Textatelier
BLOG vom: 16.06.2007

Im Ernst: In Scherz das Wildschwein-Suhlen hautnah erlebt

Autor: Walter Hess, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Wer von Scherz spricht, versteht darunter einen Spass, ein Vergnügen, etwas also, das zu Heiterkeit anregt. Doch hat dieses Blog nur am Rande mit Heiterkeit zu tun, sondern es berichtet von einer Exkursion in der Gemeinde Scherz im aargauischen Bezirk Brugg, in der Nähe des Schlosses Habsburg. Das ist ein authentischer, wahrer Bericht, von Zeugen beurkundet.
 
Eigentlich wollte ich am 12. Juni 2007 bloss eine kleine Wanderung vom Bauerndörfchen Scherz zur Schlossburg und zu einigen ehemaligen Erzabbaustellen machen, weil ich für Zeitschriftenberichte noch einige Fotos zu diesen Themen brauche. Ich parkierte mein Hybridauto mitten im Dorf Scherz, bei der Mühle, von wo aus die Strassen sternförmig auseinanderstreben. Das beschauliche Dörfchen liegt in einer sanften Mulde am Übergang zwischen dem industrialisierten Birrfeld und dem Aaretal und ist von einer weiten fruchtbaren offenen Ebene von der Habsburg getrennt. Ich wusste damals noch nicht, dass ich die nahe Habsburg an diesem Tag nicht erreichen würde.
 
Kirschensteinsäcke zu Kühlungszwecken
Eva hatte an einem Ökonomiegebäude, das zum Mühlenkomplex gehört „Meyer Naturprodukte“ gelesen und steuerte geradewegs auf den dortigen kleinen Laden zu, Natur- und Bioprodukte ziehen sie magnetisch an. Hier aber gab (und gibt) es vor allem Kleintierfutter und Zubehör für Hunde, Katzen, Vögel, Nager, wofür wir aber keinen Bedarf hatten. Doch entdeckten wir Kirschenstein- und Traubenkernkissen (Mundart: Chriesischteisack). Solche Steinsäcke waren noch bei unseren Eltern im Einsatz, und auch in unserem eigenen Hause gibt es sie noch; sie machen allerdings gerade den Sommerschlaf. Im Winter werden sie auf dem Ofen oder im Backofen aufgewärmt. Vollkommen neu aber war für mich, dass sie etwa bei Migräne, Schwellungen, Zerrungen, Prellungen, Verstauchungen und Entzündungen auch noch zu Kühlzwecken eingesetzt werden können. Man bewahrt die Steinsäcklein einfach im Tiefkühlgerät auf und hat sie im Notfall sofort zur Hand; sonst muss man halt etwa 45 Minuten warten, bis sie im Tiefkühler kalt genug geworden sind. Die Steine sind in schöne, dekorative Leinensäcklein eingenäht, und wir kauften einige davon, auch zu Geschenkzwecken. Oft werden sie auch als sinnvolle Werbegeschenke verwendet. Sogar Flaschenkühler gibt es aus Kirschensteinen in Säcken, die in Kammern aufgeteilt sind (www.kirschensteine.ch).
 
In einem Gedicht über den Kirschensteinsack, das im Laden auflag, heisst es: 
„Er isch scho alt. Hüt seit me däm antik.
(Er ist schon alt, heute sagt man dem antik.)
Wer ihn verstoht und mit e Bitzli Gschick
(Wer ihn versteht und einem bisschen Geschick)
beid Füess vergrabet, zmitzt i sine Stei
(beide Füsse vergräbt, mitten in seine Steine)
hät warm im Bett – und isch nid ganz elei.“
(hat warm im Bett – und ist nicht ganz allein). 
Die beiden Scherzer Weiher
Ich erkundigte mich bei der freundlichen Frau Ilse Meyer, wie man zu den ehemaligen Scherzer Erzabbaustellen gelange. Ihr Mann, Hanspeter Meyer, Jagdaufseher, wolle ohnehin noch zu den Weihern und zum Jagdhaus fahren, sagte sie und holte für uns einen Bildband über Scherz, den wir auf dem Bänkchen vor dem Hause in Ruhe durchsehen könnten. Sie führte uns, vorbei an einem riesigen oberschlächtigen Wasserrad mit einem Durchmesser von 9,5 m aus Eisen von 1890, das in einem Anbau wohlverwahrt ist, vorbei ins geräumige Büro ihres Mannes, dessen raumfüllendes Schreibtisch-Halbrund von schönen, organisch geformten Hölzern mit starker Maserung eingefasst ist. Wir trugen unser Anlegen vor, wurden gleich in ein geländegängiges Fahrzeug eingeladen und südwärts gegen den Wald transportiert.
 
Den ersten Halt machte der stämmige, kraftvolle, zupackende Mann mit Organisationstalent beim oberen Scherzer Weiher. Das war früher ein Mühleweiher als Teil des Wasserreservoirs, damit der Treibstoff das Wasserrad kontinuierlich mit Antriebskraft versehen konnte. Der Weiher im Gebiet Weihermatt am Waldrand („oberer Weiher“) ist birnenförmig und mag es bis auf maximal etwa 100 m Durchmesser bringen und ist bis etwa 3 m tief. Das Wasser fliesst von ihm als Scherzbach zum Büselweiher („unterer Weiher“), ganz in Dorfnähe, hinunter, der vor allem als eigentliches Speicherbecken für die Mühle diente, aber auch als Löschwasserreserve für die Feuerwehr (Feuerweiher). Das war einst wichtig, zumal es in Scherz viele Häuser mit Strohdach gab – 1927 waren es noch deren 8.
 
Der alte Name „Büselweiher“ stammt übrigens vom Wollgras („Büseligras“), das in den Rieden des Bünz- und Reusstals vor den Trockenlegungen noch häufig war (bis in die 1920er-Jahre). Heute sind die weissen Büseli laut einer Orientierungstafel beim Weiher nur noch an wenigen Stellen in den Regionen Villmergen, Bremgarten AG und im Bözberggebiet zu sehen. In Scherz aber erinnert nur noch der Weihername an die entschwundenen Riede und die schöne Pflanze.
 
Ein Kapitel-Mühlen-Geschichte
Die Bedeutung der Mühle in Scherz erstreckte sich schon in früheren Jahrhunderten auf die ganze Region. Denn Scherz, und somit auch die Mühle, liegt am Fusse der Habsburg, dem so genannten Stammschloss der Habsburger. Die Mühle in Scherz (damals Schernitz) ist in den Büchern zu Königin Agnes Zeiten (1280–1364) erstmals erwähnt. Es ist ein Mühlenbetrieb mit einer langen Tradition. Im Besitz der Familie Meyer ist die Mühle Scherz seit 1861. Heute ist die 5. und 6. Generation am Werk: H.P. Meyer und sein freundlicher Sohn Marcel Meyer, den wir kurz kennen lernen durften.
 
Die Kundenmühle hat sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder gewandelt. Der Scherzbach lieferte die Antriebskraft für das Wasserrad und die Mahlsteine. 1935 wurden die Mahlsteine durch eine Mühle mit Walzen ersetzt. In den 1960er-Jahren wurde mit der Herstellung von Mischfutter begonnen, in den 1970er-Jahren mit der Reinigung von Brotgetreide zur Abgabe an den Bund. Als dann die Mähdrescherei auf dem Feld überhand nahm und das Getreide direkt vom Feld in die Mühle eingeliefert werden musste , wurde 1968 eine Getreidesammelstelle mit Trocknungsanlage angebaut. Auch für die Herstellung von Mischfutter wurden im neuen Gebäude Anlagen installiert. Bereits nach 10 Jahren war wieder Platzknappheit da, und es entstand 1981 ein neuer Getreidesilo.
 
Der heutige Tätigkeitsbereich des in Scherz dominierenden Unternehmens sind der Betrieb einer Getreidesammelstelle, die Vermarktung von Inlandgetreide, die Herstellung von Futtermitteln, der Handel mit Futtermitteln (vermehrt auch für den Haustierbereich), die allerdings nicht in diesem Betrieb hergestellt werden, und der Verkauf von Backmehlen an die Privatkundschaft usw.
 
Ab 1988 begann die Familie Meyer mit der Aufbereitung und Vermarktung von getrockneten und gereinigten Kirschensteinen für Therapien in Spitälern, Physiotherapien, Ergotherapien usw. Seit 1999 werden Chriesisteisäckli für warme oder kalte Anwendungen hergestellt. Der Betriebsbereich Agrocenter CH-5246 Scherz umfasst die Herstellung und den Handel mit landwirtschaftlichen Rohstoffen, Tier-Futtermitteln, die Getreidesammelstelle, den Trocknungsbetrieb und den Verkauf von Pflanzennahrung, Pflanzenschutzmitteln, Brenn- und Schmierstoffen.
 
Der Weiher und seine Pflegeequipe
Diese Informationen hatten wir auf dem Weg zum grossen Weiher erhalten, der ja ein wichtiger Bestandteil des Müllereibetriebs war und heute vielen Tieren als Lebensraum dient. Auf einem Holzstück im Wasser sonnte sich eine Wasserschildkröte. Wir standen auf einem Steg aus einem massiven Eichenbrett. Dieses war über den alten, offenbar etwas morsch gewordenen Steg gelegt, und im Zwischenraum haben Ringelnattern eine hervorragende Unterkunft gefunden. Hanspeter Meyer klopfte mit einem Schuh etwas aufs obere Brett, um die harmlosen Schlangen zu einer kurzen Präsentation zu bewegen; doch waren sie offenbar bereits unterwegs. Mir fiel auf, dass der Weiher nicht verschlammt war, obschon ja viel Laub und Äste ins Wasser fallen. Des Rätsels Lösung ist der Weisse Amur (Amurkarpfen, Graskarpfen, Ctenopharyngodon idella oder Carpa erbivora, Familie: Cyprinidae), ein gefrässiger Vegetarier, der sich in diesem grossen, tiefen Gewässer wohlfühlt und mit dem Wasserpflanzenwuchs problemlos fertig wird; etwa solche 15 Tiere sollen im Weiher roden. Die Fische können bis 1,2 m lang und 30 kg schwer werden. Zudem gibt es hier Edelkrebse in Fülle.
 
Die Fahrt führte dann weiter Richtung Scherzberg, und beim Jagdhaus in der Brudermatt , das gerade in Revision begriffen ist, verliessen wir den Allrader. Was wir trinken wollten, fragte Herr Meyer, und ich entschied mich für Mineralwasser. Doch wenn ich irgendeine Spirituose genannt hätte, wäre unser Gastgeber ebenfalls nicht in Verlegenheit geraten, denn das gut gepflegte Jagdhaus, eine schöne Zimmermannsarbeit, ist mit allen möglichen harten Getränken reich dotiert. Im Freien beschäftigte sich die Frau des Hüttenwarts, Heidi Bertschi, in dieser ruhigen, angenehmen Umgebung mit einer Handarbeit; sie häkelte, ganz im Sinne der vorerwähnten Königin Agnes, der verwitweten Königin von Ungarn, die selber hohe Stücke von der Kunst der Nadel hielt und sich gern mit wertvollen Stickereien umgeben hatte.
 
Bei den Scherzer Erzlöchern
Wenige Meter vom Jagdhaus entfernt sind Erzlöcher, das heisst vom ehemaligen Bohnerzabbau zurückgebliebene Vertiefungen im Gelände, die zum Teil mit Wasser gefüllt sind und sich auch mit anderem Material langsam auffüllen. Vor dem Loch beim Jagdhaus ist eine schöne bronzene Tafel, die ich von den Brombeerranken befreite, um dies lesen zu können:
 
Wasserbiotop Erzlöcher: „In der Zeitspanne vom 17. bis 19. Jahrhundert wurde in diesen Waldungen Bohnerz zur Eisengewinnung abgetragen. Überreste des damaligen Wirkens sind die heute noch sichtbaren Erzlöcher. Einige dieser Löcher füllen sich bei Regenwetter mit Wasser, welches aber nach kurzer Trockenheit wieder versickert. Im Auftrag des Gemeinderats Scherz wurden zwei dieser Erzlöcher in ganzjährige Biotope mit folgenden Zielen umgewandelt: Abdeckung der Bedürfnisse der Frösche, Kröten, Salamander und Molche, Schaffung von Lebensraum für Kleinsttiere und Insekten, Entwicklung einer angemessenen Wasserflora. Ausgeführte Arbeiten: Abdichten mit einer etwa 50 cm dicken Lehmschicht, Schaffung verschiedener Wassertiefen, minimale Bepflanzung, Ufergestaltung mit Steinhaufen und Holz als Unterschlupf.
Scherz, Mai 2001. Dieses Projekt wurde unterstützt durch Gemeinde Scherz, Industrielle Betriebe der Stadt Brugg, Forstverwaltung Brugg.“
 
Die Erfahrung des Suhlens
Es hatte in den Vortagen mehrmals gewitterhaft geregnet, und die Löcher waren vorschriftsgemäss voll, der Waldboden durchnässt und weich. Hanspeter Meyer führte uns zu anderen Erzlöchern querfeldein. Dabei stiess er mit seinem Jägerblick auf frische Wildschweinspuren und Stellen mit einem kleinen Bächlein, wo sich die Schweine zu suhlen pflegten. Wir mussten eine steile Böschung erklimmen. Ich hatte das Profil meiner inzwischen abgetretenen Wanderschuhsohlen überschätzt und fiel in diesem morastigen Gelände, in dem tatsächlich das Suhlen angesagt ist, der Länge nach zum Abhang hin; sogar meine neue Kamera wurde übel mit Waldbodenerde verschmiert.
 
Scherz hin oder her: Es herrschte eine grosse Heiterkeit, zumal meine Arme, Beine und Kleider von dem Suhlmaterial überzogen waren. Nur zur Feststellung, dass die Wildschweine ohnehin meine Lieblingstiere sind, weil sie sich den Jägern häufig zu entziehen vermögen, den Bauern beim Umpflügen ihrer (Mais-)Äcker helfen und auch wegen ihrer unkomplizierten Art der Lebensbewältigung, liess ich mich nicht hinreissen. Ich hatte mit der Grobreinigung genügend zu tun. Dafür erklärte der kundige Jäger bei dieser passenden Gelegenheit die Körperpflege der Wildschweine. Sie erledigen die Toilette durch Suhlen: Die Tiere drehen sich genüsslich im Morast, warten, bis das Erdmaterial trocken ist und streifen es an einem so genannten Malbaum ab, der auf diese Weise angemalt wird – daher der Name. Malbäume sind also unten am Stamm mit Trockenschlamm bestrichene Bäume mit rauer Rinde, an denen sich die Wildschweine kräftig scheuern und dabei auch Parasiten und alles andere loswerden, was sich in ihrem groben Pelz, in Haaren und Borsten, verfangen hat, eine sehr empfehlenswerte Art der Selbstreinigung. In Ermangelung von Wasser habe ich mir diese Methode, als der Schmutz etwas angetrocknet war, gleich selber angeeignet und kann sie nur vorbehaltlos empfehlen.
 
Erzabbaustellen
Für das weitere Programm war mein Verschmutzungsgrad nicht weiter störend. Unser ortskundiger Reiseleiter, der während 12 Jahren dem Gemeinderat angehört hatte, zeigte uns im Scherzer Wald verschiedene Trichter, Mulden, Abraumhügel und erzählte von begehbaren Stollen und Förderschächten. Es sind dies die Denkmäler des Bohnerzabbaus aus dem 17. und 19. Jahrhundert; im Amt Königsfelden waren hier die einzigen wirklich ertragreichen Abbaustellen. Im Buch „Scherz. Bilder aus unserer Vergangenheit“, 1990 zur 750-Jahr-Feier von der Ortbürgergemeinde Scherz herausgegeben, liest man dazu: „Im ‚Leuengraben’ befand sich noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts ein aus einem Eichenstamm gehauener Kännel, welcher vom einstigen Bohnerzwaschen zeugte. Das Erz wurde dem Hüttenwerk Albbruck am Rhein zugeführt. Von 1770 an wurde der Abbau vermutlich wegen Erschöpfung der leicht erreichbaren Teile der Lagerstätte eingestellt, nachdem man zwischen 1732 und 1769 ca. 4500 Tonnen abgebaut hatte. Um 1812 nahmen die Scherzer Bürger Jakob Res, Zimmermann, und Johan Jakob Rey, Grossen, im südlichen Teil des Erzareals den Abbau wieder auf. Davon zeugen zwei 60–80 m tiefe Stollen, in dessen einem die Gemeinde Scherz zu Anfang unseres Jahrhunderts eine Quelle gefasst hat. Es heisst, dass die beiden, die wohlhabende Bauern gewesen seien, so lange gruben, bis sie ihr ganzes Vermögen aufgebraucht hatten.“
 
Er wolle uns noch etwas anderes zeigen, sagte Hanspeter Meyer, dem unser lebhaftes Interesse für Kultur- und Naturerscheinungen aufgefallen sein mag. Zuerst führte er uns, beim Thema bleibend, bei suhlenden Freilandschweinen vorbei, die in der Ebene zwischen Scherz und Hausen ihre Schatten spendenden Stallhäuschen, Wasser- und Futterstelle haben. Selbstverständlich hatte ich mit den Tieren sofort engen Kontakt; sie akzeptierten mich sogleich als ihresgleichen. Ich fühlte mich sehr gebauchpinselt, wie alle Leserinnen und Leser sicher ohne weiteres verstehen werden. Borsten kann man schliesslich für die Pinselherstellung einsetzen.
 
Die Hinterlassenschaften von „Lothar“
Herr Meyer chauffierte uns zum Binsenweiher im Habsburgerwald; ob das eine Bohnerzabbaustelle war, ist ungewiss. Der Weiher befindet sich am Galgenhübel, einer bewaldeten Anhöhe zwischen Habsburg, Hausen und dem Amphitheater Vindonissa. Von Vindonissa (Windisch) aus führt eine Strasse durch dieses Gebiet (Wegweiser: Habsburg). In diesem exponierten, 144 Hektar grossen Staatswald Habsburg hatte der Orkan „Lothar“ am 26. Dezember 1999 auf 64 ha fast sämtliche Bäume zu Boden geworfen. In der Folge entschied sich der Kanton Aargau als Waldeigentümer, eine etwa 30 ha grosse Demonstrationsfläche zu belassen, wo das Sturmholz unbeeinflusst liegen bleibt und Schulungszwecken dient. Die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL gewinnt hier neue Erkenntnisse über die Waldentwicklung, was am Ende hoffentlich zu naturnäheren Wäldern (statt Plantagen) führen wird. Auf einer nahen grossen Vergleichsfläche wurde das Windwurfholz genutzt.
 
Eine Orientierungstafel an der Waldstrasse erklärt dies dort, wo ein etwa 300 m langer Weg durch das Windwurfgebiet gehauen ist, der zum erwähnten Binsenweiher führt. Die Wanderung durch dieses Windwurfgebiet, wo dicke Baumstämme kreuz und quer herumliegen und Jungbäume wild wuchern, wo man Baumstämme über- und unterquert, fördert auf Schritt und Tritt fantastische Bilder zutage. Ich war überwältigt. Vielerorts haben sich Beerendickichte gebildet, und man spürt förmlich, dass die Natur hier aus dem Vollen schöpft, voller Saft und Kraft ist. Solch ein dichtes, schwer durchdringliches Gebüsch wird nicht nur von mir, sondern noch mehr von Wildschweinen geschätzt, die hier ungestört leben und sich vermehren können.
 
Beim Richtplatz des Amts Königsfelden
Etwas weiter unten am Waldsträsschen, in Richtung Windisch, ist seit Anfang Juni 2007 von der Jagdgesellschaft und dem Forstamt Habsburg der Richtplatz des Amts Königsfelden neu hergerichtet und beschriftet. Eine Tafel orientiert: „Hier befand sich zur Zeit der Berner Herrschaft 1415–1798 (und vielleicht schon seit der Herrschaftszeit der Habsburger) die Hinrichtungsstätte für das Amt Königsfelden (Eigenamt). Nachweislich wurden vom Landgericht in der Zeit vom 16. bis 18. Jahrhundert als Strafe für Totschlagdelikte, schwere Diebstähle, Sexualverbrechen, Brandstiftung und Gotteslästerung 25 Todesurteile ausgesprochen und 19 davon mit dem Schwert, dem Strang, durch Feuer oder mittels Rädern auch ausgeführt. An dieser Stelle erfolgte am 17. Juli 1806 die letzte Hinrichtung im Bezirk Brugg. Die 36-jährige Barbara Obrist von Riniken hatte ihren 64-jährigen Gatten Caspar vergiftet. Das Todesurteil wurde öffentlich vor einer grossen Zuschauerschar mit dem Schwert vollzogen.
 
Der sichtbare Stein am Wegrand ist das Fundament eines Pfostens oder Pfeilers des Galgens. (Informationen und weiterführende Literatur sind bei Max Baumann, Geschichte von Windisch, zu finden.)"
 
Der Richtplatz besteht aus einer quaderförmigen Kalksteinplatte, in die 5 Löcher gebohrt sind, wahrscheinlich um den benötigten Einrichtungen einen Halt zu geben. In einen von Hanspeter Meyer blank polierten Baumstamm im Bio-Design ist die erwähnte Orientierungstafel eingelassen. Alles ist schlicht, eindrücklich. Unser Begleiter sagte, man habe den Stein aus dem Boden herausschauen sehen, ihn freigelegt; doch mochte man nicht tiefer graben, weil die Leichen meistens gerade beim Richtplatz verscharrt worden seien.
*
Das war ein etwas makabrer Abschluss unserer Exkursion. Wir kehrten nach Scherz zurück, bedankten uns für die exzellente Führung. Ich wusch wenigstens Arme und Hände im Dorfbrunnen. Per Handy erreichte es Herr Meyer, dass in der Gemeindekanzlei Scherz, ganz in der Nähe des von einem Dachreiter besetzten Schulhauses, noch Überzeit geleistet wurde und ich die beiden Scherz-Bücher („Blicke zurück. Scherzer Chronik“, Vorstellung von ehemaligen Scherzer Einwohnern von Martha Kleiner-Pfister, 10 CHF, und „Scherz. Bilder aus unserer Vergangenheit“ von Ursula und Kurt Gasser-Kleiner, 25 CHF) kaufen konnte, die mir bei der Niederschrift dieses Tagebuchblatts eine wertvolle Hilfe waren. Eine hübsche junge Angestellte, die Lehrtochter Jennifer Saxer, bediente mich als Besucher mit kuriosen Ansprüchen sehr freundlich und voller Geduld.
 
Und so nahmen wir nicht nur Scherzer Erde an Schuhen und Kleidern, sondern auch die besten Erinnerungen an eine liebenswürdige, hilfsbereite Bevölkerung mit nach Hause.
 
Laut Aristoteles finden auch die Götter Gefallen an einem Scherz. Aber sie würden zweifellos auch an Scherz Gefallen finden.
 
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