Textatelier
BLOG vom: 24.11.2006

Olympiaden des Grössenwahns oder Nationalstolzes?

Autor: Emil Baschnonga, London
 
Ich schicke voraus, dass ich nichts für den Massensport übrig habe. Somit gehöre ich zur Minorität. Andere mögen es halten wie sie wollen. Aber es ist mein Recht, gegen den Massensport und seine Exzesse zu wettern, denn auch die Meinung einer Minorität soll nicht von der Majorität erdrückt werden. Andersdenkende werden sich jetzt aus diesem Blog ausblenden.
 
Indem sich London für die Olympischen Spiele rüstet und brüstet, schwellen die Baukosten für die dazu benötigte Infrastruktur an: Der Kostenvoranschlag von £ 2,4 Milliarden im Jahre 2004 hat sich inzwischen auf £ 5 Millarden gut verdoppelt. Eine weitere Verdoppelung der Kosten auf £ 10 Milliarden im Jahr 2012 kann keineswegs ausgeschlossen werden. (Ein Pappenstiel, verglichen mit den britischen Kriegsausgaben in Irak und Afghanistan, die so viel Leben kosten.)
 
Der Steuerzahler subventioniert einen grossen Brocken dieser Kosten über die sich fortlaufend massiv erhöhende „Council Tax“. Der Steuerzahler darf während 12 Jahren – gleichgültig, ob er ein Sportsfan ist oder nicht – alljährlich seinen Beitrag zur Amortisation leisten, gegenwärtig auf £ 20 geschätzt (am Ende werden es wohl £ 60 im Jahr sein). Viel wird auch vom £ 19-Milliarden-Einkommen der Nationallotterie dafür abgezweigt, Geld, das eigentlich „guten Zwecken“ zukommen müsste – dies nach dem Motto der „National Lottery“: „funding a better future“ (zu einer besseren Zukunft beitragen). Störrisch, wie ich bin, erachte ich diese Ausgaben für die Olympiade als vollkommen zweckentfremdet.
 
Mit viel Schönschreiberei wird hervorgestrichen, wie solche Olympiaden den Tourismus ankurbeln. Als Musterbeispiele werden die vergangenen Olympiaden in Barcelona, Athen, Vancouver und Tokio an den Ohren herbeigezogen. Sei dem wie ihm wolle, lasse ich hier dieses Thema fahren und weise kurz auf ein weiteres kostspieliges Projekt hin: den Neubau des Wembley Stadions, gegenwärtig im starken Bauverzug, verbunden mit gewaltigen Budgetüberschreitungen. Es soll zum grössten überdeckten Stadion in Europe werden – bis ein anderes Land ein noch grösseres baut und dem britischen Nationalstolz einen Fusstritt gibt. Wie darüber die Anwohner denken, wenn die grölenden Horden das Wembley Quartier überschwemmen und jedes Pub leer saufen, kann ich mir vorstellen, aber brauche dies zum Glück nicht selbst zu erdulden.
 
Zum Glück kann ich der Sportstyrannei und Hysterie weitgehend entrinnen, indem ich den Fernseher ausschalte. Das hat erst noch den Vorteil, dass ich nicht noch eine weitere verwässerte Neuauflage eines James-Bond-Films, wie eben jetzt „Casino Royale“, aufgetischt bekomme, geschweige denn die rabiaten Gräuelfilme amerikanischer Provenienz.
 
Wie gut, dass ich den Film „The Page Turner“ in den nächsten Tagen ansehen werde. Das erlaubt mir jetzt, die „Seite zu drehen“, ehe ich noch mehr Ärger stifte.
 
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