BLOG vom: 25.08.2007
Landplage Telefon-Umfrage. Die Beschäftigungstherapeuten
Autor: Walter Hess, Biberstein CH (Textatelier.com)
Diese Telefon-Umfragerei hat sich zu einer wahren Landplage entwickelt. Ich bitte die demoskopischen Institute deshalb dringend, einmal eine Umfrage über die Beliebtheit von Umfragen zu veranstalten. In der Regel mache ich da nicht mit, und meine Frau wimmelt meistens die Anrufer ab, weil sie meine Haltung kennt. Doch einem Umfrager vom Demoskop-Institut (oder so), Herr Meier, gestattete sie einen 2. Anruf, nachdem sie mich vorgewarnt hatte. Die Umfrage werde im Auftrag des Aargauer Regierungsrats veranstaltet und betreffe das Thema Sicherheit. Man weiss ja nie so recht, ob das stimmt und kann eigentlich nicht nachkontrollieren, ob die Vorstellung des Anrufers wahrheitsgetreu oder frei erfunden ist.
Ich sagte ausnahmsweise zu, opferte die 10 Minuten und musste mich nach Bekanntgabe meines Alters in rascher Folge äussern. Ich gab auftragsgemäss den Jahrgang (1937) an, wobei aber das Alter in Jahren gefragt war. Ich musste selber hochrechnen und kam einmal mehr auf 70. Dann musste ich sagen, ob ich mich sicher fühle (ja), genügend geschützt von der Polizei sei (ja). Und wie in einem staatspolitischen Eignungstext musste ich wissen, welche Aufgaben von der Gemeindepolizei (die haben wir in Biberstein nicht mehr, werden von Aarau aus umsorgt) und welche die Kantonspolizei habe. Es ging also um Fragen der Zuständigkeiten, und ich nehme an, dass der aargauische Regierungsrat diese durchaus kennt; ansonsten er besser direkt bei den Polizeien nachfragen könnte. Dann hätte er gleich eine Antwort aus 1. Hand. Bei solchen Gelegenheiten kommen in mir dann wieder kritische Gedanken über Sinn und Unsinn dieser Umfragen-Systematik empor, und ich bin nicht so ganz sicher, ob die Fragebogen-Ausarbeiter genügend Sinn fürs Wesentliche entwickeln oder das als allseitige Beschäftigungstherapie erachten.
Die Antworten machten mir wenig Mühe, denn als Alt-Journalist weiss ich schon, wofür die verschiedenen Polizeien zuständig sind. Und ich hatte während Jahrzehnten viele berufliche Kontakte mit diesen Institutionen, wurde immer kompetent und anständig behandelt. Ich hatte auch immer die begründete Überzeugung, dass die Aargauer Kantonspolizei, seitdem Léon Borer das Szepter schwingt, hervorragend funktioniert. Er ist der geborene Oberpolizist, stringent im Denken und Handeln, kompetent und intelligent. Den Kriminellen versauert er das Leben. Ich habe ihn an verschiedenen Medienorientierungen erlebt. Auch die Polizisten in den Gemeinden machen mir einen wohlerzogenen, sachkundigen Eindruck. Dieses Erfahrungswissen schlug sich in meinen Antworten nieder.
Doch einen endlosen Ausbau des Polizeiapparates und Polizeistaates nach US/GB-Muster möchte ich nicht. Ich brauche keine Gewähr, unbedingt eine Parkbusse einzustreichen, wenn ich einmal zweieinhalb Minuten nach Parkticket zum Auto zurückfinde. Ich gab dem Umfrager zu Protokoll, dass die zivilen Leute selber etwas mehr für ihre Sicherheit tun könnten; man sollte ja nicht wie ein Kleinkind rund um die Uhr beschützt werden müssen.
Aufgrund der Fragestellungen hatte ich das Gefühl, dass da suggestiv auf einen Polizeiausbau hingearbeitet werde: „Was könnte die Polizei noch mehr tun, noch besser machen?“ Ich antwortete, sie sei gut genug und genüge meinen Ansprüchen. Und auf die Frage nach Nachruhestörung hätte ich gern geantwortet, dass mich Festchen von Nachbarn überhaupt nicht stören, wohl aber die zunehmende Feuerwerkerei in der weiteren Umgebung, die man nach Umweltschutzgesetz verbieten müsste. Doch für solche politisch brisanten Aussagen bietet das Umfrageprotokoll keinen Platz. Man ist in seinen Aussagen aufs Formalistische eingeschränkt, muss da mit Zahlen zwischen 1 und 10 antworten, oder mit „sehr“, „mässig“, „gering“ und dergleichen Hohlwörtern, die den Vorteil haben, in Zahlen umgemünzt werden zu können und dann computertauglich sind.
Etwas läppisch kamen mir die Fragen vor, ob ich mir vorstellen könnte, tätlich angegriffen zu werden, ob ich mir einen Entreiss- oder anderweitigen Diebstahl vorstellen könne, gar ein Sexualdelikt (ich kenne weit und breit keine Frauen, die mich vergewaltigen wollen), und mit häuslicher Gewalt habe ich auch infolge anderweitiger Beschäftigungen nichts am Hut.
So sauste ich ruckzuck durch den Umfragebogen, suchte etwas einigermassen Passendes aus der vorgegebenen Begriffspalette aus, und wenn ich etwas differenzierter antwortete, münzte das Herr Meier gleich in ein „mässig“ um. Irgendwie übermannte mich wieder einmal jenes schale Gefühl, 10 Minuten sinnlos verplempert zu haben.
Herr Meier bedankte sich geschäftig, und ich fragte noch, ob ich zu dieser Umfrage noch eine persönliche Bemerkung machen könne. Das sei leider nicht mehr möglich, wünschte einen guten Abend und hängte auf, falls Umfrage-Demoskopen noch Hörer zum Aufhängen haben.
Ich hoffe dennoch, dem Aargauer Regierungsrat einige gute Antworten geliefert zu haben und stehe ihm für weitere Fragen jederzeit gern zur Verfügung. Wenn er mich zum Beispiel fragen würde, ob er seine Entscheide aufgrund von Telefonumfragen fällen solle, würde ich ihm davon abraten.
Falsch gestellte Umfragen-Fragen und einfältige Antworten von überrumpelten Menschen, die gerade in anderen gedanklichen Sphären verkehren, könnten sich verheerend auswirken und bei den nächsten Wahlen zum Entzug des Führungsausweises führen.
Man könnte die Umfragerei abschaffen, auf Meldungen über Umfrageergebnisse verzichten und in die Wirklichkeit zurückkehren.
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