Textatelier
BLOG vom: 15.03.2007

Von der Basler Fasnacht bis Niklaus von Flüe, Sachseln

Autor: Emil Baschnonga, London
 
Als ich am 26. Februar 2007, wiederum frühmorgens, diesmal nach Basel flog, wusste ich nicht, dass die Basler Fasnacht begonnen hatte … Kein waschechter „Bebbi“ (Basler) wird mir das verzeihen. Ich besuchte meine Mutter im Pflegeheim und bezog nachher den Mittagstisch im „Restaurant zur Harmonie“ beim Spalenberg. Das Fasnachtsmenü mit Mehlsuppe liess ich mir entgehen. Mein Appetit galt einer Bratwurst mit Rösti.
 
Um 2 Uhr suchte ich Regenschutz unter dem Vordach bei der Hauptpost in der Stadtmitte. Das war ein guter Standort: Alle Cliquen zogen davor vorbei, mit Piccolo und Trommeln. Schnitzelbänke (Fasnachtszettel in Mundart bedruckt) wurden verteilt.
 
Daraus einige Dialektblumen von der „Sans Gêne“- Fasnachtgesellschaft verabreicht: 
S blutt Wunder (Das nackte Wunder)
Und im Alldag isch s noo schlimmer:
In Schuele, Lääde oder Baize
Doo maine doch soo Frauezimmer:
Weenig Stoff wurd d Männer raize.
Die Daamen uff em Sexy-Tripp,
mainen au, me miess dr Be-Ha
und d Tangas und e Dail vom Slip
wo füüregüxle au no gseh ha.
Schliesslig gseht men au no d Höösli
Under em Designnerjäggli;
Und au s tättowierte Röösli
Und s Hirschgweih uff de Fudibäggli. 
Von der Übersetzung sehe ich lieber ab, da diese Schnitzelbangg nicht so stubenrein ist …
 
Echte Blumen hingegen wurden vielen Frauen vorenthalten. Stattdessen kriegten sie meistens eine Handvoll Konfetti ins Gesicht. Orangen wurden zu Wurfgeschossen. Früher schwangen sie sogar Schweinsblasen. Die Kinder hingegen kriegten „Täfeli“ (Bonbons). Vergnügt schaute ich dem Treiben zu, das ich vor so viel Jahren, die ich hier lieber nicht nennen will, zum letzten Mal wohl als 18-Jähriger miterlebt hatte. Auch die bunt bemalten Laternen stachen mir in die Augen. Zu weit entfernt von der Lokalpolitik verstand ich aber nicht, was sie auf „Baseldytsch“ anprangerten. Dazwischen sichtete ich etliche herrlich aufgetakelte Einzelmasken, die getarnt Bekannte ungestraft anrempeln konnten.
 
Richtung Sachseln
Die wenigen Freistunden vergingen im Nu. Nur der Nieselregen hielt weiter an, als ich den 2. Standort beim Hauptbahnhof Basel bezog und auf meinen Geschäftskollegen mit dem Auto aus Deutschland wartete. Gemeinsam fuhren wir nach Sachseln im Halbkanton Obwalden weiter und fanden auf Anhieb das Gasthaus Engel. Die Schweiz wird als teures Land bezeichnet. Aber wo sonst findet man ein solches Hotel, heimelig und blitzsauber eingerichtet für nur 65 Fränkli, mit einer Gaststube, die tolle Gerichte auf dem Menü hatte, die ausgezeichnet zum Blauburgunder passten? Nun sahen wir ein, dass wir uns nicht unbedingt an den um diese Zeit noch freien Stammtisch setzen sollten. So verzogen wir uns in den offiziellen Esssaal nebenan.
 
Was erschien dort unverhofft? Eine Gruppe von hohen und höchsten und gar wichtigen, hohen „Tieren“ aus dem Militär, alle im vollen, aufgebügelten Putz. Der Allergewaltigste von ihnen stand in der Mitte. Fast in Achtungstellung umstanden ihn seine Untertanen, bis er endlich mit einer autoritären Geste jovial gebot: „Setzen wir uns doch!“. Nun wollten wir keine Spione sein und verzogen uns beinahe fluchtartig wiederum in die Gaststube nebenan und fanden diesmal an einem Seitentisch Platz.
 
Die Serviertochter, vermutlich die Tochter des Wirts, bediente uns flott und sehr zuvorkommend und beriet uns bei der Wahl der Gerichte. Aber meine Wahl stand schon fest, wie immer, wenn ich für 1 oder 2 Tage in der Schweiz bin: „Geschnetzelte Kalbslebern mit Kräutern, dazu knusprige Rösti." Warum bin ich immer so heisshungrig, wenn ich in der Schweiz bin? Ich bestellte noch etwas Burgunder nach, und wir beide genossen unsere Mahlzeit. Nur eines durften wir nicht: rauchen. Sehr verständlich in holzgetäfelten Räumen. Die „Nikotina“ zeterte so lange, bis ich endlich nachgab und draussen eine Zigarette paffte, ehe ich das Zimmer bezog. Mein Kollege hielt natürlich mit. Es stimmte: Im Engel schlief ich wirklich wie ein Engel – tief und selig.
 
Der Küchenchef, Raphael Wey, ist ein Tausendsassa, stelle ich fest, wie ich beim Frühstück sein „Taschenbuch 2007“ einsehe. Ich lese, dass er für seine Gäste „erfrischende und frühlingshafte Gerichte auf der neuen Speisekarte“ parat habe. Zum Karfreitag war ein vielfältiges Fischangebot aus Süss- und Salzgewässern im Angebot. „Zum Muttertag, zu Ehren der lieben Mutter, bewirten wir Sie mit einem charmanten Muttertags-Menü“ – doch zum Tag der Arbeit verhiess das Menü schlicht und einfach ein Speiseangebot à la carte.
 
Auch uns stand schliesslich ein Tag der Arbeit bevor! Frühmorgens, noch vor dem Frühstück, hatte ich einen Streifzug durch Sachseln gemacht. Die Sonne hatte sich wieder eingefunden: Oben auf den Bergen leuchtete der Schnee auf den Tannenwipfeln. Das war wirklich so und keine Ansichtskarte. Sachseln entstand 1173 vom altrömischen „Saxola“ – also kleine Steine oder Felsbrocken – abgeleitet. Ich betrat die Barockkirche (um 1672 erbaut), eine dem Niklaus von Flüe geweihte Wallfahrtskirche. Der ist anno 1947 ein offizieller Heiliger geworden! Seine Gebeine sind in der Kirche eingelagert.
 
Ein Bube und ein Mädchen, beide etwa 8-jährig, standen beim Altar vor ihrer Lehrerin und rezitierten einige tränentreibende Geschichtlein, von armen Türkenkindern in der Schweiz. Stolz drehte sich die Lehrerin nach mir um. Ich war der einzige Zaungast in der Kirche und nickte beifällig, denn das Mädchen hatte ausgezeichnet und fast auswendig sein Geschichtlein erzählt. Beim Buben harzte es sehr, und die Lehrerin musste ihm immer wieder beistehen.
 
Als ich die Kirche verliess, erinnerte ich mich vage, dass ich in dieser Gegend einst mit meinen Eltern Ferien verbracht hatte und sogar zur Klause des Niklaus von Flüe hochgestiegen war. Ich schaute noch einmal ringsum auf die Bergkämme, die den Sarnersee umkreisen. Ich wäre dabei fast heimatduselig geworden. Einmal werde ich wohl wieder nach Sachseln kommen, hoffe ich. Einer Inschrift beim Kiosk gegenüber dem Gasthaus entnahm ich, dass Ludwig von Moos (1910–1987), Bundespräsident, aus Sachseln stammt, auch den Dichter Heinrich Federer (1866–1928) beschlagnahmen die Sachsler für sich.
 
Auf der Hauptstrasse, 5 Minuten vom Hotel entfernt, rochen wir den Duft von Müesli-Bars und Getreideriegeln. Wir konnten den Ort während der Tagesarbeit nicht verfehlen.
 
In Gümligen und Bern
Unser nächster Arbeitsort war in Gümligen bei Bern. Auch dort roch es genau so wie in Sachseln. Zum Tagesabschluss hatten wir immerhin in Bern gerade noch Zeit, um vom Bärengraben zu den Lauben hoch zu gehen zu einer Kaffeepause. Auf dem Weg zurück kaufte ich etwas „Tête de Moine“ (Mönchskopf-Käse) und rezenten Appenzeller. Leider wurde mir die gute Flasche Schweizer Wein auf dem Basler Flughafen bei der Leibesvisitation abgenommen. Hoffentlich hat diese Flasche einen Zapfen-Gout gehabt, denn ich nehme an, dass sie nach alt bewährter Art entsorgt wurde …
 
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