BLOG vom: 07.04.2007
Energiesaaten: Goldrausch mit Negativ-Folgen für die Natur
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
Viele Leute haben sich in der Zwischenzeit mit der Gewinnung von Bio-Energie aus Saaten angefreundet. Es ist jedoch illusorisch, mit Raps, Sonnenblumen, Rüben, Mais und Weizen den Energiehunger stillen zu wollen.
Im vergangenen Jahr 2006 wurden in Deutschland 13 % der Ackerflächen mit Energie-Saaten bepflanzt. Der Bauernverband und das Öko-Institut rechnen mit einer Verdoppelung dieser Energieanbauflächen in der nächsten Zeit. Aber diese Flächen reichen bei weitem nicht aus. Man müsste nämlich die Hälfte der Ackerfläche mit Raps in 4-jähriger Fruchtfolge bepflanzen, um 5 % des in Deutschland benötigten Biodiesels zu erzeugen. Das Umweltbundesamt beurteilt dies als unrealistisch.
Auch die Ethanolproduktion aus Rüben oder Getreide dürfte nur einen Bruchteil des Bedarfs decken. Das Kieler Weltwirtschaftsinstitut errechnete kürzlich, dass damit nur 1,7 % des Gesamtenergieverbrauchs damit gedeckt würde. Dazu liess sich Gerd Eisenbeiss, Mitglied des Energieberatungsgremiums der EU, wie folgt vernehmen (er wählte eine überspitzte, einprägsame Formulierung): „Selbst wenn wir das Essen einstellen, werden wir mangels Bio-Energie zu Hause bleiben müssen und frieren.“
Gerd Eisenbeiss und auch der umweltpolitische Direktor der Umweltorganisation Euronatur, Lutz Ribbe, sind nicht Gegner der Bio-Energie-Erzeugung. Sie plädieren vielmehr für die Nutzung „agrarischer Abfälle“ in Biogasanlagen oder zur Produktion von Bio-Kraftstoffen. Stephan Börnecke äusserte sich in der „Frankfurter Rundschau“ kritisch: „Die Realität aber sieht anders aus: Zunehmend werden Biogasanlagen auf Mais-Basis gebaut, was zu einer weiteren Ausdehnung der Monokulturen in Deutschland führt, die wegen Pestizid- und Mineraldüngerverbrauch nichts mit naturverträglicher Landwirtschaft zu tun hat.“
500-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid
Fachleute warnen inzwischen vor den Folgen für die Nahrungsproduktion und Umwelt. Da immer weniger Pflanzen für die Nahrung angebaut werden, dürften in naher Zukunft die Preise für Raps-, Sonnenblumen- oder Sojaöl ansteigen. Auch die Futterkosten dürften in die Höhe klettern und indirekt auch der Milchpreis.
Auch die Umwelt bleibt auf der Strecke. So wurde auf Grund der verengten Fruchtfolge eine Massenvermehrung des Rapsglanzkäfers gesehen. Der Käfer ist inzwischen auch resistent gegen die bisher eingesetzten Gifte.
Viele Nutzer von Bio-Diesel hatten bisher nur die umweltfreundliche Nutzung von Energie vor Augen. Aber die Medaille hat 2 Seiten. Laut Umweltbundesamt (UBA) trägt der Bio-Diesel weit weniger zur Begrenzung der Klimagase als angenommen bei. Beim Anbau von Energiepflanzen werden nämlich erhebliche Mengen Lachgas (Stickstoffmonoxid) frei, das 500-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid ist.
Die Düngemittelhersteller dürften jedoch begeistert sein, denn durch den vermehrten Anbau von Energiepflanzen steigt auch der Verbrauch an Düngemitteln.
Regenwälder verschwinden
Das Palmöl gilt als klimafreundlicher Energieträger. Es wird als Bio-Kraftstoff und zur Stromerzeugung eingesetzt. Wie die Online-Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ (www.sueddeutsche.de) am 3. April 2007 berichtete, schätzt das Leipziger Institut für Energie und Umwelt, dass in diesem Jahr in Deutschland 1,3 Milliarden Kilowattstunden Strom aus Palmöl gewonnen werden. Pro Jahr kommen 800 000 Tonnen Palmöl nach Deutschland. Somit ist Deutschland der fünftgrösste Importeur. Warum die Importeure so verrückt nach Palmöl sind, liegt auf der Hand: Mit 120 Euro pro Tonne ist Palmöl billiger als Rapsöl.
Weltweit werden etwa 33 Millionen Tonnen Palmöl pro Jahr gewonnen. Die Anbaufläche hat sich seit 1990 auf 12 Millionen Hektar verdoppelt. Und bis 2030 soll eine weitere Verdoppelung der Anbaufläche erfolgen.
Erkauft wird die Palmölproduktion durch Zerstörung von Ökosystemen. Da die Nachfrage an Palmöl ständig steigt, müssen immer mehr Brandrodungen in den Regenwäldern erfolgen. Dabei werden grosse Mengen an Kohlendioxid freigesetzt. 80 % der Palmöl-Produktion stammen aus Malaysia und Indonesien. Laut einer aktuellen Studie des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep) dürften bis 2022 etwa 98 % des Regenwaldes in Indonesien zerstört sein.
Das Umweltministerium will jetzt die staatlichen Zuschüsse für die Erzeugung von Strom aus Palmöl streichen. „Bei uns sollen nur solche nachwachsenden Rohstoffe zur Energieerzeugung verwendet werden, die nachhaltig angebaut wurden“, so Bundesumweltminister Sigmar Gabriel.
Zurzeit wird ein Zertifizierungssystem für Palmöl erarbeitet. Ziel ist ein streng kontrolliertes Gütesiegel. Dieses soll für ökologische Herstellung bürgen. Da die Mühlen der Politik langsam mahlen, wird erst in 8 bis 10 Jahren damit gerechnet, bis ein solches Gütesiegel Realität werden wird.
In der Zwischenzeit sollten vermehrt Ölpalmen auf tropischem Brachland angebaut werden. Leider erkennen viele darin einen Nachteil: Die Einrichtung einer Plantage auf Brachland ist teurer als das Abbrennen von Regenwäldern. Es müssten Anreize geschaffen werden, um die Bepflanzung von Brachland zu forcieren. „In Indonesien gibt es bis zu 20 Millionen Hektar Brachflächen. Sie stellen ein enormes Nutzungspotenzial dar“, sagte WWF-Geschäftsführer Brandes.
Ökobilanz von Biokraftstoffen
Betrachten wir einmal die Ökobilanz Biokraftstoffe im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen (Quelle: Broschüre „Erneuerbare Energien“, Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit):
Vorteile für Bioenergieträger: Einsparung fossiler Energien, geringere Emission von Treibhausgasen, geringere Schwefeldioxid-Emission, geringere Meeresverschmutzung durch Exploration und Transport von Rohstoff, geringere Verschmutzung durch Leckagen nach Unfällen, geringere Toxizität und bessere Bioabbaubarkeit.
Nachteile für Bioenergieträger: Verbrauch mineralischer Ressourcen, höhere Lachgas-Emission, stärkere Versauerung der Böden, höheres Ozonbildungspotential, höhere Stickoxid- und Ammoniak-Emissionen, mögliche Gefährdung der Oberflächengewässer, mögliche Belastung von Oberflächengewässern durch Pestizide, mögliche Belastung des Grundwassers durch Nitrat.
Das Umweltbundesamt betont ausdrücklich, dass die Verfeuerung von Biomasse in effizienter Kraft-Wärme-Kopplung stärker zum Klimaschutz beiträgt als die Nutzung als Kraftstoff.
„Allerdings ist die vorrangige Ausschöpfung der Effizienzpotenziale insbesondere im Strassenverkehr – sowohl durch sparsame Fahrzeuge wie auch durch Verkehrsvermeidung und -verlagerung – eine unabdingbare, robuste und kosteneffiziente Voraussetzung für das Erreichen hoher Anteile alternativer Kraftstoffe am Gesamtkraftstoffbedarf wie auch für die Erreichung der Klimaschutzziele insgesamt.“
„Mich ärgern die Inlandsflüge“
In der „Badischen Zeitung“ vom 4. April 2007 wurden etliche Leserbriefe zum Klimaschutz abgedruckt. Einige sollen zitiert werden.
Julia Wolf aus Hochheim ärgert sich über die zunehmenden Inlandsflüge. Wie sie schreibt, gibt es bei Flügen in die weite Welt keine Alternativen, aber bei Inlandsflügen sieht es anders aus. „In D kann man meiner Meinung nach alles bequem per ICE erreichen. Dann muss man für die Strecke Hamburg–München vielleicht mehr Zeit einplanen, die man aber im Zug gut nutzen kann … Besonders ärgert mich, wenn mir zu Ohren kommt, dass die grüne Bundestagsabgeordnete aus Freiburg regelmässig mit dem Flugzeug nach Berlin fliegt. Wenn sich noch nicht mal die Grünen ökologisch verantwortungsbewusst verhalten, wie soll dann allein durch Appelle an das Gewissen des Einzelnen unser Klima noch zu retten sein.“
Kürzlich wurde vorgeschlagen, dass man das Kerosin für die Inlandsflüge besteuern soll. Das finde ich in Ordnung. Es ist unglaublich, dass das Kerosin international noch nicht besteuert wird.
Warum fliegen? Die alternative Technologie ist da
Der Diplom-Forstwirt Bert Riesterer aus Staufen macht auf die überflüssigen Flugverbindungen aus der Region aufmerksam. So gibt es beispielsweise Flüge von Zürich nach Basel, Frankfurt, Stuttgart, Nürnberg, Düsseldorf und München. Von Basel aus nach Düsseldorf, Frankfurt, München und Stuttgart. Von Stuttgart wiederum nach Frankfurt, München, Düsseldorf. Von Frankfurt nach München, Düsseldorf und Leipzig.
Der Leserbriefverfasser betont dann, dass für solche Kurzflüge ein hoher Energieaufwand notwendig ist. Es müssen auch viele Warteschleifen wegen des zunehmenden Flugverkehrs geflogen werden. Dies bedeutet einen zusätzlichen CO2-Ausstoss und Fluglärm.
„Die Situation ist aber erst dadurch zustande gekommen, dass in den 80er-Jahren von der CDU/FDP-Bundesregierung viel zu wenig in die Bahn investiert wurde. Seit 1990 besitzt der Transrapid seine volle Verkehrszulassung als Bahnsystem. Er würde es von Freiburg nach Karlsruhe in zirka 25 Minuten schaffen. Mit genauso kurzen Fahrzeiten könnte er Zürich mit Basel, Basel mit Stuttgart und Frankfurt und das wiederum mit München, Düsseldorf und Leipzig verbinden. Flüge wären dann völlig überflüssig“, so Riesterer.
Symbolische Glühbirnchenpolitik
Australiens Umweltminister Malcolm Turnbull will bis 2015 alle Glühbirnen durch Energiesparlampen ersetzt haben. Damit würde man 4 Millionen Tonnen weniger Kohlendioxid (CO2) produzieren. Rainer Schneider-Wilkes aus Gundelfingen schrieb dazu: „Einen anderen Kohlendioxid-Produzenten hat er in der Eile wohl vergessen: Ein durchschnittliches Mittelklasseauto pustet 160 Gramm CO2 pro Kilometer aus. Bei einer Jahreskilometerleistung von 20 000 Kilometern sind das 13,2 Tonnen CO2 pro Jahr. Die 55 Millionen Fahrzeuge in D produzierten 2006 zirka 726 Millionen Tonnen CO2. Was lernen wir daraus? Eine wirkliche Reduktion des Treibhausgases ist mit einer symbolischen Glühbirnchenpolitik nicht zu erreichen. Sei lenkt nur ab vom grössten Klimakiller: dem Verkehr. Und hier ist jeder in der Verantwortung: Politik, Industrie und jeder Einzelne von uns.“
Hut ab vor dieser Jugend!
In einem Leserbrief betont der 16 Jahre alte Justus Zorn, dass man Einschränkungen hinnehmen muss, um wirklich etwas zu erreichen. Dazu hatte Wolfgang Herwerth (3 x 16 Jahre) aus Oberried die folgende Meinung: „Hut ab vor dieser Jugend! Genau: Steigen wir doch gleich, wann immer möglich, aufs Fahrrad um! Warten wir nicht erst, bis uns ein Schlaganfall und Ärzte dazu nötigen. Ob (freiwilliges) Fahrrad- statt Autofahren einschränkt oder eher befreit und Gewinn bringt, lässt sich nicht zuletzt mit Blick in den Spiegel und auf die Waage und am eigenen Wohlbefinden ermessen, wenn man die ersten paar Tausend Fahrradkilometer hinter sich hat. Weitere Vorteile: Bewusstes Wahrnehmen und Steigerung der Wertschätzung unserer Umgebung, Beitrag zur Minderung der Verkehrsgefahr, Minderung der Lärmbelästigung, Treibstoffkostenersparnis, Entwicklung sportlichen Ehrgeizes, Erfolgserlebnisse – das ist ein höchst persönlicher Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel.“
Motorsport ist nicht mehr zu rechtfertigen
Walter Krumholz aus Wehr geht scharf mit dem Motorsport ins Gericht. Er betont, dass Motorsport mit immer stärkeren Motoren nicht mehr zu rechtfertigen sei. Er fordert bei Berichterstattungen das „Publizieren der Emissionswerte bei derartigen Veranstaltungen“. Er fordert eine „Reduzierung der zugelassenen Motorstärken, schliesslich Verbot der Rennen, Rückbau der nur für Rennen benutzten Flächen und Strecken und deren Umgestaltung in landwirtschaftlich nutzbares Gelände.“ Dies ist eine mutige und sinnvolle Forderung.
Unterhalten sich 2 Planeten …
Reinhard Hasch aus Freiburg schrieb Folgendes: „Unterhalten sich 2 Planeten, sagt der eine zum anderen: ,Du siehst aber schlecht aus, ganz grau, dreckig und stinken tust du auch noch. Was hast du denn?' Antwortet der Gefragte: ‚Homo sapiens.’ Sagt der andere: ‚Keine Sorge, das vergeht.’“
Wollen wir hoffen, dass der Mensch zur Vernunft zurückkehrt und alle möglichen Massnahmen ergreift, um eine mögliche Klimakatastrophe abzuwehren. Inzwischen wird wohl jeder (vielleicht auch die US-Amerikaner, die sich lange Zeit gewehrt haben, etwas gegen ihre masslose Energieverschwendung zu tun) begriffen haben, was auf uns zukommen wird.
Internet
www.bio-kraftstoffe.de (Bio-Kraftstoff-Portal der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe)
www.ufop.de (Union zur Förderung der Öl- und Proteinpflanzen e.V., insbesondere Biodiesel
www.biokraftstoffe.org (Bundesverband Biogene und Regenerative Kraft- und Treibstoffe e.V.)
www.bafu.admin.ch/?lang=de (Infos vom Bundesamt für Umwelt, BAFU)
Die Broschüre „Erneuerbare Energien – Innovationen für die Zukunft“ kann über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Referat Öffentlichkeitsarbeit, angefordert werden.
Adresse: D-11055 Berlin, Fax: (01888) 3 05 – 2044
Internet: www.bmu.de
E-Mail: service@bmu.bund.de
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