Kriterien instrumentalisiert; er geriet zur billigen, schäbigen Farce. George W. Bushs Kommunikationsberater bestimmten zum Beispiel, wann das Todesurteil bekannt zu geben war (2 Tage vor den Kongresswahlen). Und wahrscheinlich nahmen sie an, dieser faule Trick werde nicht durchschaut.
Falls es noch irgendwo einen Menschen gibt, der eine Spur von Vertrauen in den Gerechtigkeitssinn der Kriegs- und Folternation USA mit ihren Weltherrschaftsallüren gehabt haben sollte, wäre dieser nun eines Schlechteren belehrt. Wie soll unter der schäbigen, schmutzigen US-Führung eine „bessere Welt“ (von der der irakische US-Botschafter Zalmay Khalizad grossmäulig sprach) aufgebaut werden, wenn selbst die Justiz in die Schmutzgeschäfte der Politik, die ungestraft illegale Kriege anzettelt, eingebaut wird und keine Unabhängigkeit hat? Der Zerfall des Rechtswesen und damit der Gerechtigkeit ist neben der Arbeitslosigkeit, der zunehmenden Armut mit den dadurch ausgelösten Flüchtlingsströmen, dem Kultur- und Bildungszerfall neben dem Abbau von Demokratie und persönlichen Freiheiten der neueste Auswuchs der neoliberalen Globalisierung nach US-Prägung. Aber das passt haargenau zur Arbeitsweise eines US-Präsidenten, der sein Amt einer knappen Mehrheit rechtsgerichteter, nicht gewählter Richter am Obersten Gerichtshof verdankt.
Das britische Medizin-Journal „The Lancet“ hat im Oktober 2006 eine von der John-Hopkins-Universität in Baltimore durchgeführte Studie veröffentlicht, die von 392 979 bis 942 636 zusätzlichen Todesfällen im Irak durch Kriegsfolgen ausgeht, was bei einem Mittelwert von 654 965 Toten rund 2,5 % der irakischen Bevölkerung entsprechen würde. Das sind zwar nur Grössenordnungen, nicht im Detail zu verifizieren, doch zeigen sie die Dimensionen wahrscheinlich zutreffend. Zudem ist das Land Irak in eine grausame Anarchie hinein gebombt worden, in der US-Soldaten beliebig um sich schiessen, foltern und vergewaltigen, und die einzelnen Volksgruppen wurden gegeneinander aufgewiegelt. Auch wertvolle Kulturgüter sind zerstört wie überall, wo die Kulturbanausen von jenseits des grossen Wassers ihr Unwesen treiben, vielleicht eine Folge des Neids der Besitzlosen.
Es braucht Sondertribunale, die nicht (wie im Irak geschehen) unter US-Regie entstanden sind, sondern die korrekt das Völkerrecht auch gegen jene „Guten“ anwenden, die meinen, einen Blankocheck zur Verwüstung der Erde zu haben und deren fehlende Beisshemmung auch die Rechtsbeugung und -manipulation zum militärischen Waffenarsenal hinzufügt – immer mit dem Ziel der eigenen Bereicherung und der eigenen Machtvergrösserung.
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