Textatelier
BLOG vom: 09.02.2007

Toyota-Prius-Erfahrungen: Das ehemals belächelte Vorbild

Autor: Walter Hess, Biberstein CH
 
Der Autokult, wie er während Jahrzehnten mit medialer Hilfe betrieben wurde, richtete sich auf grundfalsche Prämissen aus: Die Autos mussten schnell sein (schneller als selbst auf Autobahnen zugelassen ist), sodann geländegängig, als ob da nur querfeldein herumgefahren würde. Sie mussten innen grösser als aussen sein; nur um den Benzinverbrauch schien sich niemand zu kümmern. Die Amerikaner gaben das Erstrebenswerte vor: Möglichst gross, möglichst schwer, hoch und mit Büffelgitter – immer von oben herab. Und die Erdöllobby sollte zu ihrem Anteil kommen.
 
Nachdem nun, obzwar mit vielen Jahren Verzögerung, selbst von der Uno im Verhältnis von 1:9 zugegeben wird, dass die Klimaerwärmung etwas mit dem gigantischen Verheizen fossiler Energien zu tun haben könnte, stellt sich der Katzenjammer ein. Die Autoindustrie ist nicht parat, innert kurzer bzw. nützlicher Zeit energiesparende Vehikel herzustellen. Sie weiss nicht, wie das geht. Und der richtige Zeitpunkt wurde ja ohnehin schon längst verpasst.
 
Es war geradezu belustigend mitzuerleben, wie sich die Autounternehmen seinerzeit gegen den Katalysator gewehrt haben. Es fiel ihnen ausgesprochen schwer, sich vom Versprühen des unabbaubaren Giftes Blei zu verabschieden. Sogar gegen den Russfilter wehrten sie sich. Und als dann 1997 die Japaner mit dem Toyota Prius ein Hybridfahrzeug (mit Elektro- und Benzinmotor) auf den Markt brachten, verstanden diese Industrie und die mit ihr liierten Journalisten die Welt nicht mehr. Wie konnte man nur. „Die Welt“ schrieb am 8. Februar 2007 („Fahrplan in eine Zukunft ohne Öl“) rückblickend: „Volkswagen nannte den Prius eine ,einzige Katastrophe’. Opel sprach von einer ,Vergewaltigung der Physik’, und BMW sah ,nicht den geringsten Vorteil’. Zehn Jahre nach Vorstellung des Hybridfahrzeugs sind Autobauer Volkswagen, die Opel-Mutter General Motors, BMW, Porsche und andere Skeptiker wie DaimlerChrysler längst nicht mehr so überheblich. In zahlreichen Allianzen arbeiten auch sie daran, Modelle mit Hybridantrieb zur Serienreife zu bringen.“ Zitat-Ende. Sie arbeiten daran, haben aber die Lösung noch nicht.
 
Die amerikanischen Autobauer mochten sich mit solchen Ideen ohnehin nicht befassen; sie setzten auf starke, überdimensionierte Benzinfresser, geländegängige Strassenkreuzer. Dann wurde der Erdölpreis teurer, vorübergehend sehr teuer, und man kann sich ja ausrechnen, wohin der Preis für diesen begrenzt vorhandenen Treibstoff führt; die US-Imperialisten um George W. Bush sind bereits dabei, ihn mit kriegerischen Einsätzen zu sichern, ohne Respekt vor Verlusten. Das Klima kippte. Der Feinstaub wurde zum Thema. Und plötzlich waren Autos wie der Prius en vogue. Er passte in die umweltpolitische Landschaft. Den falsch eingespurten Autobauern verging das Lachen. Sie können sich anpassen oder ihren Laden schliessen.
 
Ich habe im Dezember 2005 bei der Garage Schmid AG im aargauischen Rohr einen Toyota Prius bestellt und musste 6 Monate warten, bis er endlich angekommen war. Die Nachfrage war gross, vor allem im Raume Hollywood. Aber auch dies brachte mich nicht von meinem Kaufentschluss ab. Seit Mitte Juni 2006 sammle ich Erfahrungen mit diesem Fahrzeug, das wirklich hohe Ansprüche an Umweltkonformität und Fahrkomfort befriedigt und an dem ich bis jetzt noch nicht den kleinsten Fehler entdeckt habe. Der Benzinverbrauch liegt im Idealfall bei 4,3 l auf 100 km, obschon der Mittelklassewagen recht geräumig ist und immer noch 1400 kg Lebendgewicht auf die Waage bringt. Der CO2-Ausstoss liegt weit unter den 130 g/km, welche die die EU für 2012 vorgibt: 104 g/km.
 
Zusätzliche Einsparungen von 10 Gramm pro Kilometer sollen die Autobauer in der EU unter anderem durch vermehrten Einsatz von Biokraftstoffen erreichten, „ein integrierter Ansatz“ (so Günter Verheugen), was natürlich ein Unsinn mit politischen Taschenspielertrick-Qualität ist. Der OECD-Direktor für Handel und Landwirtschaft, Stefan Tangermann, nannte die Klimabilanz von Biosprit zu Recht „mehr als ernüchternd“. Der Einsatz von Biotreibstoffen ist tatsächlich ein absurder Irrweg, den auch der auf lauter Abwege geratene George W. Bush beschreiten will. Er lässt wirklich keinen Unfug aus. Man muss in die Biotreibstoff-Produktion aus Pflanzen alles in allem fast so viel Energie hineinstecken wie am Schluss herauskommt.
 
EU-Parlament und Mitgliedstaaten müssen zur vorgeschlagenen CO2-Reduktion zuerst noch zustimmen. Der Prius gibt bloss 104 g/km ab, schon heute und nicht erst 2012. Hoffentlich schaffen es die tüchtigen Japaner, diesen Wert noch weiter zu senken.
 
Der Trick für den geringen Energieverbrauch ist bei Hybridfahrzeugen einfach und naheliegend. Statt beim Abwärtsfahren die Bremsen zu erhitzen und abzunützen, wird ein Generator betrieben, der Strom produziert und in die Batterie einspeist. Ich hatte als Schüler schon beim Velofahren gemerkt, dass der Dynamo bremsend wirkte, wenn ich mit Licht fahren musste. Nach längeren Abwärtsfahrten ist die Prius-Batterie voll, und der Elektromotor kann dann mithelfen, den Benzinverbrauch zu reduzieren, in der mehrzelligen Batterie wieder Platz schaffend. Bei steilen Abwärtsfahrten kann man den Wählhebel auf B = Brake (Motorbremse) stellen, wobei dann der Benzinmotor als zusätzliche Bremse wirkt, was zulasten der Energierückgewinnung geht. Man sollte das nur im wirklichen Bedarfsfalle tun.
 
Der Prius spart auch auf andere Art Energie: Der Benzinmotor läuft nur bei Bedarf, nicht aber beim Abwärtsfahren oder auf waagrechten Pisten, wenn nicht beschleunigt wird; er läuft nicht in stehenden Kolonnen oder vor Rotlichtern. Ich weiss von meinen früheren Abgasschleudern, dass man die normalen Motoren nicht immer aus- und einschalten kann, ansonsten der Anlasser seinen Geist vorzeitig aufgibt. Beim Prius hatte ich anfänglich bei kurzen Halten und auch unterwegs immer wieder das Gefühl, der Motor habe abgestellt – was auch zutraf, doch der Elektromotor versah seinen Dienst immer prompt und lautlos.
 
Diese häufige Schlafposition des Benzinmotors bewirkt eine ausgesprochene Ruhe im Fahrzeug und manchmal ein fast lautloses Fahren; man hört nur etwas vom Reifengeräusch. Und zudem spürt man auch deshalb die Geschwindigkeit weniger. Wir hatten anfänglich 3 Bussen für Geschwindigkeitsübertretungen innerorts – 2 Mal um 1 und 1 Mal um 2 km/h, zahlten jeweils 40 bis 60 CHF. Inzwischen schalten wir häufig den Tempomaten ein, der zudem den ständigen Blick auf den digitalen Geschwindigkeitsanzeiger unnötig macht und somit zur Fahrsicherheit beiträgt. Wir sind sogar einmal bussenfrei durch die Stadt Zürich, wo es unzählige Blechpolizisten wie Ordnungshüter aus Fleisch und Blut gibt, gekommen, und das will wirklich etwas heissen.
 
Einfache technische Massnahmen können dazu verhelfen, nicht nur Bussen zu sparen, sondern auch um mit weniger Treibstoff auszukommen – und darauf kommt es ja schliesslich in erster Linie an. Aber oft wird das Naheliegende übersehen. So sucht man jetzt, wie gesagt, zum Teil das Heil auch noch bei den Biotreibstoffen mit ihrer miserablen Ökobilanz, damit Europa nach den Worten des deutschen Umweltministers Sigmar Gabriel das „ehrgeizige Ziel“ erreichen kann, „mit dem Europa seiner weltweiten Vorreiterrolle beim Klimaschutz gerecht“ wird.
 
Nach all den bisherigen Versäumnissen und Einsichtslosigkeiten würde ich eher den japanischen Autobauern ein Kompliment machen statt grosse Töne mit Lokalbezug anzuschlagen. Die europäische Autoindustrie hat bisher nicht einmal ihre Zusagen zum CO2-Ausstoss (140 g bis 2008) erfüllt und wird nun hoffentlich dazu gezwungen, sich endlich anzustrengen. US-Autos zur beliebigen Benzinvernichtung sollten ohnehin nicht mehr zugelassen werden. Allerdings war gerade offensichtlich, dass die Regierung der Bundes- und Autokanzlerin Angela Merkel mit ihren transatlantischen Träumen stark auf die Interessen der verschlafenen nationalen Autobauer eingeschwenkt ist. Sie drohen gerade noch mit dem Verlust von Arbeitsplätzen, falls weniger stinkende Autos gebaut werden müssen – dabei lässt mich mein logisches Denken im Stiche. Haben wohl in Zukunft nur klimaschädigende Benzinfresser eine Chance?
 
Es wird wieder viel Unsinn herumgeboten. Bei der Infotainment-Sendung „10 vor 10“ von Fernsehen DRS konnte dieser Tage ein „Experte“, dessen Name mir entfallen ist, unwidersprochen sagen, Hybridfahrzeuge seien im innerstädtischen Verkehr ja gut – aber auf Autobahnen weniger geeignet. Da habe ich ganz andere Erfahrungen gemacht. Sie sind auch dort ausserordentlich sparsam, und wenn einmal eine Beschleunigung nötig wird, schaltet sich der Elektromotor zu. Da kumulieren sich also die 2 Motoren. Ich habe gegenüber den herkömmlichen, unbeweglichen und einsamen Benzinmotoren keinen einzigen Nachteil orten können, ob in der Stadt, auf Autobahnen oder im schwierigen Gelände – im Gegenteil.
 
Die Medien beteiligen sich seit Jahrzehnten an automobilistischen Desinformationskampagnen, weil sie den Inserenten hofieren, allerdings wahrscheinlich mit abnehmendem Erfolg. Viele Technikkundige durchschauen die Hintergründe und werden die Produzenten mit der Zeit aus eigener Einsicht zwingen, intelligenter zu handeln. Am Beispiel der „Motor City“ Detroit (im Nordosten der USA) können sie ablesen, was ihnen droht, wenn sie stur bleiben. Detroit verkümmert zum Ghetto auf verseuchtem Ford-Land.
 
Im Energieverschwenderland Nr. 1 (USA) gab es halt niemand, den die Autoindustrie zu ihrem Glück zwang. Und bei uns sind es noch zu wenige.
 
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