Textatelier
BLOG vom: 25.06.2007

Weil das „Facts“ kein „Cash“ einbrachte, stirbt es ebenfalls

Autor: Walter Hess, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Das „Cash“ (ein ehemaliges Ringier-Produkt) ist eingegangen, und das „Facts“ (Herausgeberin: Tamedia, Zürich) geht per 28. Juni 2007 ein. Das sind markante Beiträge zum Zeitschriftensterben. Für Nutzer, welche mit den erwähnten Titeln nichts anfangen können, sei klargestellt, dass es sich in beiden Fällen nicht um englische, sondern um schweizerische Zeitschriften handelt, die mit Anglizismen die Amerikanisierung der Schweiz vorantreiben wollten. Statt „Facts“ hätte man ja auch „Fakten“ oder (Einzahl) „Fakt“ sagen können und statt „Cash“ „Bargeld“ oder schlicht und einfach „Geld“. Aber die eines frühen Todes verstorbenen Titel wollten sich rechtzeitig in die auch sprachlich vereinheitlichende Globalisierung einbetten. Dabei sein. Und jetzt sind sie out.
 
Beim „Facts“, das es seit 1995 gab und zuletzt 64 Personen (53 Vollstellen) beschäftigte, kam ich nie so recht daraus, wo eigentlich die Haltung der Redaktion gerade angesiedelt war. Sie wurde immer durchs Gegenteil vom Gegenteil vom Gegenteil verwedelt, schob dabei Meinungen von Prominenten vor, sogar beim Anglizismen-Thema, um noch etwas bei diesem Aspekt zu verweilen: In der neuesten, zweitletzten Nummer (25/07) ist ein Interview mit dem „Manager-Experten“ Peter Felix, Präsident der Association of Executive Search Consultants und Mitbegründer der europäisch-amerikanischen Handelskammer, unter folgendem Titel publiziert: „Das Gerede ist Bullshit.“ Damit meint Felix vor allem das Gerede von der Globalisierung, deren Bedeutung weltweit gerade heruntergespielt wird, nachdem im Rahmen des Übergang zur Einheitswelt immer mehr Stierexkremente zum Vorschein kommen. Der Prozess soll nicht allzu sehr gestört werden. Begründung: Bei den meisten Konzernen könne man noch immer ziemlich genau identifizieren, ob es sich um ein amerikanisches, französisches oder japanisches Unternehmen handelt (Peter Felix).
 
So etwas tröstet natürlich: Alles halb so schlimm. Allerdings liege die Sache in der Schweiz etwas anders, dies wegen der hohen Zahl an ausländischen Firmen und einer gewissen natürlichen Internationalität: „Vielleicht könnte die Schweiz zu einem Laboratorium für die Zukunft werden.“ Hoffentlich ohne Tierversuche und Gentechexperimente.
 
Doch sieht Peter Felix, der Managementsprache durchaus mächtig, auch Gefahren: „Die Profitmaximierung als ultimatives Ziel und die Fixierung auf den Return on Investment als Hauptaufgabe des Managements hat sich häufig als durchaus gefährliche Kombination erwiesen.“ Alles klar. Ja – und da hat der Experte schon wieder Recht: Viele europäische Firmen hätten versucht, amerikanischer als die Amerikaner zu sein. Ja, wer möchte nicht ein Über-Amerikaner sein?
 
Vielleicht richtete Peter Felix seinen Hinweis auf den überbordenden Amerikanismus unter anderem auch an die Adresse von „Facts“, das sich ja auch nicht eben unamerikanisch gibt und als einzige Aussenstation in einem fremden Land eine Postadresse an der Walnut Street #1, Champlain, N.Y. 12919–1518 hatte. Bei so viel US-Begeisterung an einem Haufen missfallen der Redaktion natürlich schweizerische Werte und Leute, die sich dafür einsetzen wie etwa Bundesrat Christoph Blocher. Und so gab Chefredaktor Andreas Durisch (Jahreseinkommen: rund 300 000 CHF) diesen Landesvater zum Abschuss frei. Als Jäger durfte ausgerechnet der Basler Historiker Georg Kreis als Verfasser einer entsprechenden Titelgeschichte auftreten: „S ist gnue Heu dunde!“ (Es ist genug Heu am Boden, eine schweizerische Redensart für: Jetzt reichts). Darin lässt Kreis seinem Hass auf Blocher freien Lauf. Selbstverständlich erfährt der „Facts“-Leser das in diesem Zusammenhang wichtige Faktum nicht, dass Kreis Präsident der Rassismuskommission ist und als solcher die Meinungs- und Meinungsäusserungsfreiheit mit an den Haaren herbeigezogenen Argumenten unterdrückt. Er ist im Lande nicht sehr beliebt. Kreis bestimmt, was Rassismus ist – aber für sich selber nimmt er beliebige Meinungsäusserungsfreiheiten in Anspruch. Und jetzt macht Kreis Drohbriefe publik, die er erhalten hat – schon wieder ein anheizendes „Facts“-Titelthema, hausgemacht: „Hassklima in der Politik“.
 
Dazu muss man wissen, dass die knapp angenommene Rassismusstrafnorm schon lange im Visier der Schweizerischen Volkspartei (SVP) ist, der Blocher angehört. SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli schrieb auf der SVP-Homepage www.svp.ch dazu: Die vom Volk 1994 knapp angenommene Rassismusstrafnorm dient der Linken zunehmend als Vehikel, um eine Diskussion über Einwanderungspolitik, Asyl- und Sozialmissbrauch, Ausländerkriminalität, Islamismus oder Entwicklungshilfe möglichst schon im Keime zu ersticken. Die Linke lebt offenbar bestens mit dem Klima der strafgesetzlichen Bedrohung der freien Meinungsäusserung und scheint über die Atmosphäre des Kuschens keineswegs unglücklich. Es sind wohlgemerkt dieselben fortschrittlichen Mitmenschen, die sich noch vor kurzer Zeit über jede Art Gesinnungsschnüffelei und staatliche Fichierung aufs Heftigste erregen konnten.“
 
Mörgeli zählt Georg Kreis zu den Abzockern in der Bergier-Kommission, welche die Rolle der Schweiz im 2. Weltkrieg objektiv aufzuarbeiten gehabt hätte (Kreis wurde für diese missglückte Übung mit 323 233 CHF honoriert), und Mörgeli ordnet ihn als „linkes FDP-Mitglied“ ein. Solche Provokationen von SVP-Seite führten dann dazu, dass Kreis systematisch auf eine Abwahl Blochers aus dem Bundesrat hinarbeitet, was allerdings schon fast ein Kompliment ist. Kreis umkreist die Person Blocher mit einem frei erfundenen, faktenfreien Gedankenkonstrukt: „Ein (zu) grosser Teil der Schweiz verharrt Christoph Blocher gegenüber entweder in lähmender Angststarre oder redet sich mit dem Argument heraus, dass Widerstand kontraproduktiv sei. Oder man ergeht sich schlicht in unkritischer Gefolgschaftsbegeisterung.“
 
Ich weise auf solche Zusammenhänge hin, um den unvermeidlichen Agonieprozess der Zeitschrift „Facts“ verständlicher zu machen; er ist also eine logische Folge akuter Inhaltsschwäche. Geradezu lustig ist aus dieser Agonie-Perspektive das „Facts“-Interview „Die neue Arena wird farbiger“ mit dem Chefredaktor des Schweizer Fernsehens (SF), Ueli Haldimann, der die ständigen Bemühungen um weitergehende Niveausenkungen beim nationalen Gebührenfernsehen erfolgreich weitertrieb und neue Quotenflops herbeiführte (so bei „Leben live“ und „Einstein“). Seit der auflagemässig erfolgreichen Boulevardisierung der Tagespresse im Gefolge von „Blick“ hat sich in die Hinterköpfe der grossen Medienmacher die Gleichung „Niveausenkung = Quote/Auflage“ wie ein unheilbares Krebsgeschwür eingefressen. Und so wird denn auch die Politik-Diskussionssendung „Arena“ noch kürzer (oberflächlicher), dafür aber farbiger werden ... Selbst die Mediengewerkschaft Comedia hat an ihrem Kongress in Basel soeben „die neuesten Auswüchse der Medienkonzentration“ und des Qualitätszerfalls kritisiert: Guter Journalismus werde „zunehmend dem Kommerz geopfert“ (Quelle: Mitteilung vom Freitag, 22.6.2007).
 
Und so ist denn der gleiche Drang zur Banalisierung und Inszenierung statt zur Informierung und zum Ausleuchten von Hintergründen nicht allein beim kindischen SF, sondern auch beim „Facts“ auszumachen. Bezeichnender Auszug aus dem Interview über das SF:
 
FACTS: Nur Boulevard kommt an.
Haldimann: Nein, aber es hat keinen Sinn hochstehende Sendungen zu machen, die niemand schaut.
 
Wieso schenkt man den Menschen nicht fernsehfreie Abende? Ich mache mir dieses Geschenk häufig. Und da es wirklich ebenfall keinen Sinn hat, Magazine herzustellen, die niemand liest, verschwindet jetzt auch „Facts“; offenbar war kein Käufer für die Zeitschrift als solche da. Selbst „Der Spiegel“ mochte da nicht einsteigen, der gerade einen speziellen Schweizer Split (50 Seiten) angekündigt hat, nachdem er seit etwa 3 Jahren über keine eigene Redaktionsvertretung in der Schweiz mehr verfügte. Ausgaben für die „Facts“-Leiche konnte er sich sparen.
 
Das Umfeld ist für Zeitschriften nicht gerade günstig. In den 12 Jahren seines Bestehens fuhr „Facts“ nur in einem einzigen Jahr kein Defizit ein. Die Auflage schwankte zwischen 73 140 (heute) und 100 000. Das Internet setzt, was Tempo und damit auch die Aktualität anbelangt, neue Massstäbe. Gerade bei der Wirtschaftsberichterstattung kann man doch nicht warten, bis eine Zeitschrift gedruckt und vertrieben ist, was Stunden oder Tage dauert. Facts werden dabei zu Oldies. Das beste Beispiel ist die Berichterstattung über die „Facts“-Schliessung selber: Die „Facts“-Abonnenten und -Leser haben das bisher erst aus 2. Hand erfahren ... Das Internet kann minutenschnell reagieren. Aber auch bei Tagesaktualitäten aller Art sind Zeitungen und besonders Zeitschriften zu langsam; sie hinken hinter Internet, Radio und Fernsehen her und behelfen sich dann mit unbeholfenen Inszenierungen, Vorhersagen statt wohlüberlegten Kommentaren, die ihre Aktualität nicht so schnell verlieren.
 
Die Redaktionen sind bei der „Profitmaximierung als ultimativem Ziel“, von der schon Felix sprach, bis aufs Gerippe abgespeckt, und bulimische Organismen vermögen selbstverständlich keine Schwerarbeit zu leisten. Thematisch war das Facts, das ein Schweizer „Spiegel“ werden wollte, zunehmend ein Chrüsimüsi-Heftli, planlos abgefüllte Seiten, aufgebläht mit vielen Fotos im Grossformat. Lifestyle und Glanz-und-Gloria-Schwachsinn tauchten unter der Leitung des bestbezahlten CH-Journalisten Durisch zunehmend auf. Er müsste doch in der Lage gewesen sein, mit den vorhandenen Mitteln eine bessere Zeitschrift zu machen. Lag ihm überhaupt daran? Oder ist so etwas im Rahmen des beengenden Konzernjournalismus’ nicht mehr möglich? Die Zeitschrift beschäftigte immerhin auch brillante Schreiber, die aber nicht ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt wurden.
 
Die Zeit ist für Zeitschriften ungünstig, und Zeitschriften versuchen dieser Unbill durch inhaltliche Verblödungen zu begegnen, ohne zur Kenntnis zu nehmen, dass verblödete Menschen keine Zeitschriften lesen. Wenn alles nicht hilft, kann man immer noch den Rassistenjäger Kreis Titelgeschichten schreiben lassen. Und am Schluss bereiten dann Hauruck-Entscheidungen (Comedia) dem Zerfall ein Ende, das für die Betroffenen bitter ist.
 
„No more ‚Facts’“, titelte die deutsche TAZ, die ihrerseits schon lange ums Überleben kämpft. Der Titel suggeriert, es habe bis jetzt Fakten gegeben. Fakt ist, dass es damit nicht allzu weit her war und der „Facts“-Verlust somit verkraftbar ist. Einer psychiatrischen Langzeit-Betreuung bedarf ich deswegen nicht.
 
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