Textatelier
BLOG vom: 09.09.2007

Bergwerksfest Herznach AG: Stollenöffner in Spendierlaune

Autor: Walter Hess, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
„Zurück in den Stollen“ – das ist bzw. war das Motto des Bergwerksfests in Herznach im aargauischen Oberfricktal vom 8./9. September 2007. Es ging im Klartext darum, Geld einzutreiben, damit der Verein Eisen und Bergwerke (VEB), CH-5027 Herznach, wenigstens die ersten 40 bis 60 m des verlassenen Stollens an der Bergwerkstrasse in Herznach so herrichten kann, dass das Publikum gefahrlos, das heisst ohne von herabstürzenden Ammoniten erschlagen zu werden, Bergwerkatmosphäre von innen geniessen kann. Bis alle Sicherheitsbestimmungen erfüllt sind, braucht es schon einiges.
 
Den hochgebildeten Blogatelier-Intensivlesern ist seit dem 8. Mai 2007 (Warum selbst der Oberfricktaler Eisenweg zu rosten anfing) bekannt, dass in Herznach (Aargau) zwischen 1937 und 1967 Eisenerz aus dem 5 bis 6 m mächtigen Schichten abgebaut worden ist; die gesamte Fördermenge belief sich auf 1,619 Mio. Tonnen. Im Weltmassstab ist das wenig, für Fricktaler Verhältnisse viel. Erfreulicherweise soll dieses Kapitel Kulturgeschichte nicht einfach im Dunkel der Vergangenheit versinken, sondern zu neuem Leben erweckt werden, auch wenn keine weitere Ausbeutung vorgesehen ist. Zu den Initiatoren gehören der 2004 gegründete VEB (Präsident: Hans Reimann), die Regionalorganisation „dreiklang.ch“ (Geschäftsführer: Peter Bircher), der geschichtskundige Gemeindeschreiber von Zeihen AG, Franz Wülser, und der regionalverbundene AZ-Redaktor Geri Hirt aus Linn. Selbstverständlich ist diese Aufzählung unvollständig; ich habe hier einfach festgehalten, was mir aus persönlichen Gesprächen bekannt ist.
 
Bei der Eröffnung des Bergwerksfests am Samstagvormittag, 8. September 2007, erinnerte Hans Reimann ans 1. Bergwerksfest von 2005, als Geld für die Anlage des Eisenwegs Wölflinswil–Herznach–Ueken–Zeiher Homberg eingetrieben wurde. Dies geschah im Rahmen der VEB-Zielsetzungen, „die Geschichte des Eisenerzabbaus im oberen Fricktal im Zusammenhang mit der Geologie und der Landschaft bewusster zu machen und im Besonderen die Bedeutung der Erzgewinnung für die Gemeinden Herznach, Ueken, Wölflinswil und Zeihen darzustellen“. Dazu diente vorerst einmal der Eisenweg, den ich in den vergangenen Wochen Meter für Meter abgeschritten hatte, ohne dass dies vorläufig auf einer Orientierungstafel vermerkt ist ...
 
Kürzlich wurde vom VEB ein Teil der Ammonitensammlung des Ernst Schertenleib aus Thalheim für 20 000 CHF gekauft, der jeweils mit dem Velo über den Jura gefahren war, harassenweise Bier ins Bergwerk brachte und dafür harassenweise Ammoniten mitnahm. Ein Teil der Ammoniten (etwa 750 Stück) kam dann zum bekannten Ballonfahrer Andy Hunziker in Vordemwald AG (Bezirk Zofingen), und nun sind sie wieder an ihren Ursprungsort zurückgekehrt. Das freut alle, inklusive die betroffenen Ammoniten und Belemniten.
 
Unter der Wettertanne am Teich auf der Abraumhalde zwischen Siloturm und Bergwerkseingang, wo wieder einmal die Bergwerkszüge verkehrten, sagte Hans Reimann, nach all diesen Auslagen sei der Verein finanziell wieder auf Null, wie immer. Und so wurde denn der Eröffnungsapéro im betont bescheidenen Rahmen durchgeführt (Getränke und Oliven). Laut dem OK-Präsidenten Michael Steffen wurde damit deutlich gemacht, dass mit den Sponsorenbeiträgen und übrigen Geldern sehr sparsam umgegangen wird.
 
Zur Aufmunterung spielte die Blaskapelle Rhybuebe Stein (AG) eine lüpfige Polka; ein Rudel Damhirsche, das im Bergwerkgelände gehalten wird, fühlte sich von diesen beschwingten Klängen derart erschreckt, dass es keinen Rundtanz aufführte, sondern sich in Deckung brachte.
 
Nachdem alles formell eröffnet war, sah ich mich auf dem Festgelände um, wo 9 Beizen und eine Omelette-Bar anzutreffen waren. Aus einem Schmelzofen gab es Raclette, um unseren Käsebestand abzubauen. Besonders attraktiv waren die ausgestellten Erze, Transportwagen und eine kleine Stollenbahn-Lokomotive und insbesondere die umfangreiche Ammonitenausstellung.
 
Die Ammonitensammlung besteht nicht nur aus dem, was Schertenleib zusammengetragen hat, sondern auch aus der Sammlung Chiarin–Huber–Kessler aus Zürich und zahlreichen weiteren Gaben. Der Ammonitenfachmann Toni Schwarz erklärte mir die gut geordnete und beschriftete Schau, die später im Bergwerkeingang zu sehen sein wird. Darunter sind auch ausgefallene Stücke wie eine Missbildung des Ammoniten Perisphincher, und man erkennt anhand von Versteinerungen, wie es im Erdmittelalter (Mesozoikum), also vor etwa 170 Mio. Jahren, auf dem Meeresboden ausgesehen haben muss, ein enormes Durcheinander von Lebewesen, die inzwischen mit Ausnahme des Nautilus samt und sonders ausgestorben sind – zusammen mit den Sauriern (die ja auch im nahen Gebiet gelebt haben, das wir heute Frick nennen). Ich schaute dann noch Hans Beck beim Ammoniten-Restaurieren zu; er kam mir wie ein Zahnarzt vor, der mit einem Mini-Pressluftbohrer den Zahnstein wegsprengt. Und zudem sprach ich mit dem Erzsammler Thomas Zollinger aus CH-5314 Kleindöttingen. Er zeigte mir verschiedene Erzproben, so etwa ein geschliffenes Stück Eisenerz mit Mangan und Vanadium aus dem Gonzen in Sargans SG, ein Limonit (Braueisenerz, Brauneisenstein) aus San Silvester in der Toskana usw.
 
Zudem waren auch Eisenkünstler ins erzige Treiben einbezogen worden: Basil Luginbühl aus Mötschwil bei Burgdorf BE hatte wuchtige Kerzenständer geschmiedet, Franz Arnold aus Schöftland im aargauischen Suhrental war mit einem Krafthammer in Aktion, und eine Feldesse aus der Wagner Huf- und Eisenschmiede aus Wölflinswil wurde ebenfalls in Betrieb gesetzt. Das Atelier Steiner aus Endingen zeigte das Arbeiten am Amboss, und mit einer Nagelschmiede wurde das alte Handwerk aus dem Sulztal vor der Vergessenheit gerettet. Zudem hatte der wohnlich und geschmackvoll eingerichtete, 17,5 m hohe Bergwerksilo Herznach offene Türen.
 
Für allfällige Notzeiten lagern noch etwa 28 Mio. Tonnen Eisenerz unter dem Kornberg und Fürberg, also zwischen Herznach und Wölflinswil. Der Eisengehalt um die 30 % ist bescheiden, und so dürfte das rostbraune Gestein auf unabsehbare Zeiten hin seinen Frieden haben. Von der Festereien im ruhenden Bergbaugebiet dürfte es sich nicht stark gestört gefühlt haben – im Gegenteil: Das war doch eine Ehrerbietung an die Fricktaler Eisenzeit, die viel jünger als die vorgeschichtliche Vorgängerin ist.
 
Im Fricktal sind die Dimensionen eben noch überschaubar.
 
Hinweis auf ein Buch über das Gebiet Fricktal/Bözberg
Keller, Heiner: Bözberg West. Landleben zwischen Basel und Zürich“, Verlag Textatelier.com, CH-5023 Biberstein 2005.
 
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