Textatelier
BLOG vom: 11.08.2007

Das vergnügliche, ökologische Radfahren und die Potenz

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Das Radfahren ist für mich umweltschonend, vergnüglich, gesund und hat einen hohen Erlebnisfaktor. Das Rad benutze ich fast täglich zum Einkaufen in der Stadt, zu kleinen Fahrradtouren oder Fotoexkursionen in die schöne Umgebung. Meistens bin ich mit dem Fahrrad schneller am städtischen Zielort als so mancher Autofahrer. Der Autofahrer muss nämlich erst mühsam einen Parkplatz suchen und dann meistens noch bezahlen. In Schopfheim sind die Parkautomaten mit einer so genannten „Brötchentaste“ ausgestattet. Wer nur kurz etwas erledigen möchte, der drückt die grüne Taste und schon kommt ein Parkschein für 30 Minuten kostenloses Parken heraus. Dieser muss dann hinter der Windschutzscheibe platziert werden. Wer länger parkt und keinen entsprechenden Parkschein hat, wird sein blaues Wunder erleben. Wir haben nämlich hier sehr flinke Hostessen, die jeden ohne Parkzettel mit 10 Euro bestrafen.
 
All dies kann mir mit dem Fahrrad nicht passieren. Man muss jedoch höllisch auf den Verkehr achten, denn sonst könnte es sein, dass man von unvorsichtigen Fahrern angefahren wird. Aber auch als Fussgänger und Wanderer ist man vor solchen Lenkern nicht gefeit. Erst kürzlich, als wir von Blansingen nach Bad Bellingen im Markgräflerland wanderten, wurde ein Wanderer aus unserer Gruppe vom vorbeifahrenden Auto auf einem breiten Feldweg vom Autospiegel am Ellenbogen erwischt. Zum Glück wurde der Wanderer nur leicht gestreift. Der stark ergraute Fahrer, der zum Golfplatz Bad Bellingen fuhr, entschuldigte sich und fuhr dann weiter.
 
In Schopfheim sind etliche Freiluftfanatiker mit ihren Rädern unterwegs. Ab und zu sehe ich dreirädrige Vehikel, solche mit kleinen Anhängern und als Rarität ein Fahrrad mit einer Liegeeinrichtung für den Velofahrer. Manchmal wagt sich eine radelnde Mutter mit ihren Kindern in einem Anhänger durch das Getümmel der Stadt.
 
Viele schätzen die Mobilität. So kenne ich eine Frau, die mit einer Arthrose im Knie sich nur humpelnd fortbewegen, aber ihre Einkäufe mit einem Fahrrad gut erledigen kann. Eine andere Frau aus unserer Nachbarschaft, die vielleicht bald ihr 80. Lebensjahr erreicht, fährt bei jeder Witterung mit dem Rad in die Stadt. Sie ist immer gut drauf, macht einen glücklichen und zufriedenen Eindruck. Ich habe diese Dame noch nie mürrisch gesehen.
 
Trotz lädiertem Hintern gut geschlafen
Ein besonderes Ereignis ist eine mehrtägige Fahrradtour, die ich jedem empfehlen möchte. Vor 6 Jahren bewältigte ich mit einem Arbeitskollegen den 260 km langen Bodensee-Radweg. Wir fuhren mit der Bahn bis Schaffhausen, dann ging es mit dem Rad um den Bodensee. Die längste Tagesetappe betrug 95 km. 4 Tage strampelten wir bei herrlichem Wetter auf den guten, ausgeschilderten Radwegen rund um den See. Wir konnten bei dieser Tour nicht immer am See entlang sausen, sondern mussten so manche Steigung ins Hinterland überwinden. Es gibt nämlich am See noch etliche Privatgrundstücke und die durften wir natürlich nicht frequentieren.
 
Eine zauberhafte Landschaft, interessante Sehenswürdigkeiten, heimelige Gasthäuser und Restaurants und die Begegnung mit Menschen aus der Region oder mit Gleichgesinnten machten den besonderen Reiz dieser Tour aus. Trotz müder Beine und etwas malträtiertem Hintern konnte ich in den Nächten herrlich schlafen. Der Erholungseffekt für Körper, Geist und Seele war enorm.
 
Am 6. August 2007 unternahm ich nach längerer Pause wieder eine längere Fahrradtour mit 2 Wanderfreunden. Wir fuhren bei Temperaturen um die 30° C von Lörrach aus der Wiese entlang ins Markgräflerland. In der Nähe von Binzen suchten wir einen Grillplatz am Rande eines Waldes auf. Dort konnten wir uns gehörig für die Rückfahrt stärken. Insgesamt fuhren wir an diesem heissen Sommertag 40 km. Die Hitze machte uns wenig zu schaffen, da der Fahrtwind uns kühlte. Es war wiederum ein schönes Erlebnis.
 
Mit dabei war übrigens ein 83-Jähriger, der ein Fahrrad mit einem Elektromotor fuhr. Sobald er in die Pedale trat, schaltete sich der Motor hinzu. Wie er betonte, kann er mit einem Akku zwischen 40 und 50 km fahren. Er hat jedoch aus Sicherheitsgründen immer einen Ersatzakku dabei. Das Laden eines Akkus an der heimischen Steckdose kostet ihm nur etwa 7 Cent. Allerdings muss man für ein gutes Elektrofahrrad um die 2000 Euro hinblättern. Aber das lohnt sich. Er bleibt mobil und kann sogar bergige Strecken bewältigen. Bei Anstiegen fuhr er uns buchstäblich davon. Das Verblüffende: man kann das Elektrofahrrad nicht von einem normalen Vehikel unterscheiden. Der Betagte hat schon so manchen jungen Fahrer, der keuchend einen Berg befuhr, durch sein flottes Vorwärtskommen überrascht. Und das ohne Doping!
 
Beweglich und unabhängig
Bevor ich eine Arbeit über das Radfahren für das „Kneipp-Journal“ in Angriff nahm, wollte ich von der Autorin und Bloggerin Rita Lorenzetti aus Zürich einmal wissen, was sie vom Radfahren hält. Sie schrieb mir dazu Folgendes: „Ich benütze mein Velo als meine Möglichkeit, vorwärts zu kommen. Ich fahre also nicht mit dem Rad, um schlank zu bleiben oder Leistungssport zu betreiben. Es dient mir als Fortbewegungsmittel für meine Einkäufe, Kommissionen und Ausflüge. Und es hält – als Begleiterscheinung – meine Beweglichkeit wach. Es schenkt mir Unabhängigkeit. Zusammen mit dem öffentlichen Verkehr, der von Zürich aus sehr gut erschlossen ist, steht mir ein grosser Bewegungsradius zur Verfügung. So kann ich auf das Auto verzichten …
 
Ganz allgemein wird das Fahrrad beliebter und hat deshalb einen gewissen Kultstatus bekommen. Die sitzende Arbeit am Computer ruft besonders für junge Leute nach einem Ausgleich durch Bewegung und Anstrengung. Ich fühle, wie mich dieses Vehikel ausgleicht, meinen Kreislauf stärkt. Habe ich körperliche Arbeit geleistet, die meinen Rücken einseitig belastete, findet die Wirbelsäule beim Radfahren an ihren angestammten Platz zurück…Ich vermute, dass das Velofahren das Gleichgewicht stärkt.“
 
Positive Auswirkungen
Wer sich regelmässig auf den Drahtesel schwingt, kann den Herzmuskel, das Skelettsystem, die Muskeln und das Immunsystem stärken. Der Radler kann aber auch Krankheiten vorbeugen und schon bestehende positiv beeinflussen. Durch das Radfahren erfolgt eine Senkung des Körpergewichts, der Abbau von psychischem Stress, eine Abmilderung oder Befreiung von Rückenschmerzen, Normalisierung des Fettstoffwechsels, Verhinderung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stabilisierung des Blutdrucks. Wer Rad fährt, hat auch weniger mit Demenz- und Brustkrebs-Erkrankungen zu tun.
 
Wer es nicht glaubt, kann es ja einmal ausprobieren: Die körpereigene Hormonproduktion wird durch das Radfahren angekurbelt. Schon nach 30 bis 40 Minuten Radfahren werden „Glückshormone“ (Endorphine) produziert, welche die Stimmung positiv verändern. Das Radfahren hat eine entspannende und antidepressive Wirkung. Menschen, die mit Depressionen und mit anderen psychischen Problemen zu tun haben, ist das Radfahren besonders ans Herz zu legen.
 
Auch für die Venen gut
Zur Vorbeugung von Venenerkrankungen eignen sich hervorragend Kneipp-Anwendungen, Schwimmen, Wandern, Joggen, Walking, eine spezielle Venengymnastik und Radfahren. Durch diese Massnahmen erzielt man eine Kräftigung der Beinmuskeln und eine Aktivierung der Muskelpumpen, die für den Rücktransport des Blutes sehr wichtig sind.
 
Wegen des Radfahrens impotent?
Vorneweg schon dies: Wer normal Rad fährt und einige Dinge beachtet und nicht dopt, wird nicht impotent.
 
Schon vor Jahren wurde publik, dass langes Fahrradfahren auf schmalen Rennsätteln impotent mache. Inzwischen gibt es Studien von amerikanischen und europäischen Medizinern, die beweisen, dass es nach langem Sitzen im Sattel zu Erektionsstörungen kommen kann. Laut einer von der urologischen Abteilung der Uniklinik Köln durchgeführten Untersuchung zeigten die in Vereinen organisierten Fahrradsportler ein dreimal häufigeres Vorkommen von Erektionsstörungen wie Nicht-Fahrradsportler. Warum das so ist, wird wie folgt erklärt: Der Sattel bewirkt eine Abklemmung der Arterien, die den Penis mit Blut versorgen. Ausserdem werden Nerven gequetscht, die für das Auslösen einer Erektion verantwortlich sind. Die Mediziner empfehlen regelmässige Pausen, das abwechselnde Fahren im Sitzen und Stehen (alle 10 Minuten eine stehende Position einnehmen), eine leicht nach unten geneigte Sattelspitze und die Benutzung eines breiteren Sattels mit Gel-Füllung und ergonomisch geformter Einkerbung im Genitalbereich. Laut Hersteller dämpft ein solcher Sattel bis zu 40 % der auftretenden Schläge. Nahtlose Radlerhosen sind ebenfalls empfehlenswert.
 
Die Erektionsstörungen – das dürfte die Hobbyradler beruhigen – zeigten sich besonders bei intensivem Radsport (100 bis 400 km pro Woche über mehr als 5 Jahre).
 
30 Minuten für ein gesundes Leben
Oft genügen schon 30 Minuten sportliche Betätigung im Alter, um sich fit zu halten. Sportmediziner empfehlen für den Nicht-Leistungssportler 4 Stunden Radfahren pro Woche. Bei dieser Betätigung verbrennt der Betreffende 2000 Kilokalorien. Erst über 2000 Kilokalorien erreicht der Sportler eine verbesserte Fitness. „Allerdings profitiert ein gänzlich Untrainierter schon von einer Stunde Sport pro Woche. 3 bis 4 Stunden sind jedoch am effektivsten“, betonte Hans-Hermann Dickhuth, Leiter der Sportmedizinischen Abteilung des Klinikums Freiburg. In einem Lebenszeitvergleich hatten die aktiven Senioren die Nase vorn. Die Trägen starben bis zu 7 Jahre früher.
 
Sogar Herzpatienten mit stabilen koronaren Herzkrankheiten können durch die richtige Dosis Sport ihre Lebenserwartung erhöhen. Auch für Personen mit osteoporotischen Veränderungen bzw. Degenerationen (Abbau von Knochenmasse) sind richtige Belastungen für das Skelettsystem von eminenter Bedeutung. Wichtig ist, dass das Skelettsystem nicht überlastet wird. Das moderate Radfahren eignet sich hier besonders gut.
 
Nach all diesen positiven Meldungen sollten wir ab und zu auf das Velo steigen und herumradeln. Das Radfahren ist in der Tat ökologisch, vergnüglich und gesund.
 
Internet
www.rad-weg.com (Rad-Touren in Europa)
www.gewusst.net (Fahrradwege)
www.fahrradlexikon.de (Fahrradlexikon)
www.medizinauskunft.de (Fahrradfahren: Die richtige Haltung)
www.zfg-koeln.de/texte/Kompendium.pdf (Kompendium gesundes Radfahren mit Trainingsanleitungen)
www.bikemap.de (Radtouren lassen sich anzeigen bzw. wahlweise als Satellitenbild oder Karte und als GPS-Daten herunterladen; das Höhenprofil und die Streckenlänge werden automatisch berechnet).
 
Literatur
Heinz Scholz: „Ökologisch, vergnüglich, gesund“ (Radfahren, die Fortbewegungsart mit Erlebnisfaktor), „Kneipp-Journal“, 2007-06.
Heinz Scholz: „Mobil dank Technik“, „Kneipp-Journal“, 2007-04 (u.a. Infos über Elektrofahrräder).
 
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