Textatelier
BLOG vom: 25.04.2007

Die Schönwetter-Schönredner-Meteorologen und die Wolken

Autor: Walter Hess, Biberstein CH
 
Manchmal verstehe ich die kleine, eingeschränkte Welt und die Meteorologensprache nicht mehr. Denn von Naturwissenschaftlern mit Naturbezug würde ich erwarten, dass sie nicht allein den Wert des Sonnenscheins (Lichts) erkennen, sondern auch jenen der Niederschläge: des Wassers. Die Natur ist auf beides angewiesen.
 
Ein besonders krasses Beispiel von Naturunverständnis leistete sich am Dienstagabend, 24. April 2007, Cécile Bähler (25). Nach der einschläfernden Sendung „10vor10“ aus dem Jumbostudio mit den repetierten Meldungen über Waldbrände infolge von Trockenheit und nach Wasser lechzenden Landwirtschaftskulturen – die Bauern erwarten gravierende Ernteverluste – holte sie wieder einmal die alte Leier hervor. Darnach ist jede Wolke eine Gefahr und jeder Regen etwas Schlechtes, Böses. Wahrscheinlich geht diese abendländische Betrachtungsweise auf die biblische Sintflut-Geschichte als einer Strafe Gottes für uns arme Sünder zurück, die man im Regen stehen lässt und gegebenenfalls ersäuft. Und jetzt stehen wir in der sengenden Sonne, was noch schlimmer ist.
 
Sinngemäss sagte die Moderatorin, die immerhin allürenfrei auftritt, aufgrund ihrer Freude über das nun seit mehr als 3 Wochen ununterbrochen und weiterhin anhaltende trockene Wetter bei herrlichem Sonnenschein, das „Gewitterrisiko“ sei gering ... Im gegebenen Umfeld hätte es wohl lauten müssen, die Chance, dass ein Gewitter etwas Tranksame für die dürstende Natur gebracht hätte, sei leider gering.
 
Und die hübsche und durchaus sympathische Dame, die aus Aarberg BE mitten im dürstenden Gemüsegarten der Schweiz stammt, gab noch einen drauf: Es gebe nur ein paar „harmlose Wolken“, sagte sie, das heisst also freundliche Wolken, die keinen Regen verursachen würden. Also drohte von dieser Seite keine Gefahr.
 
Vielleicht tue ich der Wetterfee Bähler Unrecht, da sie ja eigentlich nur den üblichen meteorologischen Wortschatz aus der Schönwetterkiste nachplappert. Aber ich möchte sie und insbesondere ihre Vorplapperer doch dringend bitten, sich einmal ein paar Tage in Wüstengebiet zu begeben oder/und sich einen Waldbrand, der zwar auch eine Naturerscheinung sein kann, aus der Nähe anzuschauen. Oder noch einfacher: Die Schönwetter-Schönredner-Meteorologen mögen bitte einmal ein paar Tage kein Wasser trinken und ausschliesslich den von ihnen einseitig verherrlichten Sonnenschein geniessen, um aufgrund der Folgen dann auf den Wert des Wassers zu schliessen.
 
Dann würden sie uns denkende Menschen nicht mehr mit einer einfältigen Wortwahl belästigen und mit dem Nonsens vom Schirm beziehungsweise Lautsprecher zu vertreiben suchen.
 
Beim Wettergespräch von Radio DRS 1 vom heutigen Mittwochmittag kurz vor halb 1 kam zum Ausdruck, dass dort die Bedeutung des Regens erkannt worden ist. Das kann nicht genügend gewürdigt werden, und ich möchte die Moderatorin und den Meteorologen Felix Blumer dazu aufrichtig beglückwünschen. Solch eine Weitsicht trifft man in den Mainstreammedien heute nicht mehr jeden Tag an. Doch dann konnte es der an sich vernünftige bestandene Meteorologe Blumer doch nicht unterlassen, ebenfalls das Wort „Gewitterrisiko“ in den Mund zu nehmen (damit ist die junge Cécile Bähler rehabilitiert).
 
Ein Risiko ist etwas, das nach des Wortes innerer Bedeutung mit einem möglichen Verlust, Schaden und allfälligen Nachteilen verbunden ist. Ein Gewitter kann aber sehr wohl befruchtend, reinigend, wohltuend sein. Die Meteorologen würden folglich gescheiter von „Gewitterwahrscheinlichkeit“ sprechen und auf eine Wertung verzichten, wenn sie angesichts der bedrohlichen Trockenheit schon nicht von der Chance, wenigstens zu einem Gewitter zu kommen, reden wollen.
 
Ich wünsche Ihnen lauter sonnige Tage.
 
Hinweis auf einen Artikel über die Wettersprache im Textatelier (Kontrapunkte)
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