BLOG vom: 18.05.2007
Grausige Ess-/Tischsitten: Coca im Wein, Ketchup aufs Filet
Autor: Heinz Scholz, Schopfheim D
Filet Wellington mit Ketchup
Der 1. deutsche Weltmeister der Sommeliers, Markus Del Monego, hatte mit 17 Jahren ein Schlüsselerlebnis. Er nahm 1979 einen Ferienjob in der neu eröffneten Raststätte Mövenpick am Grenzübergang Weil am Rhein D an. Dort hatte er ein einschneidendes Erlebnis mit einem amerikanischen Ehepaar. Die Gäste übergossen das feine Filet Wellington mit Ketchup und zuckerten den besten Rotwein, einen Chateau Talbot. Dieser Affront der Köche und Sommeliers war zu viel für Del Monego. Er weigerte sich das Ehepaar weiter zu bedienen. Die Restaurantleiterin Köstli musste beschwichtigen. Später gab sie ihm folgende Devise mit auf dem Weg: „Die Gäste kommen, um zufrieden gestellt zu werden!“ Die Chefin erkannte sein Talent und schickte den jungen Burschen zu einem Weinseminar. Sie hat damit den Grundstein für seine Weinbegeisterung gelegt.
Wie ich von einem Wirt aus dem Markgräflerland hörte, verdünnte ein Amerikaner seinen Wein mit Cola. Da kam ihm, dem Wirt, das kalte Grausen.
Als wir am 6. Mai 2007 in einem Schopfheimer Restaurant zu Abend assen, beobachtete ich an einem Nebentisch 2 Geschäftsleute, die mit einem amerikanischen Gast speisten. Der US-Bürger, wohl auch ein Geschäftsmann, der sich mit einem deutsch-amerikanischen Kauderwelsch verständlich machte, ass Jäger-Toast. Er hatte zwar ein Messer, aber er benutzte dieses nur am Anfang zum Zerteilen des Toasts in mundgerechte Stücke. Auf seinem Teller sah es wie auf einem Schlachtfeld aus. Dann nahm er die Gabel in die rechte Hand, stocherte im Essen herum und führte die Stücke zum Mund. Ich dachte, dieser Mann habe von richtigen Tischmanieren keinen blassen Schimmer. Aber ich liess mich eines Besseren belehren. In den USA ist es nämlich durchaus schicklich, die Speisen so zu zerschnippeln. Andere Länder, andere Sitten. Andere Unsitten.
„Sagen Sie nicht: ,Hi, Queen!'“
Vor 400 Jahren gingen bekanntlich die ersten Siedler aus England in Virginia an Land und gründeten eine englische Kolonie. Wie schon vor 50 Jahren, so reiste auch diesmal die Queen Elisabeth II. – es war der 3. Mai 2007 – zu einem sechstägigen USA-Besuch an.
Die Amis waren ganz aufgeregt, wussten sie doch nicht, wie sie der Queen gegenübertreten und wie sie sich bei Tisch benehmen sollten. Die Washington Post riet denjenigen, welche der Queen begegnen: „Sagen Sie bloss nicht: Hi, Queen!“ Die Zeitung veröffentlichte die Benimmregeln, die im Regierungsauftrag erstellt wurden (die Regeln wurden der erwähnten Zeitung vorher zugespielt). Die Gastgeber sollten sich nämlich nicht blamieren. Es wurde sogar gemunkelt, Präsident George W. Bush habe Privatunterricht bekommen.
Präsident Bush und die First Lady Laura Bush luden die Queen am 7. Mai 2007 zu einem Staatsbankett ins Weisse Haus ein. Es wurden nur 134 Gäste zugelassen. Wie ich hörte, wollten viel mehr illustre Gäste teilnehmen. Vielleicht waren die Abgelehnten wohl zu unbedeutend oder zu ungehobelt.
Queen Elisabeth war 1991 das letzte Mal im Weissen Haus zu Gast gewesen. Damals regierte noch George H. W. Bush. Barbara Bush erzählte jetzt, warum sie ihren Sohn George damals beim Staatsbankett besonders weit entfernt von der Queen platzierte. Sie machte sich nämlich Sorgen, dass er etwas Unpassendes sagen könnte. Wie weise war doch Barbara Bush! Aber der Sohnemann konnte seinen Mund trotzdem nicht halten. George W. Bush stellte sich damals fröhlich als „das schwarze Schaf in unserer Familie“ vor. Welche Selbsterkenntnis! Welch eine Karriere! Ein schwarzes Schaf wurde Präsident der USA. Doch möchte ich mit diesem Vergleich kein Schaf irgendwelcher Farbe beleidigen.
Bush sollte in einem Frack erscheinen. Er wollte jedoch nicht. Er ist nämlich ein Mann, der sich sogar in einem normalen Anzug unbequem fühlt. Erst Condoleezza Rice überredete ihn mit ihrer kampferprobten Engelszunge, doch im Frack zu erscheinen. Und so geschah es auch.
Es wurden auch einige Tischsitten bekannt. So durften sich die Gäste erst setzen, nachdem die Königliche Hoheit Platz genommen hatte. Die Gäste durften erst mit dem Essen beginnen, nachdem die Königin sichtbar den „Startschuss“ gegeben hatte. Sobald die Queen ihre Gabel weglegte, durfte sich keiner mehr erlauben, weiter zu essen. Leute, die einen Nachschlag haben wollten, hatten dann schlechte Karten. Wenn die Queen keinen Hunger mehr hatte, hörte die Mampferei schlagartig auf. Aber auch das könnte man zu den Unsitten zählen ...
Auch andere haben schlechte Tischmanieren
Es sind nicht nur die Amerikaner, die mit schlechten Tischsitten auffallen. Auch bei uns gibt es Zeitgenossen, die den richtigen Umgang mit dem Besteck und mit verschiedenen Speisen nicht kennen. So konnte ich immer wieder in Kantinen Leute beobachten, die das Besteck wie ein schweres Werkzeug gebrauchten und die Speisen in sich hineinschaufelten.
Wir hatten auch einen Schnellesser bei Ciba-Geigy in Wehr, der das Mittagsmahl in Minutenschnelle mit einem Schmatzen, Rülpsen und Schnaufen verputzte. Oder es wurde Kaffee geschlürft, dass es eine wahre Pracht war.
Man muss natürlich beachten, dass es in vielen Ländern andere Sitten und Gebräuche gibt. So gehört beispielsweise das Schmatzen und Rülpsen in China zur Normalität.
Während eines Urlaubs in Bayern erlebte ich einmal ein Paar am Nachbartisch, das Schweinebraten und Knödel ass. Der Mann stellte sich beim Schneiden der Knödel so ungeschickt an, dass sich ein Knödel selbstständig machte und vom Teller auf den Boden flog. Dann hatte er noch eine Unsitte zu bieten. Er redete sehr viel, auch mit vollem Mund. Da war die Ehefrau zum Schweigen verdammt. Sie sah auch nicht so glücklich aus. Nur als der Knödel wegrollte, war ein zaghaftes Lächeln sichtbar.
Früher stand in der Kantine von Ciba-Geigy in Wehr auf jedem Tisch ein Behälter mit Zahnstochern. Die spitzen Hölzer wurden von den Leuten kräftig genutzt, besonders dann, wenn ein zäher Braten verspeist worden war. Als sich immer mehr Gäste wegen der unappetitlichen Herumstocherei im Firmenrestaurant beschwerten, wurden die Behälter samt Inhalt entfernt.
In manchen Gasthäusern sind die Zahnstocher immer noch obligatorisch. Nun, wer seine Zähne säubern möchte, der sollte dies nicht am Tisch, sondern auf der Toilette tun.
Ab und zu sehe ich Leute, die aus Ermangelung eines Taschentuches am Tisch in die Serviette schnäuzen. Das ist laut Knigge nicht erlaubt.
Auch das laute Sprechen in Gaststätten ist eine Unsitte. Es gibt sogar solche, die sich mit anderen Gästen über Tische hinweg unterhalten. Auch das Fingerschnipsen oder das laute Rufen, um eine Bedienung an den Tisch zu bringen, ist heute verpönt.
Als wir einmal im Schweizer Jura nach einer Wanderung in einer Gaststätte im Freien dinierten, hörten wir drei Tische weiter eine Frau laufend lachen. Ihr Lachen war dermassen laut und schrecklich, dass ich mir beinahe meine Ohren zuhalten musste. Als sie mit den Begleitpersonen verschwand, wussten wir erst, was Ruhe bedeuten kann.
Wer in einem Restaurant eine Glocke bedient, kann eine böse Überraschung erleben. Das Läuten einer Glocke bedeutet, dass man eine Lokalrunde spendieren möchte.
Eine andere Unsitte ist, wenn der Kellner oder die Kellnerin mit Argusaugen die Weingläser auf Inhalt inspiziert und Wein nachschenkt, obwohl noch nicht ausgetrunken wurde. Dies ist bei uns üblich, in Österreich und anderen Ländern (Tschechien) gilt dies als unhöflich.
Tischsitten dank Knigge
Unter www.knigge.de kann sich jedermann über Tischmanieren informieren. Hier einige Beispiele der guten Manieren:
Die Serviette gehört auf den Schoss und wird nicht in den Ausschnitt oder in den Hemdkragen gesteckt.
Das Besteck dient nur zur Portionierung oder zum Transport der Speisen. Man darf nicht mit Gabel, Löffel oder Messer herumfuchteln, um seiner Rede Nachdruck zu verleihen.
Weingläser werden am Stiel angefasst. Der Inhalt wird dann nicht unnötig erwärmt. Ich habe mich auch dabei schon ertappt, wenn ich das Glas anders anfasse. Aber es gibt eine andere Möglichkeit: Man benutzt ein Markgräfler Weinglas. Es ist ein gerades Glas ohne Stiel, oft mit eingravierten Weintrauben versehen. Eine „preussische“ Gastwirtin, die sich im Markgräflerland niedergelassen hatte, bezeichnete dieses Glas lapidar als Zahnputzbecher. Für waschechte Markgräfler Ohren wäre diese Benennung eine Beleidigung gewesen.
Das Anstossen und Zuprosten wird heute vielfach nicht mehr praktiziert. Wie ich hörte, bekommen dünnwandige Gläser oft Sprünge. Trotzdem prosten wir uns immer wieder zu, wenn wir nach einer Wanderung in einer Beiz unseren Durst stillen. Ich erfreue mich jedes Mal am Klang der Gläser.
Auch sollte man, unmittelbar nachdem man Platz genommen hat, das Glas nicht in einem Zuge leeren.
Ich kenne einen Wanderer, der im Sommer nach schweisstreibenden Touren immer auf der Suche nach Wirtschaften ist. Hat er eine erspäht, geht er flugs hinein und bestellt sofort ein Bier und schüttet dieses innerhalb kurzer Zeit in sich hinein. Bei der 2. Bestellung macht er die Bedienung darauf aufmerksam, sobald nur noch wenig Bier im Glase sei, solle sie sofort ein neues bringen.
Das Brot wird mit der Hand in mundgerechte Stücke gebrochen. Aber nicht auf Vorrat, sondern immer einzeln. Instinktiv mache ich das schon seit geraumer Zeit so.
Salat darf man nicht in Stücke schneiden, und er wird nur mit der Gabel gegessen. Dies ist natürlich nicht immer möglich. Ich habe schon riesige Salatblätter auf dem Teller entdeckt, und da musste ich wohl oder übel kurz das Messer benutzen.
Dank dem Benimmbuch von Adolph Freiherr Knigge (1752–1796) wissen wir jetzt, was gute Tischmanieren sind. Nun dürften wir auch in Anwesenheit der Queen nicht aus der Rolle fallen.
Übrigens spricht man die Queen mit „Your Majesty“ (anschliessend reicht Ma`am) und ihren Mann, den Herzog von Edinburgh, „Your Royal Highness“ (später reicht ein „Sir“) an. Das legere „Hi, Queen“ darf G.W. Bush nur zu seiner Laura sagen.
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