Textatelier
BLOG vom: 06.12.2006

Fugen in C-Dur: Pflastersteine aus Vietnam fürs Limmatquai

Autor: Walter Hess, Biberstein CH
 
Aus Vietnam stammen die 700 Tonnen Olivinbasalt-Natursteine, die zu einem neuen Flaniermeilen-Belag fürs Zürcher Limmatquai zwischen Münster- und Rudolf-Brun-Brücke verarbeitet worden sind; das grossartige, 6100 Quadratmeter (700 000 Steine) umfassende Werk ist mir bei meinem Zürcher Kulturtrip am 2. Dezember 2006 aufgefallen (siehe Blog vom 4. Dezember 2006).
 
Ich habe mich im Rahmen der üblichen Nachbearbeitung meiner Zürcher Erlebnisse mit dem Gesamtprojektleiter der Limmatquai-Neugestaltung, Röne Rüegg (E-Mail: roene.rueegg@zuerich.ch) vom Tiefbauamt der Stadt Zürich unterhalten und dabei die Herkunft der Steine in Erfahrung gebracht. Natürlich freut es mich, dass die Vietnamesen liefern konnten; laut Rüegg hatten dadurch etwa 200 Familien während eines Jahres Arbeit und ein Einkommen. Ich selber habe ebenfalls schon vietnamesische Pflastersteine (wir Schweizer sagen auch: Pflästersteine und Pflästerung) gekauft, eine weiss-gelblich-braune Granitart. Denn das in einem ihrer sinnlosen, hochkriminellen Zerstörungs- und Vergiftungskriege der US-Amerikaner bis tief in den Boden hinein massakrierte, entlaubte Vietnam verdient unsere Unterstützung. Ich kenne das Land, das sich erst jetzt wieder langsam erholen kann, aus eigener Anschauung (1995), vergesse die menschlichen und baulichen Ruinen und die geschädigte Pflanzenwelt nicht mehr.
 
Selbst der Steintransport auf der Wasserstrasse von Vietnam nach Europa ist kein Problem, da leere Transportschiffe ohnehin zur Stabilisierung mit Ballast beladen werden müssen (leere Tanker transportieren aus dem gleichen Grund Wasser in der Welt herum). Also entfällt das ökologische Argument weitgehend. Die vietnamesischen Steine haben wegen der idealen Schichtungen eine ziemlich regelmässige Grösse und sind sehr flach, was der Rollstuhlgängigkeit und dem Begehen mit zierlichem Schuhwerk entgegenkommt. Zudem haben sie eine gute Frost- und Streusalz-Resistenz. Sie zeigten sich also den einheimischen Gubersteinen (aus dem Steinbruch Guber, oberhalb Alpnach OW, in Pilatus-Nähe) für diesen speziellen Zweck vor allem wegen der regelmässigen Form als überlegen; auch wenn die rustikaleren Gubersteine ebenfalls ihre Faszination und Talente haben; sie bringen den Pflästerungscharakter besser zur Geltung, wirken rustikaler. Die rötlichen Porphyrsteine (meist aus den Dolomiten) ihrerseits schienen farblich wenig geeignet zu sein, ohne Bezug zu Zürichs Antlitz.
 
Wie man Pflästerungen unterhält
Zufällig hatte ich mich im November mit Dr. Adrian Lüscher, dem Leiter Chemiesicherheit beim aargauischen Amt für Verbraucherschutz und Chemiesicherheit (Departement Gesundheit und Soziales) in Aarau über den Unterhalt von Pflästerungen ohne Herbizide unterhalten. Ich hatte ihn angefragt, wie denn die Öffentlichen Hände mit dem Pflanzenbewuchs in den Fugen zwischen den Pflastersteinen chemiegiftfrei fertig würden. Wie ich selber erfahren habe, bringt das Jäten von Hand deshalb unbefriedigende Resultate, weil man beim Ausreissen der Pflanzen immer viel Fugensand (in meinem Fall Quarzsand) herausreisst, und der Hohlraum füllt sich in der Regel anschliessend mit Humus, der noch bessere Wachstumsbedingungen herbeiführt. Selbst das Wischen mit einem eisernen Handbesen (Stahlbesen) überstehen die meisten in Überlebenskunst geübten Pflanzen problemlos.
 
Bei einer städtischen Pflästerung, die viel befahren und begangen wird, stellen sich solche Probleme weniger. Auf jeden Fall kann ein grösserer Pflanzenbewuchs aber zwischen den Fugen kaum toleriert werden; oft sind ganze Gehölze dabei, die eine Sprengwirkung entfalten. Pflanzen mit Ausläufern wie die behaarte Segge, der Acker-Schachtelhalm und die Ackerwinde können die Pflästerung von unten her zerstören. Anderseits sind viele Wildpflanzen in den Siedlungsräumen zu Raritäten geworden, so etwa der Natternkopf, die Wilde Malve, der Gute Heinrich und die Kleine Malve. Diesbezüglich hat mich Adrian Lüscher auf recht gut gelungene Merkblätter „Herbizidfreier Unterhalt von Strassen und Grünanlagen“ aus dem Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (heute: Bundesamt für Umwelt BAFU) aufmerksam gemacht.
 
Darnach hat die Toleranz gegenüber Wildpflanzen zwischen Pflastersteinen dort ihre Grenzen, wo es zu einem Gehölzaufwuchs kommt, wo Fahrbahnübergänge sind, eine Unfallgefahr heraufbeschworen wird oder aber der Wasserabfluss und/oder die Wischmaschine behindert wird.
 
Einen schönen, beherzigenswerten Satz habe ich im Merkblatt 2 („Bauliche Massnahmen im Strassenbereich“) gefunden: „Nicht oder zu wenig genutzte versiegelte Flächen, besonders Pflästerungen, sind häufig stark bewachsen. Hohe Pflanzen sind ein Hinweis darauf, dass in diesem Bereich kaum gefahren oder gegangen wird. Bevor eine solche Fläche saniert wird, sollte man sich überlegen, ob sie direkt in eine Grünanlage umgewandelt werden kann.“
 
Im Übrigen hat sich der Jätbesen bewährt, eine sich drehende starke Bürste aus Drahtseilen, die an einem Vorbau oder Ausleger an Fahrzeugen befestigt wird. Der rotierende Besen muss auf alle Seiten geneigt werden können, und der Anpressdruck sollte stufenlos regulierbar sein; er wird vor allem bei feuchtem Wetter eingesetzt.
 
Manchmal kommen auch energieaufwändige Abflammgeräte zum Einsatz, mit welchem die Pflanzen versengt und zum Absterben gebracht werden können. Sobald Nässe vorhanden ist, steigert sich der Energieaufwand zusätzlich. Wenn im grünen Pflanzengewebe nach einem Fingerdruck ein dunkler Fleck zurückbleibt, ist die Pflanze so geschädigt, dass sie verwelkt. Das ist zwar nicht sehr freundlich gegenüber den empfindsamen Pflanzen, aber uns Menschen scheint es, als ob dies so sein müsse.
 
In öffentlichen Anlagen sind spezielle Bedürfnisse zu beachten. Doch kritische Fragen wie diese (aus dem BAFU) sind immer fällig: „(...) ist es auf Friedhöfen wirklich überall nötig, Wildkräuter zu bekämpfen? Beim Streben nach ‚totaler Sauberkeit’ verliert diese Technik ihren Sinn, weil der Arbeitsaufwand zu hoch wird.“ Mit anderen Worten: Eine teure Art der absolut unnötigen Naturzerstörung sollte ihr seliges Ende finden.
 
Vom Wischen und Waschen
Sauberkeit: Besonders in Grossstädten muss bei der heute verbreiteten Schlamperei viel Aufwand betrieben werden, um mit all dem Unrat auf Strassen und Plätzen fertig zu werden. Und bei der Anlage dieser Tiefbauwerke muss selbstredend an die Unterhaltskosten gedacht werden. Pflasterungen fallen deshalb oft (zu oft) aus Abschied und Traktanden. Umso anerkennenswerter, dass für das Zürcher Limmatquai trotz alledem Pflastersteine mit ihrem unverwechselbaren Cachet zum Einsatz kamen. Aber die Fugen mussten eng sein, schon wegen der Zigarettenstummel und andern Hinterlassenschaften unordentlicher Passanten. Zudem ist das berüchtigt-berühmte Niederdorf ganz in der Nähe des Limmatquais. Und es geschieht zu oft, dass Nachtschwärmer, die zu viel Tranksame in sich hineingeschüttet haben, den Weg bis an die Limmat nicht mehr vollständig schaffen und sich bereits auf dem Limmatquai übergeben. Deshalb genügt hier also das morgendliche Wischen nicht, die nächtlicherweile zum Kotzrevier gewordene Flaniermeile muss laut Röne Rüegg jeden Morgen mit Wasser gewaschen und gewischt werden.
 
Die zunehmende Verluderung der Spassgesellschaft hat ihre Preise auf allen Ebenen, auch dort ganz unten, wo die Bodenbeläge sind.
 
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