BLOG vom: 28.08.2007
Priester-Geschichten (I): Wenn US-Pfarrer sexuell ausrasten
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
In meiner Anekdotensammlung sind etliche amüsante und auch besinnliche Anekdoten über Priester, Klosterbrüder und Nonnen zu finden. Aber es gibt auch neuere Geschichten, die weniger zum Lachen sind. Ich stelle die neueren Vorkommnisse an den Anfang, erst dann werde ich über amüsantere Dinge berichten.
Die Zustände in den USA
Vor einiger Zeit wurde berichtet, dass die Erzdiözese Los Angeles 660 Millionen Doller an die Opfer sexuellen Missbrauchs zahlen wird. Lange Zeit wurden die Priester von der Erzdiözese geschützt oder nach einer Therapie an andere Gemeinden versetzt. Der Erzbischof, Kardinal Roger Mahony, hat sich inzwischen bei den Opfern entschuldigt.
4392 Priester wurden in den USA inzwischen des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Die amerikanische Katholische Liga hält das erwähnte Ausmass des Missbrauchsskandals für übertrieben. In den USA gelten schon „Harmlosigkeiten“ als sexueller Missbrauch.
Am 30.04.2005 berichtete ich in dem Blog „Im Land, wo man Kindergärtler mit Handschellen erzieht“ über den Fall Raoul. Eine Nachbarin hatte den 11-jährigen Jungen wegen sexueller Nötigung angezeigt. In Wirklichkeit hatte Raoul nur seiner kleinen Schwester beim Pinkeln geholfen. Er wurde verhaftet und eingesperrt. Die Familie war so wütend, dass sie die USA mit ihren anderen Kindern verliess und in die Schweiz übersiedelte. Erst ein halbes Jahr später durfte Raoul nachkommen.
Natürlich muss man Missbrauch sehr ernst nehmen. Die Dunkelziffer dürfte jedoch sehr viel höher sein, da die Opfer aus Scham oft schweigen.
Nicht nur in den USA, sondern auch in europäischen Ländern sind sexuelle Übergriffe vorgekommen, so auch in Deutschland und in der Schweiz. Eine sehr gute Arbeit dazu stammt von Udo Rauchfleisch, Psychologie-Professor an der Uni Basel. Sie finden die Publikation „Priester-Sex mit Kindern: Die Mitschuld der katholischen Kirche“ unter
Zwangszölibat abschaffen?
Interessant ist auch der Kommentar dazu von Heinz Jäggi aus Buus (Bezirk Sissach BL). Er betonte – da bin ich derselben Meinung wie er –, dass man das Zwangszölibat endlich abschaffen sollte. Er schrieb Folgendes: „Sicher gibt es Priester, die konsequent ein zölibatäres Leben führen können und die sexuelle Kräfte in geistige Werte wie Nächstenliebe, Opferbereitschaft, Demut, Versöhnlichkeit usw. umzuwandeln imstande sind. Dies ist bewundernswert, ist aber ein schwieriger Weg und erfordert diszipliniertes Leben in Gedanken und Taten.“ Dann betonte der Kommentator, dass ein Priester auch ohne Zwangszölibat sein Amt ebenso oder vielleicht sogar besser ausüben kann. „Damit könnten in vielen Fällen sexuelle Übergriffe aller Art, besonders aber an wehrlosen Kindern vermieden werden. Die katholische Kirche sollte endlich ihre veralteten Strukturen ändern und dieses unheilvolle Zwangszölibat abschaffen, sonst wird es immer schwieriger werden, Menschen für das Priesteramt zu finden.“
Erst kürzlich unterhielt ich mich mit einem Bekannten über die Vorfälle und das Zölibat. Er war ebenfalls der Ansicht, man müsse endlich das Zölibat abschaffen. Dann warf er noch etwas ganz Interessantes in die Diskussion. Viele evangelische Priester zeugten Nachkommen, die im späteren Leben auf Grund der besseren Möglichkeiten zur Schul- und Ausbildung Erfinder, Forscher, Schriftsteller, Mediziner und Philosophen wurden. „Welch ein grosses Potential ging durch das Zölibat verloren“, so die Ansicht meines Gesprächspartners. Dieser Meinung stimme ich voll und ganz zu. So hätte es beispielsweise keinen Leonhard Euler gegeben, der als der gescheiteste Auslandsbasler gilt und die Mathematik in St. Petersburg und Berlin prägte. Er wurde am 15. April 1707 als Sohn des reformierten Pfarrers Paulus Euler und der Margaret Brucker in Basel geboren. Eine Sonderausstellung über dieses Genie findet derzeit im Naturhistorischen Museum statt (www.euler-2007.ch).
Wer sich über das Zölibat informieren möchte, findet mit der Suchmaschine Google unter dem Stichwort „Zölibat“ wichtige Informationen.
Nackt herumgelaufen
Ich verstehe den Priester nicht, der kürzlich in der Nähe von New York nackt herumjoggte und angeblich nichts Unkeusches im Sinn hatte und nur, wie er betonte, die kleiderlose „Freiheit“ geniessen wollte. Er musste doch wissen, wie sensibilisiert die Öffentlichkeit inzwischen geworden ist. Ich bin überzeugt, dass viele die Ansicht vertraten, hier treibe ein Exhibitionist sein Unwesen.
Eifersüchtiger Priester wurde rabiat
Und noch eine ganz aktuelle Geschichte über einen Geistlichen. In Thessaloniki wurde ein Geistlicher laut AFP (18. August 2007) vor ein Gericht zitiert, weil er aus Eifersucht die Bremszüge am Auto seines Rivalen durchgeschnitten hatte. Der evangelische Pfarrer, Vater von 2 Kindern, war in Rage, als er von der Affäre seiner Frau mit dem örtlichen Lebensmittelhändler erfuhr. Er zerschnitt nicht nur die Bremszüge, sondern er soll auch einen Molotow-Cocktail auf den Wagen des Rivalen geworfen haben. Damit noch nicht genug: Dem Nebenbuhler flatterten noch Drohbriefe ins Haus. Ich finde ein solcher Priester habe seinen Beruf verfehlt. Es gäbe ja auch andere Möglichkeiten, ein solches Problem gewaltlos zu lösen.
Pater und Zölibat
Von selbst erlebten Anekdoten berichtete ich bereits unter „Artikel nach Autoren“ über ein „Donnerwetter von der Kanzel“ und über einen verlorenen Geldschein.
Auch über den Pater Hermann-Josef Zoche vom Kloster Maria Bronnen wurde schon berichtet. Er erzählt bei seinen Vorträgen immer wieder folgende Äusserungen zweier Priester, die über das Zölibat diskutierten. Meinte der eine: „Es wird wohl noch lange dauern, bis wir heiraten dürfen.“ Sein Kollege darauf: „Wir werden das sicher nicht mehr erleben, aber unsere Kinder!“
Und nun noch einige Geschichten von anno dazumal.
„Sittliche Erziehung“
In einem Schreiben des Wachtmeisters M. ans Bezirksamt Schopfheim D vom 28. April 1887 wird der katholische Pfarrer von Minseln denunziert. In dem Brief heisst es u. a.: „Weiter teilt mir Lehrer R. mit, dass vor etwa 2 Jahren, wo Pfarrer E. den Kindern in der Schule Beichtunterricht bezüglich über die Sitte der Unkeuschheit gegeben, soll derselbe in seiner Erklärung, dahin sich ausgedrückt haben, ,ihr Kind schauet nicht zum Schlüsselloch hinein, wenn eure Eltern wo allein sind, denn das ist eine Sünde’. Auch die Weiber sollten nicht ohne Schurz auf öffentlicher Strasse herumlaufen, so dass man zu den Rockschlitzen hinein sehen kann, solches Alles ist gegen die Sitte.“ Der Wachtmeister hatte wohl die Befürchtung, durch diese detailliert geschilderten Verbote würden die Kinder neugierig und das Verbotene erkunden.
Der sexuelle Missbrauch von Kindern kam in vergangener Zeit häufig vor. Es wurden nur wenige Fälle aktenkundig. Die meisten Fälle spielten sich wohl im familiären Kreis ab. Kamen Fälle vor Gericht, wie dies aus Akten um das Jahr 1920 ersichtlich ist, wurden die Schuld und die Ursache immer bei den Heranwachsenden gesucht. Das Kind galt nämlich von vornherein als verdorben, während die ach so unschuldigen Erwachsenen als Verführte galten.
Quelle: „Kindheit in Rheinfelden und seinen Ortsteilen im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts“ von Karin Wortelkamp, Rheinfelder Geschichtsblätter 10, Rheinfelden 2000.
Verhängnisvoller Fehler
Peter Kessler war einer von vielen Geistlichen, die aus der katholischen Kirche austraten und zum evangelischen Glauben überwechselten. Nun war ihm eine Heirat möglich. Er schwor sich eines Morgens beim Gang zur Kirche, diejenige Jungfrau, die ihm zuerst über den Weg laufen würde, zu ehelichen. Als er nun zu St. Peter hinaufstieg, gewahrte er eine in Lumpen gehüllte Bettlerin mit schönem Antlitz und, wie er meinte, von züchtiger Sitte und die voller Demut um ein Almosen bat. Als sie von dem Wunsche des Geistlichen erfährt, willigt sie ohne zu Zögern ein. Die Hochzeit wurde bald gefeiert. Und was machte die beglückte Ehefrau? Sie entwickelte sich zu einer Haustyrannin und „zwackt ihn in Rohheit und Übermuth, so dass er in seiner Langmuth scherzweise zu sagen pflegte, er habe noch nie ein grösseres, aber schlechter angewandtes Almosen gegeben.“
Der Arme wäre besser katholischer Priester geblieben, dann wäre ihm wohl vieles erspart geblieben. Er wollte ein gutes Werk tun, wurde aber auch von der Schönheit des Gesichts geblendet. In der Ehe hat er dann einen Vorgeschmack auf die Hölle bzw. Vorhölle bekommen.
Quelle: Zitiert in „Freud und Leid“ von Eugen A. Meier, Birkhäuser Verlag, Basel 1981.
Der Pfarrer erzählte Skandalgeschichten
1511 kam es in Calw D zu Klagen zwischen Vogt, Gericht und bürgerlicher Gemeinde einer- und den Pfarrern anderseits. Durch ein Schreiben wurden die Rechte und Pflichten eines Pfarrers festgelegt. So sollte der Gottesmann gefälligst pünktlich beim Gottesdienst erscheinen, und er dürfe auch nicht während des Gottesdienstes spazieren gehen: Messen sollten mit „gutem Ernst und Fleiss“ gesungen werden.
Hieronymus Kranz, evangelischer Pfarrer von Calw, der 1534 für 3 Jahre das Pfarramt übernahm, wurde gerügt, er solle doch in seinen Predigten nicht nur Calwer Skandalgeschichten vorbringen, sondern sich bitte ans Evangelium halten. Bald darauf musste er die Stadt und das Land verlassen. Kranz wurde nach diesem „Rausschmiss“ Pfarrer von Diesenhofen im Thurgau.
Ich kann mir gut vorstellen, dass die Gottesdienste dieses Pfarrers sehr gut besucht waren, konnten doch die Bürger immer die neuesten Skandalgeschichten hören. Damals gab es ja noch keine Boulevardzeitungen.
Quelle: „Calw – Geschichte und Geschichten aus 900 Jahren“ von Ernst Rheinwald und Gisbert Rieg, Verlag der A. Oelschläger`schen Buchhandlung, Calw.
Es krachte und polterte
Ein Pfarrer predigte einmal in einer staatlichen Anstalt von Liestal (Schweiz). Schon vorher bemerkte er den baufälligen Zustand des Podiums, auf dem er stehen musste. Als er nun Johannes 14:19 las: „Noch eine kleine Weile, und die Welt wird mich nicht mehr sehen“ krachte das Podium polternd zusammen, und der Pfarrer verschwand mit Getöse hinter dem Katheter! Diese Episode erzählte Wilhelm Schaub, der ein Freund des besagten Pfarrers war.
Ein Luther-Kenner
Johann Georg Lenggenhager, Verfasser einer Sammlung von Volkssagen, wirkte von 1847 bis 1874 als Pfarrer in Ormalingen-Hemmiken (Schweiz). Von diesem Geistlichen wird berichtet, er habe stets eine Tabakpfeife geraucht, die mit einem Luther-Kopf verziert war. Seine Kollegen meinten, kein Theologe habe Luther so warm gemacht wie Pfarrer Lenggenhager (nach Pfarrer Dr. Karl Gauss).
Katholisch und reformiert
Ein Reformierter war bei einem katholischen Geistlichen zu Gast. Voller Stolz zeigte der katholische Priester seinen herrlichen Blumengarten. Er vergass auch nicht auf die „heiligen“ Namen etlicher Pflanzen hinzuweisen. So hiess eine Pflanze „Veronica“, eine andere „Euphrosina“. Als sie zu einigen Brennnesseln kamen, wollte der Reformierte wissen, wie er diese Pflanze nenne. „Das ist der Luther“, entgegnete der Katholik. Daraufhin meinte der reformierte Amtsbruder: „Los, i will der öppis säge, mit alle dyne Heilige chönntsch s Hinder putze, aber mit em Luther nit!“ (nach Gustav Müller).
Quelle der letzten 3 Episoden: „Pfarrer-Anekdoten“, gesammelt von Paul Suter, Baselbieter Heimatblätter, Nr. 3, 1970.
Ringkampf des Vikars
Früher scheint es unter den Pfarrern etliche schwarze Schafe gegeben zu haben. Ein Vorkommnis möge dies verdeutlichen. So tauchte in den Akten des Dekanatarchivs der Name eines Vikars aus Oberschwörstadt D unter „Raufgeschichte“ auf. Der Vorfall ereignete sich nach einer Trauung 1834 in Brennet (heute zu Wehr/Baden gehörend). Nach einer weltlichen Feier spielte der Vikar in einem Wirtshaus Karten mit dem Bürgermeister und einem Maurermeister. Da dem Geistlichen das Glück an diesem Tag nicht hold war, kam es zu einem lautstarken Streit. Der Vikar forderte den Maurermeister auf, sich mit ihm in einem Ringkampf zu messen, er hatte jedoch dazu keine Lust. Daraufhin verliess der Vikar das Lokal, worauf ihm seine „beiden Gesellschafter scheltend und schimpfend nachfolgten“. Der Ringkampf wurde dann doch noch auf dem Rathaus ausgefochten, zweimal war der Bürgermeister Sieger, einmal der streitsüchtige Vikar. Nach Beschwerden des Bürgermeisters an seinen Vorgesetzten erhielt der Pfarrer einen Verweis.
Die Rauflust scheint den modernen Pfarrern abhanden gekommen zu sein. Aber sie reagierten sich anders ab. So erlebte ich während meiner Schulzeit in Bayern einmal einen Pfarrer, der ab und zu an geschwätzige Kinder Ohrfeigen verteilte. Da waren Heulen und Zähneknirschen angesagt. Und der Pfarrer bekam vor Wut einen roten Kopf.
Quelle: „Das vordere Wehratal – Öflingen, Wehr und Umgebung in Geschichte und Gegenwart“, von M. Klär, Karlsruhe 1928.
Fortsetzung folgt.
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