Textatelier
BLOG vom: 09.10.2007

Erlebnisse im Kantonsspital Aarau (8): Via Notfallstation

Autor: Heiner Keller, Ökologe, Oberzeihen CH (ANL AG, Aarau)
 
Wiedereintritt durch die Notfallstation: 19.09. bis 21.09.2007
 
„Ich komme mit.“ Meine Frau, noch unter dem Eindruck der Bilder aus der Computertomographie und der Ernsthaftigkeit des Hausarzts, beharrt darauf, mich persönlich wieder im Kantonsspital Aarau abzuliefern. Man hat uns in die Urologie bestellt. Gepäck haben wir wegen der überraschenden Einweisung keines.
 
Leicht bedrückt warten wir am Besucherlift. Der Lift kommt, und aus dem Lift tritt der Herr Professor, der mich operiert hat und bei dem wir wieder angemeldet sind. Er erblickt mich, kommt in all den wartenden Leuten auf mich zu, sagt „Guten Tag“ und: „Herr Keller, jetzt ist es nicht mehr lustig.“ Das habe ich auch nie behauptet, und so stelle ich ihm zuerst einmal meine Frau vor. Er beachtet sie kaum, sondern will sofort die Tabelle mit den Blutwerten. Halblaut murmelt er Zahlen vor sich hin. Seine Miene verrät mir nichts. „Haben Sie die Bilder?“ Er drängt uns in den Gang, reisst die Bilder aus dem grossen Couvert, betrachtet sie und meint: „Ja, da, sehen Sie! So, jetzt fahren Sie hoch in die Urologie und warten dort auf mich. Ich habe hier noch etwas zu erledigen.“
 
Wir fahren mit dem Lift und schlendern durch den langen Gang. Wir sind erstaunt: Der Professor ist schon hier. Irgendwo hat er uns überholt: „Kommen Sie mit!“ Wir müssen unser Tempo beschleunigen, um mit ihm Schritt zu halten. Es geht wieder abwärts in eine grosse unterirdische Eingangsrampe: Die Notfallstation. Ähnlich einer Zollstation sind seitlich mehrere Büros angeordnet. In ihnen wird die Administration erledigt: „Hier. Der Herr Keller, bleibt 5 Tage bei uns, er bekommt wieder ein 2er-Zimmer und tritt via Notfallstation bei uns ein. Ich werde mich um das Weitere kümmern.“ Der Herr Professor verabschiedet sich. Vor der Schiebetür zum Gang der Notfallstation verabschiede ich mich von meiner Frau und trete ein.
 
In Erinnerung habe ich einen grau-grünen Gang, spärlich möbliert mit Türen nach links und rechts. Eine Pflegefachfrau führt mich in einen der ersten Räume auf der linken Seite. Der Raum ist mit einem weissen Vorhang unterteilt. Ich bekomme das Bett bei der Türe zugewiesen. Mit einem neuen Spitalhemd versehen, lege ich mich ins Bett. Und schon werden wieder der Servicewagen und ein Ständer für Infusionen („Christbaum“) gebracht. Fieber und Blutdruck werden gemessen. Ich wehre mich wieder gegen die Blutabnahme: Mein Blut wurde heute Morgen schon untersucht. Die Unterlagen sind bei den Ärzten. Und eine Infusion möchte ich erst, wenn klar ist, wie es weitergeht. Die erfahrene Pflegefachfrau ist sehr freundlich. Sie insistiert nicht, sondern stellt die Sachen zur Seite. Sie erneuert mir den Verband und hängt vorsorglich das Täfelchen „Nüchtern“ an mein Bett.
 
Der Mann hinter dem Vorhang
Hinter dem Vorhang höre ich ein verhaltenes, aber regelmässiges Stöhnen und Stimmengemurmel. Leute des Spitals kommen und gehen. Noch habe ich keine Zeit und keine Ruhe, um mich den Eindrücken des Raums hinzugeben: Eine charmante, zierliche, junge Ärztin kommt und setzt sich auf einen Stuhl neben meinem Bett. In gepflegtem Hochdeutsch – Hochdeutsch oder neu Schriftdeutsch wird immer mehr zur Sprache im Kantonsspital Aarau – erläutert sie mir ihre Aufgabe: „Ich muss Sie über Ihren Zustand befragen, damit wir entscheiden können, was wir weiter machen.“ Sie ist informiert, dass sich bereits die Ärzte der Urologie um meinen Fall kümmern. „Sie sind in guten Händen“, meint sie. Sie von der Chirurgie, ist deshalb die Verantwortung für mich los, und wir können uns ganz ohne Anspannung unterhalten. Sie wirkt fröhlich und hört meiner Spitalgeschichte interessiert zu. Treuherzig bekennt sie: „Ich glaube, ich verstehe Sie. Ich würde es wahrscheinlich im Spital auch nicht aushalten. Aber wissen Sie, ich lag noch nie als Patientin in einem Spitalbett.“ Rasch füllt sie ihren obligatorischen Fragebogen aus, wünscht alles Gute und verabschiedet sich. Ich nehme an, sie bekommt einen neuen Fall zugewiesen.
 
Der Patient hinter dem Vorhang wird zu einer Untersuchung abgeholt. Ich erkenne einen grossen, festen Mann, begleitet von einer zierlichen Frau und einem jüngeren Mann. Aus den erlauschten Gesprächen kristallisieren sich langsam die Krankengeschichte und die Zukunft heraus: Der ältere Mann hat zahlreiche körperliche Reparaturen hinter sich. Irgendwo im Bereich der Leber hat er ein künstliches Röhrchen zur Ableitung unerwünschter Säfte. In den letzten Tagen ist es ihm zu Hause immer schlechter gegangen. Der Hausarzt fand nichts, und so kam die letzte Nacht vor der Einlieferung. Der Patient hatte einen aufgedunsenen Bauch, grosse Schmerzen und 41 °C Fieber. Höher konnte die ältere Frau nicht messen, weil der Fiebermesser nicht mehr anzeigt. Die Frau kann den Mann nicht bewegen, weil er zu schwer ist. Anständig, wie die Leute sind, warteten sie den Morgen ab, bis der junge Mann ihr helfen konnte, ihren Ehemann ins Spital zu bringen. Hier dauerte die Befragung länger. Der Fall ist viel komplizierter als meiner, weil zuerst eine Diagnose gemacht werden muss. Das Fieber und die Schmerzen bekommen die Ärzte rasch in den Griff. Die Untersuchung im Spital dauert länger.
 
Ich bin allein im Raum und döse vor mich hin. Es klopft, die Tür öffnet sich und ein grosser, starker Mann in einem weissen Kittel tritt herein. „Herr Keller, ich kenne Sie besser von innen als von aussen. Ich bin der Chef der Radiologie, und meine Mitarbeiterinnen haben vor einer Woche versucht, Sie zu punktieren. Ich habe mir die Bilder von damals und die heutigen Bilder angesehen. Der Bereich mit der Flüssigkeit ist etwas grösser geworden. Deshalb glaube ich, dass ich Ihnen die Punktierung machen kann.“ Das ist sicher die Kapazität, von der die nette Ärztin in Brugg gesprochen hat, geht mir durch den Kopf: „Herr Doktor, ich habe volles Vertrauen in Sie.“„Ich habe jetzt noch einige Patienten auf dem Programm, Sie müssen sich etwas gedulden, aber am Nachmittag schiebe ich Sie zwischen 2 Behandlungen ein. Sie werden abgeholt. Sie bekommen eine Infusion. Sie wissen wegen der Risiken bei der Punktierung brauchen wir einen raschen Zugang in ihr Blutsystem.“„Sie bestimmen, was Sie brauchen; ich lasse es geschehen. Ich habe nur eine Bitte: Nehmen Sie mir die Infusion wieder weg, sobald Sie sie nicht mehr brauchen.“ Er fackelt nicht lange, stimmt zu und verabschiedet sich.
 
Die Pflegefachfrau nimmt mir Blut – die Ärzte brauchen noch zusätzliche Blutwerte – und steckt die Infusion. „Gar nicht so einfach, bei Ihnen noch einen guten Ort dafür zu finden, der nicht schon verstochen ist“, meint sie. Der erste Versuch misslingt, weil irgendeine Venenklappe den ungehinderten Durchfluss verhindert. Der zweite Versuch an der rechten Hand gelingt.
 
Der Patient hinter dem Vorhang kommt von der Untersuchung zurück. Über 2 Liter Flüssigkeit wurden ihm aus der Bauchhöhle gesogen. Noch mehr ist drin. Er muss am Nachmittag operiert werden. Der Mann ist ruhig, als ob er schliefe. Ärzte und Pflegerinnen kommen und gehen. Die ältere Frau wird überschüttet mit Fragen, Diagnosen und Hinweisen, was noch passieren könnte. Sie tut mir leid. „Ich habe noch eine Frage“, sagt der Arzt: „Was ist, wenn wir Ihren Mann auf die Notfallstation bringen müssen? Sollen wir das machen, oder möchten Sie das nicht?“ Zuerst verstehe ich die Frage nicht – sie ist auch nicht an mich gerichtet. Ich bin nur unfreiwilliger Zaungast, und kann mir die Ohren nicht zuhalten. Die Frau begreift sofort: „Ja“, sagt sie, „machen Sie, was Sie können.“ Auch für den Arzt ist es schwierig: „Es tut mir leid, dass ich das fragen muss. Wissen Sie, es gibt Leute, die keine lebensverlängernden Massnahmen wollen.“ Jetzt ist auch mir die Frage klar. Die Frau ist sehr tapfer. Als sie wieder allein ist und ihr Mann schläft, telefoniert sie leise. Mit gebrochener Stimme erklärt sie jemandem, was passiert ist und dass sie im Spital bleiben werde, bei ihrem Mann. Fast unhörbar weint sie. Ich getraue mich nicht, sie hinter dem Vorhang anzusprechen.
 
Der 2. Versuch
Anfangs Nachmittag werde ich, im Bett liegend, abgeholt, durch Lifte und Gänge gefahren, bis ich wieder auf dem Schragen durch den Willisauerringli-ähnlichen Computertomographen liege. Genau um 14.00 Uhr kommt der Herr Doktor. Es sind weniger Leute im Raum als beim letzten Versuch. Ich bin vollkommen ruhig. Sorgfältig werde ich auf den Bauch gelegt; das letzte Mal lag ich schräg auf der Seite. „Die Hände kommen über den Kopf – hier können Sie sich festhalten. Hier noch ein Kissen, das Bein noch etwas weiter so. Geht es? Dann machen wir zuerst nochmals Bilder in dieser Lage.“
 
In meiner Bewegungslosigkeit sehe ich nicht, was im Raum passiert: „Herr Keller, ich bin in Ihrem Rücken tätig. Sie brauchen keine Angst zu haben, ich werde Ihnen jedes Mal sagen, wenn ich etwas mache, oder Sie berühre. Ich rasiere Ihren Rücken. Ich zähle die Rippen und bringe eine Markierung an. Ich desinfiziere; es wird etwas kalt. Geht es?“„Ja, natürlich, machen Sie nur, ich halte mich vollkommen still.“„Ich mache Sie schmerzunempfindlich. Ich beginne mit dem Einstich.“ Ich spüre nichts. Mein Beitrag besteht tatsächlich nur im Stillhalten. Dann gibt es wieder Bilder. „Ausatmen, einatmen, nicht mehr atmen ... Herr Keller, wir sind auf Kurs. Noch ein kleines Stück. Ich brauche nochmals Bilder. Geschafft. Herr Keller, wir sind drin in der Flüssigkeit. Ich sauge ab. Ziemlich genau 200 Milliliter.“ „Das hat die Ärztin am Morgen auch gesagt.“ –„Dann hat sie sehr gut geschätzt“, kommt das Lob des Spezialisten. „So, jetzt ziehe ich Ihnen ein Schläuchlein ein. Geht das?“ – „Ja“, sage ich. Er meint: „Ich sehe es Ihrer Nasenspitze an, Sie haben Schmerzen. Ich weiss, da ist eine Stelle, die wehtut. Es kommt noch eine. Wir warten einen Moment.“ Der Mann kennt das Innere des Körpers wirklich gut. „So, jetzt befestige ich noch das Schläuchlein an Ihrem Rücken, und dann sind wir fertig.“ Er bedankt sich für meine Mithilfe: „Herr Doktor, der Dank liegt ganz auf meiner Seite. Ich habe gar nichts gemacht.“„Eben deshalb haben Sie mir geholfen.“ Ich bin sehr erleichtert und weise ihn noch auf meine Infusion hin. „Nehmen Sie ihm die Infusion weg,“ Er verabschiedet sich und eilt aus dem Raum. Wahrscheinlich muss er versuchen, die Stunde, die er für mich brauchte, in seinem Tagesprogramm wieder wett zu machen.
 
Ich komme zurück in den Raum der Notfallstation. „Sie müssen sich noch etwas gedulden, bis Sie auf die Pflegestation kommen.“ Ich bekomme zu trinken. Hinter dem Vorhang hat der Patient gewechselt. Diesmal ist es eine ältere Frau, die vor Schmerzen stöhnt. Sie ist allein, allein im Spital und allein auch zu Hause, wie ich nach und nach erfahre. Die schriftdeutsch sprechende Ärztin, welche die Frau befragen muss, hat es schwieriger als diejenige bei mir heute morgen.
 
Die Frau hinter dem Vorhang
Die Frau ist allein und sollte irgendwann zu einer Diagnose und zu einem Vorschlag für das weitere Vorgehen kommen. Die Patientin ist total vereinsamt. Sie mag ihrem Haushalt, ihrem Haus und ihrem Garten nicht mehr Meisterin zu werden und will keine Hilfe. Ihr Körper gleicht einer Baustelle. Vieles ist schon operiert, ausgewechselt, mit Medikamenten mehr oder weniger unter Kontrolle. Trotz Tabletten hat sie Rückenschmerzen, die sie nachts nicht mehr schlafen lassen. Zeitweise kann sie sich kaum mehr bewegen. Die Patientin ist froh, endlich eine Person zu haben, der sie alles aus ihrem Leben erzählen kann. Die Ärztin hört geduldig zu und bemüht sich beharrlich, die Fragen wieder Richtung Fragebogen zu lenken. Bei den Tabletten verhaspelt sich die Patientin total. Auf hochdeutsch insistiert die Ärztin. Der Patientin verleidet es. „Haben Sie manchmal auch Schwindel?“ – „Ja, ja, Schwindel habe ich oft.“ – „Dreht der Schwindel oder schwankt er?“ – „Was soll der Schwindel?“ – „Haben Sie das Gefühl, alles drehe sich im Kopf wie bei einem Karussell oder schwankt der Kopf wie auf einem Schiff?“ – „Nein, nein, nicht wie auf einem Schiff oder einem Karussell, einfach Schwindel. Wissen Sie eigentlich nicht, wie es ist, wenn man Schwindel hat?“ Und so nimmt die Patientin die Gesprächsführung wieder in ihre Hand. Manchmal muss ich fast schmunzeln, andererseits ist es ja traurig, und die Ärztin ist auch nicht zu beneiden.
 
Gegen Abend werde ich auf ein Spitalbett umgeladen und auf die Pflegestation, die ich gestern nach dem Urlaub nicht wieder aufgesucht habe, gefahren. Ich erhalte für mich allein ein anderes Zimmer. Die Leute empfangen mich sehr freundlich und haben die Sachen, die ich gestern zurückgelassen hatte, schon in mein neues Zimmer gebracht. Die Nacht verlief so, wie die Nächte im hell beleuchteten Spital halt verlaufen.
 
Chef mit Gefolge
Am nächsten Morgen werde ich zum Chef der Urologie gerufen. Er will meine Wunde sehen. Es tritt immer noch viel Eiter aus. Er spreizt die Wundränder und legt zur Drainage einen Schlauch ein. Dann bin ich wieder entlassen.
 
Ich lümmle etwas auf dem Balkon herum und beobachte die Leute auf den Wegen des Spitals. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen. Zivilisten, Lieferanten, Gärtner, Pflegerinnen und Pfleger und die weiss bekittelten Ärzte sind ständig unterwegs. Speziell sind die grossen Arztvisiten. Dank der gläsernen Hausfassade sieht man in die Gänge vor den Zimmern. Bei der Arztvisite sieht man die Hierarchie. Der älteste Herr ist der Chef. Im Gang reihen sich Ärzte um Ärzte, schön nach dem Datum des Staatsexamens, ein. Die Pflegefachfrau mit den Ordnern über die Fieber- und Blutdruckwerte steht in der Nähe des Chefs. Der Chef schaut, diskutiert mit seiner nächsten Umgebung und schickt sich an, an die Türe zu klopfen. Hinten diskutieren immer noch die jüngeren Ärzte – ich weiss natürlich nicht worüber. Der Chef öffnet die Tür und verschwindet, ihm hinten nach all die Ärzte, die sich im Umzug eingereiht haben. Nach und nach kommen die Nachzügler. Hier eine Ärztin, da noch ein Arzt, der sich still in die Türe schmuggelt. Es geht eine Weile, und der ganze Umzug kommt in umgekehrter Reihenfolge raus auf den Gang. Der Chef diskutiert wieder mit seiner nächsten Umgebung, die Pflegefachfrau notiert. Hinten bilden sich Grüppchen, die auch diskutieren und dann verläuft sich das Ganze, weil sich der Chef verabschiedet. Was der überraschte Patient von so einem Aufzug hat weiss ich nicht. Sicher ist, dass der Patient nicht weiss und nicht informiert wird, was die Pflegefachfrau im Auftrag des Chefs jetzt im Krankenblatt notiert hat.
 
Beim Käser
Ich besuche meinen vorgestrigen Bettnachbarn. Ein pensionierter Käser, der im Waadtland Käse machte. Wir haben uns gut unterhalten, vor allem über früher und heute. Er hatte eine Sache bei einem Zahnarzt, dann ist der Kiefer irgendwie ausgebrochen. Eine Kieferoperation folgte, und nun hat er eine Infektion und soll die Kopfhöhlen spülen lassen – was auch immer das heissen mag. Er hat auch einen Arzt in der Familie, der ihn von aussen betreut. Als ich den vor 2 Tagen noch aufgeweckten Mann im Bett liegen sehe, erschrecke ich echt. Er kommt mir um Jahre gealtert vor. Er hat Schmerzen, Klammern in der Nase und nachts das Nasenbluten. Wenn es nicht aufhört, müssen die Ärzte etwas in der Nase verätzen. Er mag nicht sprechen, ich kann ihm nicht helfen, und er ist froh, dass ich ihn alleine lasse. Gute Besserung. Ich hoffe, es geht ihm inzwischen wieder besser.
 
Abends kommt der Herr Professor auf Visite. Die Ärztin, der wir am Sonntagmorgen entwischt sind (Blog vom 2. Oktober 2007), begleitet ihn und muss aufschreiben. Nachdenklich schaut er sich den Plastiksack, der die kaffeebraune Flüssigkeit aus meinem Rücken sammelt, an. „Ist das alles seit heute morgen?“ Die Pflegefachfrau bestätigt das. Dann schaut er mich lange an und meint: „Herr Keller, wir unterbrechen jetzt das Schläuchlein in Ihrem Rücken. Wenn Sie bis morgen keine Schmerzen kriegen, können die Pflegefachfrauen das Schläuchlein rausziehen. Nachher können Sie nach Hause. Der Katheter bleibt drin, und Sie erscheinen am nächsten Montag um 14.00 Uhr bei mir, damit ich mir die Wunde ansehen kann.“ Ich staune und bedanke mich überschwänglich. Offenbar geht es auch so.
 
Ich schlafe ganz gut, weil ich irgendwie zufrieden bin und sich der Körper langsam an die Geräusche und die Lichter des Hauses gewöhnt. Vielleicht bin ich auch einfach müde. Am Morgen fällt zuerst beim Wechseln des Verbandes die Wunddrainage heraus. Zwei Pflegefachfrauen montieren mir an deren Stelle ein Stück eines Frauenkatheters, worauf sie nicht wenig stolz sind.
 
Entlassen
Meine Frau kommt und lässt sich in die Finessen der Wundpflege einführen. Ich beginne bereits wieder mit Nörgeln, wohl wissend, dass ich ohne ständiges Fragen das Spital am Morgen nicht verlassen kann. „Das Schläuchlein im Rücken dürfen sie erst ziehen, wenn ein Arzt sein Einverständnis gegeben hat.“ Also warten wir halt. Nachher will das Schläuchlein nicht kommen. Es widersteht den Zugversuchen der Pflegefachfrau. Der Arzt muss wieder kommen. Ich lege mich auf den Bauch, so wie die Sache montiert wurde, er zieht mutiger und die Sache ist erledigt. Pflaster aufs Loch, den Rest muss der Körper machen. „Herr Doktor, wann kann ich gehen?“„Ich muss noch den Bericht und die Rezepte für Verbandsmaterial machen.“„Den Bericht kann ich auch später holen.“ – „Nein, das geht nicht.“
 
Allen erkläre ich: „Ich verlasse das Spital vor dem Mittagessen“ – obwohl ein solches bestellt war. Ich wandere unruhig im Gang auf und ab, die Taschen gepackt. Meine Frau isst dann um 11.30 Uhr noch mein Mittagessen – ich erkläre mich im Hungerstreik – und kurz vor 12 Uhr verlassen wir mit allen Berichten und guten Wünschen die Pflegeabteilung.
 
Wieder geht es nach Hause, diesmal sogar mit dem Einverständnis der Ärzte.
 
Fortsetzung folgt.
 
Hinweis auf die vorangegangenen Berichte zum Behandlungsverlauf
07.10.2007: Erlebnisse im Kantonsspital Aarau (7): Die Bescherung
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